Publiziert am: 05.04.2024

Unnötig oder unterschätzt?

ERDBEBENVERSICHERUNG – In der Schweiz sind nur wenige Gebäude gegen Erdbeben versichert. Schwerwiegende Ereignisse sind zwar selten, können aber zu grossen und langfristigen Schäden für Wirtschaft und Gesellschaft führen. Der Bund beschäftigt sich deshalb aktuell mit einer neuen Finanzierungslösung. Was ist davon zu halten?

Wer in Immobilien investiert, hat gut daran getan, diese auch gegen Schäden abzusichern. In den meisten Kantonen gibt es dafür kantonale Gebäudeversicherungen, welche Gebäude gegen Schäden aufgrund von Feuer oder Naturgefahren wie Hochwasser oder Sturm absichern. Aber wie sieht es eigentlich mit Erdbeben aus?

Unzureichende Absicherung gegen Erdbebenschäden

Durch Erdbeben verursachte Schäden werden von den kantonalen Gebäudeversicherungen nicht gedeckt. Dafür gibt es private Versicherungslösungen. In der Schweiz sind allerdings nur 15 Prozent der Gebäude gegen Erdbebenschäden versichert.

Der Grund für die fehlende Abdeckung ist, dass schwere Erdbeben in der Schweiz selten sind. Die Erde bebt hierzulande zwar 1000 bis 1500 Mal pro Jahr, allerdings ist davon nur ein Bruchteil spürbar. Beben, welche Schäden verursachen, kommen alle 30 Jahre vor. Schwere Schäden sind indes erst ab Magnitude 6 zu erwarten, was nur alle 50 bis 150 Jahre vorkommt.

Dass schwerwiegende Erdbeben selten sind, bedeutet allerdings nicht, dass von ihnen kaum ein Risiko ausgeht. Gemäss Berechnungen des Schweizerischen Erdbebendienstes können Erdbeben in der Schweiz in 100 Jahren Schäden von 11 bis 44 Milliarden Franken verursachen. Davon betroffen wäre nicht nur das Gebiet in unmittelbarer Nähe des Epizentrums. Das Bundesamt für Umwelt rechnet zum Beispiel damit, dass bei einem schweren Erdbeben in Basel Schäden bis ins Mittelland und die Ostschweiz zu erwarten wären. Bei einem Beben in Genf wären indes die gesamte Romandie sowie die Kantone Bern, Solothurn und Wallis betroffen.

Schwere Schäden für Wirtschaft und Gesellschaft

Erdbebensicheres Bauen sorgt dafür, dass Gebäude nicht einstürzen, wenn die Erde bebt. Es gewährleistet dadurch die Sicherheit der sich darin befindenden Personen. In der Schweiz ist dies zwar seit den 1990er-Jahren ein Thema, moderne Baunormen werden im Rahmen von Neubauten jedoch erst seit 2003 breit angewandt. Folglich ist die Erdbebensicherheit der meisten Gebäude unbekannt. Sollte es zu einem schweren Erdbeben kommen, wären also wahrscheinlich nicht nur grosse Teile des Landes betroffen, es wären auch unzählige Tote zu verzeichnen und zahlreiche Verletzte zu versorgen.

Der Staat wäre vorderhand mit Notfallmassnahmen beschäftigt. Die Behebung der Gebäudeschäden hätte untergeordnete Priorität. Ist dazu noch die Finanzierung ungeklärt, würde sich der Wiederaufbau in die Länge ziehen. Dies würde nicht nur für die Bevölkerung ein Problem darstellen, welche möglicherweise längere Zeit kein Dach über dem Kopf mehr hätte, sondern auch für die Wirtschaft. Denn bei beschädigten Gebäuden könnte auch die Produktion nicht wiederaufgenommen werden. Die daraus resultierenden Einnahmeausfälle, gepaart mit fortwährenden Fixkosten wie beispielsweise Lohnzahlungen, könnten viele KMU in den Ruin stürzen.

Vorsorge ist das A und O

Klug ist demnach, wer sich informiert und vorsorgt. Unternehmer sollten sich mit den Erdbebenrisiken auseinandersetzen und sich Gedanken darĂĽber machen, ob eine Erdbebenversicherung eine sinnvolle Investition darstellen wĂĽrde.

«Klug ist, wer sich informiert und vorsorgt.»

Auch der Bund beschäftigt sich aktuell mit dem Thema: Vor wenigen Wochen beendete er eine Vernehmlassung zu einer alternativen Finanzierungslösung für durch Erdbeben verursachte Gebäudeschäden, eine sogenannte «Eventualverpflichtung» (mehr dazu vgl. Kasten). Für den Schweizerischen Gewerbeverband sgv steht die unternehmerische Eigenverantwortung im Zentrum der Diskussion um die Finanzierung von Erdbebenschäden.

Michèle Lisibach, Ressortleiterin sgv

Vorlage des Bundes

Der sgv ortet zahlreiche Schwachpunkte

Mit einer neuen Vorlage will der Bund die Absicherung gegen Erdbebenschäden stärken. Schäden sollen möglichst vermieden werden, indem die Vorschriften für erdbebengerechtes Bauen auf Bundesebene verschärft werden. Zudem soll die Finanzierung von Schäden sichergestellt werden, indem der Bund von Gebäudeeigentümern zweckgebunden einen Betrag erheben kann.

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv anerkennt das Risiko von Erdbeben und deren Schäden und begrüsst es, dass die Finanzierung thematisiert wird. In der Vorlage sieht er jedoch zahlreiche Schwachpunkte wie zum Beispiel Konflikte zwischen kantonalen und Bundeskompetenzen, eine Konkurrenzierung der privaten Versicherungswirtschaft, zu weitgreifende Entscheidungskompetenzen für den Bundesrat, das zugrunde liegende Solidaritätsprinzip, hohe Zusatzkosten für Gebäudeeigentümer sowie eine unvollständige Abdeckung.ml

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