Publiziert am: 19.04.2024

Ein Plädoyer für die Schuldenbremse

FRANKREICH/DEUTSCHLAND – Die öffentlichen Finanzen der europäischen Schwergewichte sind angeschlagen: Deutschland hat ein Finanzierungsdefizit von 96,9 Milliarden Euro, Frankreich eines von 124 Milliarden Euro. Zwei Länder also, an denen sich die Schweiz nicht orientieren sollte. Unser Land fährt besser, wenn Zurückhaltung geübt wird – auch wenns momentan unpopulär ist.

In Frankreich und Deutschland richten sich die Scheinwerfer auf den Zustand der öffentlichen Finanzen. Deutschland weist für 2022 ein Finanzierungsdefizit in Höhe von 96,9 Milliarden Euro und eine Staatsverschuldung von 2570 Milliarden Euro aus, für Frankreich sind es sogar 124 Milliarden Euro Finanzierungsdefizit des Staates bei einer Staatsverschuldung von 2950 Milliarden Euro. Für Deutschland entspricht die Staatsverschuldung somit 66,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), für Frankreich entspricht die Staatsverschuldung 111,8 Prozent.

Die Höhe dieser Summen lässt grosse Fragen offen. Nicht, dass sie grundsätzlich als übermässig oder unausgewogen angesehen werden müssten, da sich die Befürchtungen vor allem an den Urteilen der Ratingagenturen festmachen. Es geht also darum, die bestmöglichen Ratings für die Tragfähigkeit der Staatsschuldtitel zu gewinnen.

Von der Bedeutung der Ratings

Tatsächlich bestimmen diese Ratings von Agenturen wie Fitch, Moody’s und S&P die Risikogewichtung, die diesen Schuldtiteln zuzuordnen ist, insbesondere für die Bilanzen von Kreditinstituten und institutionellen Anlegern. Mit steigendem Risiko verschlechtert sich das Rating, was wiederum bedeutet, dass mehr Risikovorsorge getroffen werden muss.

Wenn sich also das Rating verschlechtert, sinkt natürlich die Nachfrage nach solchen Wertpapieren, was wiederum dazu führt, dass der Staat höhere Zinsen zahlen muss, um seine Schuldtitel bei den Gläubigern unterzubringen, die damit ein höheres Risiko eingehen.

Der Mechanismus ist klar und verständlich. In der Tat versuchen Frankreich und auch Deutschland, eine einfache Finanzierung ihrer unausgeglichenen Finanzen zu sichern, was politisch einfacher und – bei den Politikern – beliebter ist, als harte Kürzungen vorzunehmen und sich letztlich dem Zorn der Bevölkerung auszusetzen, die an staatliche Unterstützung gewöhnt ist.

Es ist daher verständlich, dass die Konzentration auf den Grad der Akzeptanz von Schuldtiteln über ihr Rating einfacher ist als eine gesunde und ausgewogene Verwaltung der öffentlichen Finanzen.

Die Leichtigkeit des Ausgebens

Der französische Ökonom und Politiker Frédéric Bastiat, der Mitglied der Nationalversammlung war, lebte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dieser Pionier des Liberalismus hatte sich bereits gefragt: «Warum sind unsere Finanzen gestört? – Weil es für die Abgeordneten nichts Leichteres gibt, als eine Ausgabe zu beschliessen, und nichts Schwierigeres, als eine Einnahme zu beschliessen (...). Ich kenne noch einen Grund dafür. Jeder will auf Kosten des Staates leben, und man vergisst, dass der Staat auf Kosten von jedem lebt.»

Bastiat weist auf eine grundlegende Wahrheit über die Natur der öffentlichen Finanzen hin: die Leichtigkeit der Ausgaben im Vergleich zu den Schwierigkeiten, Einnahmen zu generieren. Diese Beobachtung spiegelt die Tendenz der Regierungen wider, den populären Forderungen nach Ausgaben nachzugeben, ohne die langfristigen finanziellen Folgen ausreichend zu berücksichtigen.

Tatsächlich kann der Reiz des leichten Ausgebens zu Haushaltsungleichgewichten und zu einer zunehmenden Abhängigkeit der Gesellschaft vom Staat führen. Bastiat unterstreicht somit die Notwendigkeit finanzieller Verantwortung und einer informierten Entscheidungsfindung seitens der Regierenden.

Unverantwortliche Verwaltung

Doch die öffentlichen Finanzen sind nicht einfach nur Zahlen auf einer Tafel. Sie stellen vor allem eine Belastung des Staates dar – und sind somit auch eine Belastung für die Gesellschaft und die Privatwirtschaft, die Waren und Dienstleistungen produziert. In Frankreich liegt die Belastung durch die Staatsausgaben bereits bei 56 Prozent des BIP, in Deutschland bei 49,5 Prozent.

Die Steuer- und Haushaltspolitik hat einen direkten Einfluss auf das tägliche Leben der Bürger, und sie bestimmt das Niveau der öffentlichen Dienstleistungen, der Infrastruktur und der wirtschaftlichen Möglichkeiten.

«Jeder will auf Kosten des Staates leben, und man vergisst, dass der Staat auf Kosten von jedem lebt.»

Eine unverantwortliche Verwaltung der öffentlichen Finanzen führt zu einem Anstieg der Verschuldung, bürdet künftigen Generationen finanzielle Lasten auf und schränkt die Fähigkeit des Staates ein, auf die Bedürfnisse der Gesellschaft und mögliche Krisen zu reagieren.Die Frage der öffentlichen Finanzen betrifft also nicht nur die Regierenden, sondern auch – und dies ganz besonders – jeden einzelnen Bürger, der über Steuern und Abgaben auch die Auswirkungen eines laschen Umgangs mit öffentlichen Geldern zu spüren bekommt.

Keynesianischer Irrtum

Die in der Schweiz zunehmend verbreitete keynesianische Kritik unterstützt die Vorstellung, dass höhere Staatsausgaben die Wirtschaftstätigkeit ankurbeln und das Wachstum fördern können. Dieser Ansatz ist jedoch falsch, da er in jedem Fall ein unvorsichtiges Schuldenmanagement und eine unverantwortliche Steuerpolitik impliziert, die den Unternehmergeist zu ersticken droht.

Obwohl Staatsausgaben eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung von Wirtschaftskrisen spielen können, führt eine unkontrollierte Expansion eindeutig zu einer Erhöhung der Staatsverschuldung, zu Inflationsdruck – nicht unbedingt im Warenkorb, aber sicher bei den Vermögenswerten. Dies wiederum, und das muss betont werden, führt zu einer Geldentwertung und zu Verzerrungen auf den Märkten.

Kompromisse und Alternativen

Die Möglichkeit, sich zu verschulden, ist nicht bloss ein in die Zukunft verschobener Kostenfaktor. Schulden drücken bereits heute. Der Schuldendienst belief sich im Jahr 2023 in Frankreich auf 51,7 Milliarden Euro, in Deutschland auf etwas mehr als 40 Milliarden Euro.

In Wirklichkeit gibt es keine dauerhafte Lösung für wirtschaftliche Probleme. Es gibt nur Kompromisse und Alternativen. Während keynesianische Theorien das Blaue vom Himmel versprechen, um die Konjunkturzyklen zu steuern, führt dies zu einer übermässigen Abhängigkeit von öffentlichen Ausgaben – mit den beschriebenen, kurz- und langfristig schädlichen Folgen.

Diese Beispiele aus Frankreich und Deutschland dĂĽrfen der Schweiz nicht als Vorbild dienen. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv besteht darauf, dass der Erfolg der Schweiz in kontrollierten Staatsausgaben liegt und die Staatsausgaben erneut strikt begrenzt werden mĂĽssen. So, wie es die vom Volk im Jahr 2001 mit 85 Prozent Ja-Stimmen ĂĽberdeutlich angenommene Schuldenbremse vorsieht.

Mikael Huber, Ressortleiter sgv

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