Publiziert am: 05.07.2024

Absurder Verwaltungsleerlauf

SRG-STEUER – Die degressive Tarifgestaltung der SRG-Steuern für Unternehmen ist verfassungswidrig, weil sie die KMU in unzulässiger Weise benachteiligt. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht. Der Bund spielt nun auf Zeit und geht vor Bundesgericht. Das zeigt: Die Mediensteuer muss weg.

Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts (BVGer) war eindeutig. Der degressive Tarif der «Unternehmensabgabe» für Radio und Fernsehen verstosse gegen das Rechtsgleichheitsgebot und sei verfassungswidrig, urteilte das Gericht im letzten November. Er benachteilige die KMU.

Man sollte denken, dass sich der Bund nach diesem Schuss vor den Bug – es ist übrigens nicht der erste – Gedanken zu einem für KMU gerechteren System macht. Und sich überlegt, wie das Modell mit den 18 Tarifen – absurderweise eingeteilt nach Umsatzgrösse – angepasst werden kann.

Doch nichts da. Die Eidgenössische Steuerverwaltung habe in Absprache mit dem Bundesamt für Kommunikation gegen das Urteil beim Bundesgericht Beschwerde erhoben. Das antwortete unlängst der Bundesrat auf eine Interpellation von sgv-Präsident Fabio Regazzi.

Der Mitte-Ständerat wollte im Nachgang zum BVGer-Urteil unter anderem wissen, in welchem Zeitraum der Bundesrat die rechtskonforme Anpassung des vom Gericht gerügten Tarifs plane. Und ob eine rückwirkende Korrektur der fehlerhaften Beiträge vorgesehen sei. Das alles kann der Bundesrat nun nicht beantworten: Zuerst sei das Urteil des Bundesgerichts abzuwarten.

Kein komplizierter Prozess

Das riecht nach einem Spiel auf Zeit. Und zeigt gut, wie Bürokratie täglich Leerlauf produziert, der auch widersprüchlich sein kann. So entschied das BVGer ebenso, dass der aktuelle «Tarif» – obwohl verfassungswidrig – aus Gründen der Rechtssicherheit bis zur nächsten Verordnungsänderung anwendbar bleibe. Nun dürfte sich bezüglich «Tarif» – richtig ist die Bezeichnung Steuer – jedoch sowieso bald etwas ändern. Denn der Bundesrat plant bald eine Entlastung der Unternehmen von der SRG-Steuer in Form einer Erhöhung der Umsatzschwelle von 500 000 auf 1,2 Millionen Franken (vgl. Kasten). Damit will er der Halbierungsinitiative («200 Franken sind genug!») den Wind aus den Segeln nehmen, welche konsequenterweise eine Befreiung aller Unternehmen von der SRG-Steuer fordert.

Der Gang ans Bundesgericht wäre vielleicht noch gerechtfertigt, wenn diese Erhöhung der Umsatzschwelle und damit die Umgestaltung des «Tarifs» ein langwieriger und komplizierter politischer Prozess mit vielen Unwägbarkeiten wäre. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Der Bundesrat will – und darf – seinen halbgaren Gegenvorschlag zur Initiative unkompliziert in Eigenregie auf Verordnungsstufe umsetzen.

Unternehmen ganz befreien

Fabio Regazzi wies in der Sommersession in seiner Antwort an den Bundesrat denn auch auf die wunden Punkte hin. Er habe zur Kenntnis genommen, dass der Bundesrat die Unternehmen entlasten wolle. Der Gang ans Bundesgericht mute vor diesem Hintergrund eher seltsam an, so der sgv-Präsident. Er frage sich, ob dieses Vorgehen mit der Zustimmung des Bundesrates beschlossen worden sei oder nicht. «In jedem Fall finde ich es widersprüchlich.»

«Bundesbeamte beschäftigen – womöglich in Eigenregie – ohne Not die Richter.»

Bundesbeamte beschäftigen – womöglich in Eigenregie – also ohne Not die Richter. Und dies auf dem Buckel der KMU und auf Kosten der Steuerzahler.

Für Regazzi ist klar: Der bundesrätliche Vorschlag sei keine befriedigende Lösung, und die Mediensteuer für Unternehmen sei ganz abzuschaffen. Es handle sich um eine klassische Doppelbesteuerung, weil ja auch sämtliche Haushalte zahlen müssen.

Wenigstens ein Zugeständnis gab der zuständige Bundesrat Albert Rösti in seiner kurzen Antwort im Ständerat anschliessend an Regazzis Votum: «Klar ist für uns, dass wir im Falle einer Ablehnung dieser Beschwerde durch das Bundesgericht die entsprechenden Beiträge natürlich an die betroffenen Firmen zurückzahlen müssten und würden.»

Rolf Hug

Erhöhung der Umsatzschwelle

Der Vorschlag des Bundesrats ist «reine Kosmetik»

Der Bundesrat hat beschlossen, die SRG-Steuer für die Haushalte, welche von der Serafe AG eingetrieben wird, bis zum Jahr 2029 schrittweise von heute jährlich 335 auf neu 300 Franken zu senken. Zudem will er die Unternehmen entlasten. Diese sollen ab 2027 neu ab einem Jahresumsatz von 1,2 Millionen Franken steuerpflichtig sein – und nicht mehr wie heute ab 500 000 Franken. Laut Bundesrat werden damit bis zu 80 Prozent der mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen von der SRG-Steuer befreit sein, welche von der Eidgenössischen Steuerverwaltung einkassiert wird.

Zwar verbessert sich damit die Situation für einige Unternehmen. Doch der unlogische Kern des heutigen Systems bleibt bestehen. Zig Unternehmen – da-runter auch KMU – werden weiterhin unzulässig doppelt besteuert. Obwohl man auch künftig nicht gleichzeitig zu Hause und am Arbeitsplatz fernsehen oder Radio hören kann.

Kommt hinzu, dass diese geplante Erhöhung der Umsatzschwelle nicht einfach dazu führt, dass KMU automatisch von der Mediensteuer befreit sein werden. Denn es gibt Kleinunternehmen zum Beispiel in der Uhren- und Schmuckbranche, wie etwa Edelmetallhändler, aber auch Händler aus dem Energiegeschäft, welche grosse Umsätze jedoch bloss eine kleine Marge erzielen – und trotzdem eine hohe Mediensteuer bezahlen müssen. Das ist doppelt ungerecht.

sgv unterstĂĽtzt weiterhin Halbierungsinitiative

Fabio Regazzi, der Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv, bezeichnet den bundesrätlichen Vorschlag vor diesem Hintergrund denn auch als «reine Kosmetik». Für dessen Zustandekommen dürften vor allem abstimmungstaktische Gründe eine wichtige Rolle gespielt haben. Dem Bundesrat ging es bei der Festsetzung der neuen Umsatzschwelle wohl einfach darum, eine genügend grosse Zahl an Unternehmen von der Mediensteuer zu befreien, um damit die Halbierungsinitiative bodigen zu können. Vollständig entlasten will der Bundesrat die KMU nicht, ansonsten hätte er das BVGer-Urteil ja auch nicht ans Bundesgericht weitergezogen (vgl. Hauptartikel).

Der sgv wird sich jedenfalls weiterhin für die komplette Abschaffung der Mediensteuer für die Unternehmen einsetzen, und – solange dieses Ziel auf politischer Ebene nicht erreicht ist – die Halbierungsinitiative unterstützen.hug

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