Publiziert am: 09.08.2024

Wunsch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander

Flexible Arbeit ist in aller Munde. Doch bei genauerer Betrachtung stellen wir fest, dass Wunsch und Wirklichkeit massiv auseinanderklaffen. Was die einen wollen, entspricht bei Weitem nicht dem, was die anderen bieten oder was demografisch möglich ist. Es bleibt noch Einiges zu tun, bis zukunftsfähige Lösungen gefunden sind.

Arbeitnehmende versus Unternehmen. 80 Prozent der Personen im erwerbsfähigen Alter in der Schweiz wünschen sich Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung, aber für nur rund die Hälfte bieten die Unternehmen solch flexible Arbeitsmöglichkeiten an. Das zeigt das neueste White Paper von swissstaffing, das auf einer repräsentativen Befragung von 1230 Erwerbspersonen in der Schweiz beruht.

Um Mitarbeitende zu gewinnen oder zu halten, müssen Arbeitgebende flexible Arbeit möglich machen. Dabei entspricht dasjenige, was sich die Unternehmen unter Flexibilität vorstellen, nicht immer demjenigen, was sich die Arbeitnehmenden wünschen. Der Dialog zwischen Arbeitnehmenden und Unternehmen ist wichtig, um eine gemeinsam getragene und funktionierende Vision von Flexwork zu entwickeln. Denn die Gefahr der Abwanderung ist real: Obwohl die Mehrheit der Erwerbstätigen mit ihrer Stelle zufrieden ist, wäre fast die Hälfte bei passender Gelegenheit zu einem Wechsel bereit.

Arbeitnehmende versus Gewerkschaften. Flexible Arbeit wird von der Erwerbsbevölkerung viel mehr als Chance denn als Risiko wahrgenommen. Die überwiegende Mehrheit der Erwerbsbevölkerung (79 Prozent!) sehen in der flexiblen Arbeit eine Chance, Beruf und Familie besser zu vereinen und/oder Autonomie und Eigenverantwortung zu fördern. Nur eine Minderheit der Erwerbsbevölkerung ist skeptisch. Ständige Erreichbarkeit, Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Berufs- und Privatleben sowie Kommunikationsschwierigkeiten im Team sind ihre Sorgen.

Trotzdem wird die Flexibilisierung des Arbeitsrechts von zentralen politischen Akteuren sehr kritisch betrachtet und bekämpft. Gerade die Gewerkschaften, die eigentlich die Interessen der Arbeitnehmerschaft vertreten müssten, sperren sich vehement gegen eine Flexibilisierung der Arbeitszeitregeln. Die Politik hinkt deshalb weit hinter den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts her.

Arbeitnehmende versus Demografie. Ein Drittel der Personen im erwerbsfähigen Alter in der Schweiz möchte weniger arbeiten, und nur 13 Prozent wollen mehr arbeiten. Gleichzeitig herrscht ein Arbeitskräftemangel, der sich aufgrund der demografischen Entwicklung mittelfristig noch weiter verschärfen wird. Es stellt sich die Frage, wer in die wachsende Lücke springen wird, oder ob sich der Wunsch nach weniger Arbeit in Luft auflösen wird bzw. muss.

Interessant ist hierbei, dass fast die Hälfte der Nichterwerbstätigen bereit wären, in den Arbeitsmarkt einzutreten, wenn sie Arbeitszeit und -volumen flexibel gestalten könnten. Hier schlummert also noch ein gewisses Potenzial, sofern die Rahmenbedingungen entsprechend angepasst werden.

Fazit: Nachholbedarf bei der Flexibilisierung. Der aktuell herrschende Fach- und Arbeitskräftemangel wird sich in den kommenden Jahren demografiebedingt verschärfen. Arbeitnehmende können deshalb ihre Bedürfnisse auf dem Arbeitsmarkt zunehmend durchsetzen. Flexible Arbeit ist ein Schlüssel zur Ausschöpfung des inländischen Erwerbspotenzials sowie zur Gewinnung und Haltung von Mitarbeitenden. Als Vorreiterin für flexibles Arbeiten spielt die Temporärarbeit hierbei eine wichtige Rolle. Personaldienstleister integrieren einerseits dank niedriger Eintrittsschwellen Nichterwerbstätige in den Arbeitsmarkt. Andererseits ermöglichen sie bereits heute mit ihrem Geschäftsmodell flexibles Arbeiten. Ein weiterer Schlüssel zur Bewältigung der Herausforderungen des künftigen Arbeitsmarkts liegt bei den Unternehmen sowie bei der Politik, die Arbeitsbedingungen weiter zu flexibilisieren.

*Myra Fischer-Rosinger ist Direktorin swissstaffing, Verband der Schweizer Personaldienstleister.

www.swissstaffing.ch

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