Publiziert am: 04.10.2024

Dichtung und Wahrheit

FAKTEN STATT MYTHEN – Rund ums Thema «Verkehr» ranken sich seit Jahrzehnten unzählige Mythen. Der Klassiker «Wer Strassen sät, wird Verkehr ernten» ist bloss einer davon. Solche Mythen sind meist eben so simpel wie falsch. Und sie beruhen auf veralteten Denkmustern.

«Mehr Strassen führen zu mehr Verkehr», lautet einer dieser illusionären Mythen. Die Idee basiert auf dem Prinzip der «Induzierten Nachfrage». Sie besagt, dass durch die Erhöhung des Angebots – beispielsweise den Bau von Strassen – automatisch mehr Nachfrage – also mehr Verkehr – entsteht. Diese Theorie stammt aus Amerika. Und sie trifft für die Schweiz nicht zu.

Nach dem Bau des heutigen Nationalstrassennetzes zwischen 1960 und 1980 dauerte es etwa 40 Jahre, bis das Netz seine Kapazitätsgrenzen erreicht hatte. Die Verkehrsnachfrage nahm also nicht schlagartig zu, als die Nationalstrassen neu gebaut wurden, sondern kontinuierlich. Auch nachdem der Bau der Nationalstrassen längst abgeschlossen war und die Kapazitätsgrenzen erreicht wurden, stieg der Verkehr weiter an. Will heissen: Dass es heute mehr Verkehr gibt, liegt nicht am Ausbau der Strassenkapazitäten.

Die Schweiz verfügt neben den Strassen auch über ein gut ausgebautes Verkehrsnetz auf der Schiene. Der Personen- wie auch der Güterverkehr können auch dort verkehren. Zusätzliche Strassenkapazitäten führen hierzulande nicht zu einer Zunahme des Strassenverkehrs, da die Nachfrage auch durch alternative Verkehrsangebote, z. B. auf der Schiene, bedient wird.

Engpässe überall

Das Stichwort «Schiene» führt direkt zum nächsten Mythos, der da lautet: «Es wäre besser, den ganzen Verkehr von der Strasse auf die Schiene zu verlagern.» Das wird nicht funktionieren. Denn in der Schweiz gibt es beim Verkehr überall Engpässe, auf der Schiene genauso wie auf der Strasse. Und zwar meistens in den gleichen Regionen und auch zu den gleichen Wochen- und Tageszeiten. Im morgendlichen Arbeitsverkehr sind sowohl die Strassen verstopft als auch die Züge überfüllt. Die Schiene ist also schlichtweg nicht in der Lage, zusätzliche Kapazitäten von der Strasse aufzunehmen. Die beiden Verkehrsträger gegeneinander auszuspielen, löst das zunehmende Stauproblem nicht.

Mobilität steht für Freiheit

Ein weiterer Mythos lautet: «Die Nationalstrassenprojekte sind nicht nötig, wenn stattdessen der Pendler- und Freizeitverkehr reduziert wird.» Auch diese Behauptung hilft nicht weiter. Es trifft zwar zu, dass ein wichtiger Grund für die Verkehrszunahme in den vergangenen Jahrzehnten beim Pendlerverkehr zu finden ist. Heute wohnen die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer nicht dort, wo sie arbeiten. Durch die Mobilität hat die Schweizer Bevölkerung die Freiheit erlangt, dort zu wohnen wo sie möchte oder es sich leisten kann – unabhängig davon, ob es dort auch geeignete Arbeitsplätze gibt. Parallel dazu wurde es für die Wirtschaft möglich, sich frei weiterzuentwickeln und sich zu entfalten, indem Fachkräfte nicht nur aus der umliegenden Umgebung rekrutiert werden können.

Selbiges gilt auch für die Freizeitaktivitäten und -angebote. Ein Zwang zu einer Rückkehr zum alten Modell, in welchem Arbeits-, Freizeit- und Wohnort in unmittelbarer Nähe voneinander liegen müssen, würde einen massiven Eingriff in die Freiheiten von uns allen darstellen. Für ein Land wie die Schweiz, für welches die Freiheit nach wie vor eines der höchsten Güter ist, wäre ein solcher Zwang nicht zu verantworten. Mobilität steht für Freiheit. Das Ziel der Politik sollte deren Wahrung, und nicht ihre Einschränkung sein.

Gerade einmal acht Hektaren

«Autobahnen zerstören Kulturland.» Auch dieser Mythos trifft nicht zu. Bei den vorliegenden Projekten werden keine neuen Strassen gebaut, sondern bestehende angepasst. Und zwar punktuell dort, wo es notwendig und sinnvoll ist. Insgesamt werden lediglich acht Hektaren Fruchtfolgeflächen beansprucht. Umgerechnet entspricht das elf Fussballfeldern. Bei drei der sechs Projekte handelt es sich um Tunnel – sie «verbrauchen» kein Land. Dort, wo wertvolles Kulturland verschwindet, muss es an anderen Orten im gleichen Umfang und unter Berücksichtigung der Qualität wieder geschaffen werden. Die acht Hektaren sind also gut investiert – sie schonen Nerven und Finanzen zugleich.

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