Publiziert am: 04.10.2024

Das sind die Lieferwagen der Zukunft

IAA Transportation – Ein Trend hat sich an der grössten Nutzfahrzeugmesse Europas gezeigt: Die Transporter von morgen fahren rein elektrisch – und sie tragen ein futuristisches Design.

Leichte Nutzfahrzeuge oder Personentransporter mit Elektroantrieb gibt es schon länger, inzwischen haben fast alle Anbieter von Lieferwagen mindestens ein solches Modell im Angebot. Sie alle basieren auf bestehenden Modellen mit Verbrennungsmotor, die man auf Batterieantrieb umgerüstet hat. Der Nachteil dabei: Sie können nicht von den konstruktiven Vorteilen profitieren, die eine spezifische Elektroplattform mit sich bringt. Einer davon ist das wesentlich bessere Platzangebot, weil bei reinen E-Fahrzeugen die Räder weiter aussen stehen können, da kein platzzehrender Verbrennungsmotor und kein grosses Getriebe vorhanden ist und dadurch der Radstand länger werden kann – auch, weil so mehr Platz für die Traktionsbatterie verfügbar ist, die stets flach im Boden zwischen den Achsen platziert wird.

Bei Personenwagen sind diese Vorteile sehr willkommen – für Lieferwagen können sie sogar entscheidend sein. VW hat mit dem ID.Buzz als erster der grossen europäischen Hersteller einen Lieferwagen auf einer spezifischen Elektroplattform gebracht, zunächst in einer zivilen Version als trendiger Familien-Van im schicken Retro-Design, inzwischen gibt es davon aber auch den Nutzfahrzeugableger Cargo. Nun drängen weitere Marken mit solchen Produkten auf den Markt, wie ein Blick auf die Neuheiten an der IAA Transportation zeigte, der grössten Nutzfahrzeugmesse Europas, welche vom 17. bis 22. September in Hannover stattfand. Dort wurden mehrere Elektro-Transporter gezeigt, die von Grund auf als solche konzipiert wurden – und die mit ihren verspielten, futuristischen Designs Lust auf die Lieferwagen von morgen machen.

Retro ist Trumpf

Da ist etwa der Renault Estafette: Die Studie trägt nicht nur den Namen des ersten Renault-Vans von 1959, sie zitiert das Urmodell auch optisch in einem futuristischen Retro-Look und folgt damit dem VW ID.Buzz, der sich gestalterisch in sehr moderner Form am Ur-Bulli T1 anlehnt. «Der Estafette Concept ist das erste Beispiel dafür, wie elektrische Nutzfahrzeuge in Zukunft aussehen werden», sagt Philippe Divry, Chef von Flexis SAS, der neuen Renault-Tochter für elektrische Transporter. Die Lieferwagen von morgen seien speziell für den Einsatz in Städten entwickelt, kompakt, vernetzt und auf die Bedürfnisse nachhaltiger Lieferdienste zugeschnitten, meint Divry. Chefdesigner Sandeep Bhambra ist überzeugt, dass die Renault-Studie die Art und Weise verändern wird, wie die Menschen Transporter in den Städten wahrnehmen. «Transporter werden nicht länger anonyme Formen besitzen: Sie werden liebenswert und ausdrucksstark und in auffälligen Pop-Farben lackiert sein.»

Der neue Estafette basiert auf der FlexEVan-Plattform des Herstellers und verbindet die kompakte Grundfläche eines Kangoo mit dem kleinen Wendekreis eines Clio mit der grosszügigen Ladekapazität eines Trafic – so zumindest verspricht es Renault. Konstruktive Details sollen das Leben der Lieferwagenfahrer vereinfachen. So hat der Estafette etwa anstelle einer klassischen Heckklappe ein Rollo, das sich einfach öffnen lässt, sich nach oben aufrollt und so die volle Ladehöhe des Transporters ausschöpft. Dadurch wird hinten kein Raum für das Aufschwenken der Hecktür benötigt. Die seitlichen Schiebetüren lassen sich mit einer einzigen Handbewegung öffnen, sodass der Fahrer sie nicht ständig nach aussen und hinten ziehen muss. Ob all diese Details auch in die Serienversion übergehen, wird sich erst zeigen müssen – in zwei Jahren soll das erste Modell vom Band rollen.

Kia will ein StĂĽck vom Kuchen

Auch Kia steigt nun in das Segment der elektrischen Transporter ein. Die Koreaner haben an der IAA Transportation im September das PBV-Konzept vorgestellt. PBV steht für «Platform Beyond Vehicle» und umfasst eine ganze Palette von E-Nutzfahrzeugen auf einer skalierbaren Architektur – vier Ableger davon zeigte Kia an der Messe in Hannover.

Abgesehen von einem ebenfalls sehr futuristischen Design verrät Kia noch nicht viel. Der PV5, der als Personentransporter, Liefer- und als Pritschenwagen an der Messe stand, und auch der PV7 sollen sich mit bis zu 150 kW Gleichstrom aufladen lassen, was das Füllen der Akkus in weniger als 30 Minuten von 10 auf 80 Prozent ermöglichen soll. Wann die Koreaner die erste Serienversion auf unsere Strassen bringen, ist noch offen.

Auch die Chinesen mischen mit

Derweil kommen auch aus China Elektro-Lieferwagen der neuesten Generation zu uns – und auch sie tragen eine futuristische Designsprache. BYD, der grösste E-Auto-Hersteller der Welt, hat mit dem E-Vali bereits eine Serienversion an der Messe vorgestellt. Auch dieses Modell reitet optisch auf der Retro-Welle, zitiert dabei aber keinen historischen BYD – die Marke gibt es erst seit 1995 –, sondern eher einen Ford Transit der vierten Generation. Der E-Vali ist mit einer auf Stauraum optimierten Karosserie in zwei Längen erhältlich. Die längere davon soll fast 18 Kubikmeter Stauraum bieten. Es gibt eine Heckantriebversion mit 150 kW/204 PS sowie eine Allradvariante mit 250 kW/340 PS. Die Normreichweiten von maximal 250 Kilometern sind nicht gerade revolutionär, allerdings lädt der Chinese mit maximal 188 kW recht flott.

Und mit dem Maxus e-Deliver 5 steht ein weiterer Transporter aus China bald bei uns am Start, der mit einem futuristischen Look für Aufsehen sorgen wird. Auch er baut auf einer spezifischen Elektroplattform auf und bietet somit viele konstruktionsbedingte Vorteile, die es in diesem Segment bisher nicht gab. Mit einer kompakten Länge von 4,80 Metern bietet er ein Ladevolumen von 6,6 Kubikmetern. Seine 64-kWh-Batterie sorgt für eine WLTP-Reichweite von 335 Kilometern respektive bis zu 489 Kilometern in der Stadt. Der Maxus e-Deliver 5 kann bereits bestellt werden und soll schon bald über die Schweizer Strassen rollen.

Dave Schneider

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