Publiziert am: 22.03.2024

Normalität wahren und KMU schützen

EPIDEMIENGESETZ – Der Bund will das Epidemiengesetz revidieren. Es geht auch darum, die Lehren aus der Corona-Pandemie zu berücksichtigen. Das gelingt der Vernehmlassungsvorlage nicht.

Gemäss Bundesrat soll die Teilrevision des Epiedemiengesetzes «dem Bund und Kantonen ermöglichen, in enger Zusammenarbeit die Gesundheit der Bevölkerung vor künftigen Bedrohungen durch übertragbare Krankheiten oder Antibiotikaresistenzen zu schützen und die entsprechenden Präventionsmassnahmen rechtzeitig zu ergreifen».

Die Optimierung verschiedener Einzelaspekte ist dabei gelungen. Zum Beispiel wird das Meldeverfahren gesundheitsrelevanter Daten verbessert. Auch die Ablösung der drei Lagen – normale, besondere und ausserordentliche – wird schärfer definiert. Doch diese Arbeit am Detail ist nicht das Entscheidende, um eine Krise zu meistern. Zentral sind stattdessen die Balance der verschiedenen Interessen und der Führungsrhythmus. Beides nennt die Vorlage nicht.

Wirtschaft und Gesellschaft zählen auch

Weiterhin bleibt das Epidemiengesetz allein auf die Gesundheit ausgerichtet. Das gilt auch für Krisenzeiten. Dabei ist das ein fataler Fehler, gerade in besonderen und ausserordentlichen Lagen. Die Bevölkerung hat legitime Interessen, die auch während stärkerer Interventionen gewahrt werden müssen. Die Spaltung, welche das Land in der Corona-Zeit durchgemacht hat, darf sich nicht wiederholen.

Entsprechend verlangt der Schweizerische Gewerbeverband sgv, dass die Vorlage ergänzt wird: Das Epidemiengesetz muss die Balance zwischen Gesundheitspolitik, gesellschaftlichem Zusammenleben und wirtschaftlichen Interessen in verschiedenen Lagen sicherstellen. Gerade in schwierigen oder Krisenzeiten ist die Einhaltung der Grundsätze des Rechtsstaates absolut notwendig.

Führung braucht Prozesse

Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wenig die Führungsprozesse in schwierigen Zeiten strukturiert sind. Entsprechend lauten die Forderungen des sgv:

• Beim Ausrufen einer besonderen oder ausserordentlichen Lage ist ein Bundesratsausschuss zu konstituieren, damit insbesondere potenzielle Zielkonflikte verschiedener Bereiche aufgefangen und lösungsorientiert beraten werden.

• Beim Ausrufen einer besonderen oder ausserordentlichen Lage ist ein Führungsstab einzurichten, in dem die Vertretung verschiedener Departemente, Bundesämter, Kantone und zivilgesellschaftlicher Anspruchsgruppen, vor allem Sozialpartner, zwingend sichergestellt ist.

• Der Bundesrat kann überdies beratende Gremien einrichten, die externe, in der Verwaltung feh-lende Expertise und Fachwissen einbringen. Die Angehörigen dieser Gremien werden vom Bundesrat gewählt und mandatiert. Diese Gremien leisten ihre Arbeiten zuhanden des Bundesratsausschusses, unterliegen dem Kommissionsgeheimnis und kommunizieren demzufolge nicht in der Öffentlichkeit. Von einer sich selbst konstituierenden, politisierenden Taskforce ist Abstand zu nehmen.

Das Parlament einbeziehen

Das Parlament soll über eine eigene, nach Parteienstärke zusammengesetzte Delegation zur Begleitung der Lagen verfügen.

• Die Delegation selbst muss eine ständige Einrichtung sein und über eigene Aufgaben und Kompetenzen verfügen.

• Der Bundesrat bedarf für die Ausrufung einer besonderen oder ausserordentlichen Lage der Zustimmung der parlamentarischen Delegation. Die besondere Lage wird entweder auf Antrag des Bundesrates oder per Beschluss der parlamentarischen Delegation beendet.

• Die besondere Lage kann maximal auf drei Monate, die ausserordentliche Lage maximal auf drei Monate befristet ausgerufen werden; sie können verlängert werden.

• In einer besonderen Lage müssen Verordnungen des Bundesrates oder der Departemente ein abgekürztes Vernehmlassungsverfahren inklusive einer abgekürzten Berichterstattung durchmachen.

• In der ausserordentlichen Lage müssen Verordnungen des Bundesrates oder der Departemente mindestens der parlamentarischen Delegation zur Konsultation vorgelegt werden.

Krise ganzheitlich denken

Der sgv will ein Epidemiengesetz, welches zum umfassenden Denken verpflichtet. Denn eine Krise betrifft meist alle Lebensbereiche. Gerade deswegen kann man nicht nur an Details herumschrauben. Es braucht ein austariertes Führungskonzept.

Henrique Schneider

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