Die präsentierte Vorlage sieht vor, die Anforderungen an die Anfechtung des Anfangsmietzinses zu präzisieren sowie den Nachweis der Orts- und Quartierüblichkeit praktikabler zu machen. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv unterstützt das Anliegen. Dadurch wird Rechtssicherheit geschaffen, die Vertragsfreiheit wird geschützt, und zeit- und ressourcenintensive Schlichtungsverfahren werden gestrafft.
Vertragsfreiheit gesichert
Das Mietrecht schreibt fest, dass Mieter das Recht haben, den Anfangsmietzins einer Wohn- oder Geschäftsliegenschaft anzufechten. Dies ist jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen und innerhalb der ersten 30 Tage möglich. Gemäss Auslegungen des Bundesgerichts muss eine persönliche oder familiäre Notlage zusätzlich zur erheblichen Erhöhung des Mietzinses gegeben sein, während allerdings eine Mangellage auf dem Markt als einzelnes Kriterium alleine ebenfalls ausreichend ist. Für die Praxis hat diese Auslegung bei Wohnliegenschaften weitreichende Folgen: Lebt der Mieter in einer Gegend mit Wohnungsknappheit, ist er praktisch automatisch berechtigt, den Anfangsmietzins anzufechten. Damit kann eine Partei einseitig die Vertragsfreiheit verletzen, indem sie nachträglich Änderungen am Vertragsinhalt (d. h. der Höhe des Mietzinses) vornimmt, denen sie zuvor freiwillig zugestimmt hatte.
Durch die Vorlage soll dieses Ungleichgewicht korrigiert werden. Neu soll es nämlich auch bei Wohnungsmangel nur jenen Personen, welche sich bei Vertragsabschluss in einer persönlichen oder familiären Notlage befunden haben, möglich sein, den Anfangsmietzins anzufechten. Dadurch werden Mieter in einer Notlage weiterhin vor Missbräuchen geschützt. Gleichzeitig soll es aber für Personen, welche sich nicht in einer Notlage befinden, nicht mehr möglich sein, einen Mietvertrag nachträglich einseitig zu ihren Gunsten abzuändern.
Schlichtungsverfahren werden praktikabler
Um zu beweisen, dass Mietzinse missbräuchlich bzw. rechtmässig sind, kennt das Mietrecht ausserdem die «Orts- und Quartierüblichkeit». Diese besagt, dass Mietzinse zulässig sind, wenn sie sich im Rahmen derjenigen von ähnlichen Mietobjekten in der Umgebung bewegen. Das Instrument kann von beiden Parteien – Mieter und Vermieter – im Streitfall zur Beweisführung angewandt werden. Die Bundesgerichtspraxis hat den Nachweis der Orts- und Quartierüblichkeit in der Vergangenheit allerdings kompliziert und restriktiv ausgestaltet, sodass dieser in der Realität fast unmöglich ist. Konkret gab es in den vergangenen Jahren kaum Fälle, in denen der Nachweis zustande kam.
Mit der Vorlage soll dieser Umstand behoben werden, damit das Instrument der Orts- und Quartierüblichkeit beiden Mietparteien als Beweismittel zur Verfügung steht. Vergleichskriterien werden konkretisiert und bewertet, Richter erhalten einen Ermessensspielraum, um fehlende Vergleichseigenschaften durch andere zu ersetzen, die Anzahl Vergleichsobjekte wird von fünf auf drei reduziert etc. Dies erleichtert es, Vergleiche von Mietobjekten in der Praxis vornehmen zu können. Es reduziert den Arbeitsaufwand und damit die finanziellen Folgekosten für Mieter, Vermieter und Schlichtungsbehörden und beschleunigt dadurch auch die Verfahren selbst.
sgv unterstützt Präzisierungen
Der Gewerbeverband unterstützt die Vorlage. Sie schafft Rechtssicherheit, indem sie klar definiert, in welchen Fällen Mieter zur Anfechtung des Anfangsmietzinses berechtigt sind. Dabei schützt sie Personen, welche effektiv einem Missbrauchsrisiko unterstehen, und wahrt gleichzeitig die Vertragsfreiheit. Ausserdem wird es ermöglicht, den Nachweis der Orts- und Quartierüblichkeit in der Praxis effektiv zu erbringen. Dies beschleunigt Schlichtungsverfahren und reduziert Aufwände und Kosten sowohl für Mieter wie auch für Vermieter.
Michèle Lisibach, Ressortleiterin sgv