Der sgv freut sich über das wuchtige Nein zur Verarmungsinitiative
«Das bedroht unsere Existenz»
REGULIERUNGSWUT – Die Büchsenmacher und Waffenfachhändler haben Mühe, Banken und Versicherungen zu finden, die noch mit ihnen zusammenarbeiten wollen. Eine Geschichte darüber, wie übertriebene Nachhaltigkeitsbürokratie ein traditionelles Handwerk an die Wand drückt – und damit die Sicherheit der Schweiz gefährdet.
Daniel Wyss ist nachdenklich – und verärgert. Im letzten Jahr hat er sein Waffenfachgeschäft in Burgdorf von einer Einzelfirma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Was eher nach einem formalen, administrativen Akt tönt, erwies sich als komplizierter als gedacht. Und mit mehr Schwierigkeiten verbunden.
Der Grund: Seine bisherigen Versicherungen wollten nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten. Seit Jahrzehnten war er mit seinem Geschäft bei der Mobiliar und der Zürich versichert – alles ganz problemlos. Doch plötzlich wollten sie ihn und seine Firma nicht mehr haben.
Überall dasselbe
«Ich habe mehrmals bei meinen Versicherungen nachgehakt, auch telefonisch», erzählt Wyss. «Die Antwort war immer dieselbe: ‹Wir wollen mit Waffen nichts zu tun haben›.» Das sei in den allgemeinen Geschäftsbedingungen so geregelt. Neben Waffen gelte dasselbe für Erwachsenenunterhaltung und Drogen. «Dieser Vergleich brachte mich ziemlich auf die Palme. Denn im Gegensatz zu Drogen sind wir ein völlig legales Gewerbe», stellt der KMU-Inhaber klar.
«Kann ich mein Unternehmen nicht mehr versichern, bin ich bei einem Schadenfall schlimmstenfalls Konkurs.» Daniel Wyss
Er hat nach dieser ernüchternden Erfahrung die grössten Versicherungen angefragt. Doch es war überall dasselbe: Er fand niemanden, der sein Geschäft als Kunde haben wollte. Erst über eine bekannte Person in der Geschäftsleitung einer Versicherung war es möglich, dass er dort wieder Policen abschliessen konnte. Es half also einzig ein guter persönlicher Kontakt.
Wichtig für die Sicherheit
«Vor fünf Jahren war das noch kein Problem», erinnert sich Wyss, der die WWB AG (ehemals Wyss Waffen) in der zweiten Generation führt und gut zehn Angestellte in Burgdorf beschäftigt, darunter auch Lehrlinge. Als Präsident des Schweizerischen Büchsenmacher- und Waffenfachhändlerverbands SBV-ASA (siehe Kasten) weiss er, dass dieses Problem rasant zunimmt. «Viele unserer Mitglieder haben Mühe, Banken oder Versicherungen zu finden, die überhaupt noch mit ihnen zusammenarbeiten.»
«Die UBS hat die Geschäftsbeziehungen mit uns nach über 60 Jahren Knall auf Fall aufgelöst.» Orlando Vasella
Der Verbandspräsident anerkennt die Vertragsfreiheit der Banken und Versicherungen. «Doch wenn niemand von diesen Branchen mehr mit uns Geschäfte machen will, dann gefährdet das die Existenz unserer gesamten Branche. Denn kann ich mein Unternehmen beispielsweise nicht mehr versichern, bin ich bei einem Schadenfall schlimmstenfalls Konkurs und kann dicht machen.»
Besonders störend findet er die Situation, weil er und seine Mitglieder einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit der Schweiz leisten. Die Schweizer Büchsenmacher und Waffenfachhändler verkaufen, warten und reparieren zum Beispiel die Waffen für regionale und kantonale Polizeikorps und liefern wichtige Ersatzteile und Munition. Wyss beispielsweise verfügt zusätzlich über einen Schiesskeller, in welchem unter anderem Polizisten üben. Auch der Zoll und private Sicherheitsdienste sind auf die Dienstleistungen der Branche angewiesen. «Das Verhalten der Versicherungen und der Banken gefährdet letztlich also auch die Sicherheit der Schweiz», sagt Wyss.
Grosses Kopfschütteln
Um sein Geschäft betreiben zu können, verfügt er über ein Waffenhandelspatent. Dieses haben ihm die Behörden erst nach einer strengen Prüfung erteilt. «Wir sind wohl eine der am strengsten kontrollierten Branchen der Schweiz mit sehr vielen Vorschriften. Mein Geschäftslokal ist sicherheitstechnisch fast so ausgeklügelt ausgerüstet wie eine Bank.» Kopfschüttelnd schiebt Wyss nach: «Apropos Banken: Gerade sie sind doch speziell auch auf Waffen angewiesen, zum Beispiel für Geldtransporte.»
Ein weiterer wichtiger Kunde der Branche ist das Schützenwesen, also die wohl traditionsreichste Vereinsaktivität der Schweiz. Dazu gehören etwa die Profi-Sportschützen, die immer wieder grosse Erfolge für die Schweiz an den Olympischen Spielen feiern konnten. Auch die Jägerschaft ist auf die Büchsenmacher und Waffenfachhändler angewiesen. Die Jäger übernehmen eine wichtige öffentliche Aufgabe, indem sie den Tier- und Wildbestand regulieren. So, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist.
Kontosaldierung innerhalb dreier Wochen
Anruf bei Orlando Vasella, der in Chur die Vasella AG führt. Das 140-jährige Familienunternehmen repariert und verkauft unter anderem Waffen, ausschliesslich an Jäger. «Die UBS hat in diesem Juni die Geschäftsbeziehungen mit uns, die nach unseren Unterlagen bereits seit den 1960er-Jahren beim Bankverein bestanden, nach über 60 Jahren Knall auf Fall aufgelöst», erzählt Vasella. «Innerhalb von drei Wochen wurde das Geschäftskonto saldiert, obwohl wir nie auch nur einen Franken überzogen hatten.»
Er hat sowohl telefonisch als auch am Schalter nachgefragt, was die inhaltlichen Gründe für die Kündigung sind. «Ich bekam schlicht nirgends eine Auskunft. Das ist eine bodenlose Frechheit.» Glücklicherweise fand er mit einer regionalen Bank einen neuen Geschäftspartner.
Gesundes Mass wichtig
Es ist sehr wahrscheinlich, dass in diesem Fall die Geschäftstätigkeit mit Waffen ebenfalls eine Rolle spielte. Denn dasselbe Problem kennt mittlerweile die gesamte Verteidigungsindustrie, wie man unlängst in der «SonntagsZeitung» lesen konnte. Die Vereinigung der Tessiner Firmen, die Verteidigungs- und Sicherheitsausrüstungen herstellen, versuchte, ein Bankkonto zu eröffnen. Doch sowohl bei der UBS wie der ehemaligen CS als auch der Raiffeisen gab es Absagen wegen der Verbindung zur Rüstungsindustrie.
Diese Geschichten decken sich mit den Erfahrungen von Patrick Dümmler. Er ist Ressortleiter Wirtschaftspolitik und Nachhaltigkeit beim Schweizerischen Gewerbeverband sgv. «Um Labels zu erhalten, verpflichten sich Banken dazu, Ethikstandards einzuhalten und beispielsweise keine Geschäfte zu tätigen, welche im weitesten Sinne die Gewalt fördern könnten.»
«Nachhaltigkeit braucht gesunden Menschenverstand und Augenmass.»Patrick Dümmler
Es handle sich hierbei um den sozialen Aspekt von Nachhaltigkeitszielen. Nachhaltigkeit umfasst neben dieser sozialen Dimension zudem die ökonomische und die ökologische Dimension, welche wohl am geläufigsten ist.
«Nachhaltigkeit ist wichtig. Aber sie braucht gesunden Menschenverstand und Augenmass», stellt Dümmler klar. «Im Fall der Rüstungsindustrie, die aufgrund der geopolitischen Situation wieder wichtiger wird, und im Falle der Waffenfachhändler und Büchsenmacher, die für unsere Sicherheit einen wichtigen Beitrag leisten, ist die Situation natürlich absurd und verkehrt sich ins Gegenteil.»
In Burgdorf ist derweil die dritte Generation in den Startlöchern, um das KMU zu übernehmen. Auch Sohn Bruno Wyss bereitet es Sorgen, dass es für Büchsenmacher und Waffenfachhändler immer schwieriger wird, normale Geschäftsbeziehungen zu führen. «Wird das zunehmend schlimmer, bedroht das unsere Existenz.»
Rolf Hug
Über den Verband
Das macht der SBV-ASA
Der Schweizerische Büchsenmacher- und Waffenfachhändlerverband SBV-ASA wurde vor etwa 110 Jahren in Huttwil gegründet. Damals schlossen sich 15 Büchsenmacher zusammen. Hauptgrund war, gemeinsam die Beziehung zu den Armeebehörden zu verbessern und so den Munitions- und Materialbezug zu optimieren.
Der Verband informiert seine Mitglieder über gesetzliche Vorschriften, sei es bei der Jagd oder im Schiesssport, und liefert professionelles Fachwissen. Weiter pflegt er den Kontakt zu Partnerorganisationen, wie beispielsweise dem Schweizer Schiesssportverband oder dem Schweizer Jägerverband, und fördert ein loyales Verhalten im Wettbewerb. Er wahrt die beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder. Ein Kerngebiet des Verbandes ist die Berufsbildung, wo er das Lehrlingswesen koordiniert.
Der Verband zählt rund 100 Mitglieder – alles KMU. Diese setzen sich einerseits aus Herstellern und Importeuren und andererseits aus Detaillisten, Grossisten und Handwerkern zusammen. Die Branche generiert jährlich einige 100 Millionen Franken Umsatz.
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