Publiziert am: 24.05.2024

Präventionsbürokratie wuchert weiter

Regulierung – Ein Programm soll KMU helfen, sexuelle und sexistische Belästigung am Arbeitsplatz zu verhindern. Betriebsinterne Leitfäden sollen erstellt werden, Chefs und Angestellte an Weiterbildungen teilnehmen. Die Regulierungsmaschinerie läuft auf Hochtouren.

Kürzlich hat der Kanton Zürich mitgeteilt, dass er neu Teil der Trägerschaft von «KMU konkret+» ist – neben den Kantonen St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden und der Stadt Zürich, die das Projekt initiiert haben. Das Programm richtet sich spezifisch an KMU mit 5 bis 249 Angestellten in der Deutschschweiz, und es stellt ihnen Angebote zur Prävention von sexueller und sexistischer Belästigung zur Verfügung. «Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmenden hat schon unerwünschte Berührungen, unangebrachte Bemerkungen oder Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts erlebt», heisst es in der Mitteilung.

Sexuelle Belästigung geht nicht – weder am Arbeitsplatz noch anderswo. Die grundsätzliche Frage lautet aber: Braucht es in diesem Bereich wirklich noch weitere staatliche Präventionsangebote? Wohl kaum.

Sich ausbreitende Opfermentalität

Im Rahmen des Programms kann online ein Self-Check ausgefüllt werden, der zeigen soll, wo das KMU bei diesem Thema steht. In einem weiteren Schritt sollen Kader und Mitarbeiter zu Kursen antraben, und die Firmen sollen betriebsinterne Leitfäden erarbeiten. Das tönt nach einer Menge Bürokratie. Der Amtsschimmel wiehert.

Und es stellt sich die Frage: Wieso traut der Staat den arbeitenden Menschen nicht (mehr) zu, solche Probleme ganz normal zu lösen, zum Beispiel durch ein Gespräch mit einem Vorgesetzten? Simple Antwort: Der moderne Sozial- und Präventionsstaat sieht den Menschen offenbar nicht mehr als selbstbestimmtes Individuum, das sich für seine Freiheit und Gleichbehandlung einsetzt. Vielmehr haben er – und all seine Nutzniesser in der Bürokratie – zwecks Machtzuwachs ein Interesse an einer sich immer weiter ausbreitenden Opfermentalität.

«Wieso traut der Staat den arbeitenden Menschen nicht (mehr) zu, solche Probleme ganz normal zu lösen?»

Man wird deshalb den Verdacht nicht los, dass es sich bei «KMU konkret+» vor allem um ein weiteres Beschäftigungsprogramm für Beamte handelt. Notabene – und wie immer – zulasten der Steuerzahler. Denn die Hauptkosten seien «dank» Finanzhilfen des Bundes nach Gleichstellungsgesetz gedeckt, schreibt der Kanton Zürich. Das Angebot sei für die KMU deshalb vergleichsweise günstig. Dass diese Schulungen und die Erstellung von Leitfäden ebenfalls Zeit – also auch Geld – kosten, scheint den Verwaltungsangestellten nicht bewusst zu sein.

Regulierungen kommen auf leisen Sohlen

Derzeit ist das Ganze noch freiwillig. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Regulierungen schleichend und auf leisen Sohlen daherkommen. Und das geht in diesem Fall so: Es werden gesetzliche Rahmenbedingungen – zum Beispiel via Gleichstellungsgesetz – geschaffen, welche alle Arbeitgeber verpflichten, die erforderlichen Massnahmen zum Schutze der persönlichen Integrität der Arbeitnehmer vorzusehen.

Dann startet der Staat Präventionsprojekte – zuerst freiwillig. Diese laufen so lange, bis eine gewisse Zahl an KMU mitmacht. Dann heisst es, es bestehe ein grosses Bedürfnis. Das Budget wird erhöht, Stellen werden aufgestockt, das Angebot ausgeweitet. Irgendwann folgt ein Obligatorium. Ein KMU mit fünf Angestellten wäre dann verpflichtet, Leitfäden zu erstellen und Kurse zu besuchen – selbst wenn es noch nie ein Pro-blem gab. Und so wuchert die Präventionsbürokratie von Tag zu Tag weiter. Sie kostet viel Geld – insbesondere die KMU, die dafür auch noch viel Zeit aufwenden müssen.

Rolf Hug

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