Publiziert am: 01.03.2024

Pelz – Mode für die Ewigkeit

KÜRSCHNERHANDWERK – Anja Marquardt ist die einzige Schweizer Kürschnermeisterin in der Schweiz. Für sie ist dieses traditionelle Handwerk ein Traumberuf. Mit viel Respekt und Bewusstsein gegenüber dem Tier respektive Material kreiert sie seit 2002 in ihrem Atelier in Meggen samtweiche und langlebige Blickfänge für eiskalte Tage.

Funktionalität und Mode perfekt vereint – aus Fellen entsteht wärmende, raffinierte Bekleidung mit natürlichen Vorteilen. «Es gibt nichts Natürlicheres – und nichts Nachhaltigeres», betont Anja Marquardt. Sie ist Kürschnerin aus Überzeugung – die einzige Kürschnermeisterin in der Schweiz. Nach der Geburt ihres Sohnes hat sie sich vor fast 22 Jahren selbstständig gemacht. In ihrem Atelier in Meggen kreiert sie seidenweiche Schmuckstücke für die Ewigkeit. Als Kürschnerin setzt sie sämtliche Arbeitsschritte um – von der Kundenidee bis zum Modeprodukt. Produkte aus Pelz zu kreieren, sind für die 47-Jährige etwas Traditionelles und Bodenständiges: «Es ist einer der ältesten Berufe der Welt. Schon in der Steinzeit hat man Felle zusammengenäht und sich damit gewärmt.» Zu ihrem Traumberuf kam sie durch die Kaninchenzucht ihres Vaters. «Meine Mutter verarbeitete die Felle unserer Kaninchen in einem Fellnähkurs und als 12-Jährige durfte ich mit. So habe ich meinen ersten Hasen aus Kaninchenfell von Hand genäht», erinnert sie sich.

«Kein anderes Material kann so oft wieder umgestaltet werden – wenn das nicht nachhaltig ist.»

Marquardt hat kein klassisches Pelzgeschäft, in dem viele Teile schon an Lager sind und die sie an die Kundschaft verkauft. «Bei mir gibt es keinen Pelz von der Stange, ich fertige nur nach Auftrag und nach Mass an.» Zu ihrem Repertoire gehören Neuanfertigungen, Reparaturen, Änderungen und Umarbeitungen – alles nur auf Mass und Bestellung – auch die Reinigung und die Aufbewahrung der Pelze im Sommer. Zudem betreibt sie einen Online-Shop mit Accessoires, die sie auf Fuchsfellmärkten, Weihnachtsmärkten und Designausstellungen präsentiert.

Edles und ökologischesNaturprodukt

Ihr Atelier ist bei ihr im Haus im grossräumigen Dachgeschoss untergebracht – denn Kürschnern braucht Platz. Zu ihrem Arbeitsreich gehören ein grosser Arbeitstisch, die sogenannte Zweckplatte, sowie ein Materiallager, das sich aus den verschiedensten Fellen, vielen Stoff- und Ledermustern sowie Schnittmustern zusammensetzt. Nicht fehlen darf ihr wichtigstes und wertvollstes Arbeitsinstrument – eine Pelznähmaschine aus den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts. «Ich benötige ein kreatives Umfeld, um schöne und langlebige Produkte aus Fell herzustellen.» Kreativität, handwerkliches Geschick, viel Fingerspitzengefühl für das sinnliche Naturprodukt und Empathie für die Kundschaft machen eine gute Kürschnerin aus. «Pelz ist ein Kleidungsstück fürs Leben», so Marquardt. Die Luzernerin ist immer wieder fasziniert, wie aus einem Pelzmantel aus den 80er-Jahren Jahre später eine Jacke entstand, die heute zu einer Weste oder einer Decke umfunktioniert wird. «Kein anderes Material kann so oft wieder umgestaltet werden – wenn das nicht nachhaltig ist.»

Zu ihrer Kundschaft gehören Erben von Pelzen, die sich die edlen Stücke an ihre Bedürfnisse anpassen lassen, Pelzliebhaberinnen, die einen modischen neuen Pelz wollen, oder Jäger, die aus ihrem erlegten Rotfuchsfell eine Trophäe haben möchten – meistens eine Mütze oder bei genügend Fellen eine Decke. Einige Kunden kommen schon über 20 Jahren zu ihr. «Ich verarbeite nur Felle aus Zuchten aus Europa (Nerz, Silberfuchs usw.) oder Lammfelle aus Herdenzucht und Felle aus der Jagd wie Rotfuchs, Marder, Marderhund usw.» Es gibt auch Tierfelle, die sich absolut nicht für Mäntel oder andere Fellprodukte eignen. Dazu gehören Rentier, Reh, Wildschwein und Elch. «Meistens ist das Haar nicht seidig genug und das Leder zu dick.»

Es ist jeweils ein langes Prozedere, bis ein Pelzmantel umgearbeitet oder neu produziert ist. «Pelz ist nicht einfach zu verarbeiten, es braucht die Ausbildung, den Respekt und das Bewusstsein gegenüber dem Material.» Marquardt braucht für eine Umarbeitung durchschnittlich 40 Stunden: Pelz auseinandertrennen, Massschnitt zeichnen, Leinenmodell anfertigen, Probe, Herstellen des Pelzstücks – so der Kürschner-Prozess. «Pelz kann ich nicht bügeln wie Stoff, deshalb muss ich ihn auf die Zweckplatte nach Muster aufspannen.» Als nächster Schritt näht sie alle Einlagestoffe von Hand auf – nur die Nähte selbst mit der Pelznähmaschine. Nach einer ersten Anprobe näht sie Taschen, Verschlüsse und das Futter wieder von Hand ein. «Kürschnern ist viel Handarbeit – das sogenannte Aufzwecken auf die Platte benötigt viel Kraft in den Fingern und Händen», erklärt die Spezialistin und doppelt nach: «Nicht umsonst war Kürschner früher nur ein Männerberuf und die Frauen waren die Pelznäherinnen, welche die niedrigen Arbeiten ausführen durften.»

«Immer mehr Menschen kommen weg vom Pelz, da sie keinen Bezug dazu haben und auch nicht richtig aufgeklärt wurden, woher der Pelz kommt.»

Wobei die Branche immer noch elitär ist, wurde sie doch nie in einen Kürschnerverband aufgenommen, obwohl sie es gewollt hätte. «Ich bin eine Frau, und das ist immer noch eine Männerdomäne», stellt sie fest. Die Kunden mögen es allerdings lieber, von einer Frau bedient zu werden. «Ich trage selbst auch Pelz und kann mich daher besser in die Trägerinnen von Pelz hineinversetzen.» Marquardt verarbeitet nicht nur reine Pelzmäntel, sondern auch Mützen, Handschuhe, Kissen, Decken, Innenfutter usw. «Ich fertige die Fellprodukte hauptsächlich im Sommer an, damit im Winter dann der Pelz fertig ist. Also eine Wartezeit von sechs Monaten ist normal.»

Prioritär ist für sie, so nachhaltig wie möglich mit der Ressource Pelz umzugehen. «Ich versuche vom Fell alles zu nutzen. Aus den Pfoten eines Rotfuchses entstehen so noch Ringe oder Stirnbänder. Zudem stelle ich nur das her, was auch gewünscht wird.» Ein Pelz von ihr ist keine Fast Fashion, den gönnt man sich. Zu ihrem Service gehören auch Reinigung, Reparatur, Anpassungen. «Zwischen Frühjahr und Sommer ist der ideale Zeitpunkt für die Pflege eines Pelzproduktes», so Marquardt und konkretisiert: «Pelz ist ein edles, ökologisches und traditionelles Naturprodukt. Mittels richtiger Pflege, Reinigung und Lagerung wird der Tragekomfort eines Pelzes über Jahre garantiert. Eine professionelle Übersommerung durch Fachspezialisten sichert den Werterhalt.»

Handwerk mit ungewisser Zukunft

Pelze und Fell sind in unserer Gesellschaft leider umstritten und damit ist auch die Zukunft des alten Handwerkes des Kürschners ungewiss. Marquardt ist sich dessen bewusst: «Immer mehr Menschen kommen weg vom Pelz, da sie keinen Bezug dazu haben und auch nicht richtig aufgeklärt wurden, woher der Pelz kommt.» In der Schweiz werden jedes Jahr bis zu 30 000 Rotfüchse geschossen und nicht einmal 3000 davon werden als Pelz verwendet, sondern lieber in die Kadaverstelle gebracht. Pelzkritikern rät sie, sich auch mal mit der Langlebigkeit, der Anpassungsfähigkeit und der Entsorgung eines Pelzes auseinanderzusetzen. «Kunstpelz besteht zu 100 Prozent aus Erdöl, kann nicht umgearbeitet werden und wird auch nicht nachhaltig abgebaut wie Pelz», gibt sie zu bedenken und ergänzt: «Wer ein natürliches Produkt, das einen im Winter wärmt, tragen möchte, kommt an Pelz nicht vorbei. Keine Gore-Tex-Jacke kann jemals so warm geben.»

Doch auch auf politischer Ebene bläst ihrem Metier ein harter Wind entgegen: So will der Bundesrat ein Importverbot für Pelze aus tierquälerischer Produktion prüfen. Das Departement des Innern EDI arbeitet bis März 2024 eine Vorlage aus. Bereits im vergangenen Jahr versuchte der Bundesrat, ein Verbot des Imports bestimmter Pelze zu veranlassen. Und scheiterte am Veto des Ständerats. Jetzt versucht er es erneut (vgl. Kasten). Zudem wurde nämlich eine Initiative eingereicht. Wird diese angenommen, bedeutet dies konkret für sie, dass sie keine neuen Felle aus Zuchten in Käfighaltung mehr in die Schweiz importieren darf – also keine neuen Nerze und Silberfuchspelze mehr. «Felle aus in der Schweiz erlaubten Zuchten wie Herdenzucht und Kaninchenzucht in Boxen mit Naturboden sowie Felle von der Jagd wären weiterhin möglich.» Hinzu kommt, dass der Nachwuchs fehlt – in der Schweiz und in Deutschland gibt es zurzeit keine Auszubildenden – und viele Menschen wenden sich vom Pelz ab. So wird der Beruf langsam aussterben. «Ich würde sehr gerne einen Lehrling ausbilden, der dann das Erbe weitertragen kann. Ob er dann in der Branche bleibt, ist allerdings fragwürdig», bedauert Marquardt. Denn es wird auch immer schwieriger, geeignete Gerbereien, Fellhändler und Stofflieferanten zu finden, die Kleinstbetriebe noch in kleinen Mengen beliefern und in Europa produzieren. Corinne Remund

www.pelzatelier.ch

UNGEWISSE ZUKUNFT

Importverbot und Volksinitiative

Die Volksinitiative gegen den Import von Pelzen aus Quälzuchten wurde kürzlich eingereicht. Das Volk wird darüber abstimmen. Der Bundesrat prüft parallel ein Importverbot für tierquälerisch hergestellte Pelze und Pelzprodukte. Die Frist dazu läuft gemäss Departement für Inneres EDI bis Ende März. Für den Pelzverband Swiss Fur wäre ein Importverbot nicht mit EU- und WTO-Recht kompatibel. CR

www.swissfur.ch

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