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«EFAS entlastet Prämienzahler»
BEAT WALTI – Die EFAS-Reform beseiÂtige Fehlanreize, sagt der Präsident von ospita und plädiert fĂĽr ein JA am 24. November an der Urne. «Patienten werden kĂĽnftig dort behandelt, wo es medizinisch angezeigt und effizient ist. Und nicht mehr dort, wo die FinanÂzieÂrung vorteilhaft ist.»
Schweizerische Gewerbezeitung: Das Stimmvolk entscheidet am 24. November über eine Vorlage namens EFAS. In ein paar Sätzen: Worum geht es da?
Beat Walti: Es geht um die einheitliche Finanzierung von medizinischen Behandlungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP), der sogenannten Grundversicherung. Bisher übernimmt der Kanton mit Steuergeld bei stationären Aufenthalten – also bei Behandlungen inklusive Übernachtung, zum Beispiel im Spital – etwas mehr als die Hälfte der Kosten. Der Rest wird von den Krankenkassen aus Prämiengeldern beigesteuert. Im ambulanten Bereich hingegen wird bisher der ganze Betrag durch die Krankenkassen, also aus unseren Prämien, finanziert. Das macht keinen Sinn und setzt falsche Anreize für die Akteure.
Was sind die HauptgrĂĽnde fĂĽr ein Ja zu EFAS?
Erstens: Wenn man die Entwicklung der Kostenblöcke in der Grundversicherung anschaut, steigen in erster Linie die Kosten für ambulante Behandlungen stark. Dieser Trend wird anhalten: Die Fortschritte der Medizin ermöglichen zum Glück immer häufiger die Rückkehr der Patientinnen und Patienten in ihre Wohnung am gleichen Tag. Der Anteil der ambulanten Behandlungen wird also weiter steigen. Im Gesamtbild macht die Verlagerung auch Sinn, weil ambulante Behandlungen fast immer viel billiger sind als stationäre. Ohne einheitliche Finanzierung würde diese Entwicklung voll und jedes Jahr noch stärker auf die Prämienhöhe durchschlagen. Das belastet auch viele Gewerblerfamilien übermässig, die kein Anrecht auf Prämienverbilligungen haben. Mit der einheitlichen Finanzierung werden diese Belastungen gleichmässig auf Kantone und Prämien verteilt.
«Die Reform stärkt die Versorgungsqualität.»
Zweitens: Die einheitliche Finanzierung eliminiert den Fehlanreiz, Patientinnen und Patienten nur wegen der unterschiedlichen Finanzierung im Spital zu behalten oder in die Pflege «abzuschieben», weil dort ein anderer Kostenträger zahlt.
Die Vorlage soll die Kosten im Gesundheitswesen senken, und die Versorgung stärken. Wie schafft sie es, beides unter einen Hut zu bringen?
Sie wird die Prämienzahler entlasten, da die Kantone künftig das Kostenwachstum im ambulanten Bereich mittragen. Der künftige Kostenanstieg dürfte weniger stark ausfallen, weil es sich für alle Ent-scheider lohnt, die Patientinnen und Patienten dort zu behandeln, wo es medizinisch angezeigt und effizient ist. Und nicht mehr dort, wo die Finanzierung vorteilhaft ist. Das stärkt auch die Versorgungsqualität.
Was ändert sich durch die EFAS-Reform konkret für die Patienten, zum Beispiel für solche, die einen Eingriff vor sich haben?
Direkt nichts. Aber die Chance wird zunehmen, dass Ă„rztinnen und Ă„rzte den Eingriff ambulant vornehmen werden. Das heisst, die Patientinnen und Patienten sind eher am Abend wieder in ihrer gewohnten Wohnumgebung.
Sie präsidieren ospita, den Verband der Schweizer Gesundheitsunternehmen, welcher die Vorlage befürwortet. Wer sind Ihre Mitglieder, und was verbessert sich für diese bei einem Ja?
Unsere Mitglieder sind Spitäler und weitere Gesundheitsinstitutionen, die sich nicht im Eigentum der öffentlichen Hand befinden. Sie richten sich unternehmerisch auf die gesundheitlichen Bedürfnisse der Menschen – auch in der Grundversicherung – aus, arbeiten oft mit den besten Spezialisten des Fachgebiets und schenken ihren Patientinnen und Patienten die nötige Aufmerksamkeit und Zeit. Das gilt vom Tessin bis nach Basel und von Kreuzlingen bis nach Genf für die akutsomatischen Privatspitäler ebenso wie für die Rehabilitations- und die Psychiatrischen Kliniken.
ospita trägt diese Reform mit, auch wenn sich für unsere Mitglieder nur kleine Verbesserungen ergeben dürften: Die Versorgung wird flüssiger zwischen stationär, spitalambulant und ambulant sowie der Pflege stattfinden können, was die Integration der Leistungen fördert. Da haben unternehmerisch handelnde Gesundheitsinstitutionen einen Vorteil, weil sie oft schneller und flexibler entscheiden können. Das kommt unseren Patientinnen und Patienten zugute.
Die Befürworter sagen, EFAS entlaste die Prämienzahler. Die Gegner behaupten exakt das Gegenteil. Was stimmt nun?
Nochmals: Das überdurchschnittliche Kostenwachstum im ambulanten Bereich wird mit der einheitlichen Finanzierung nicht mehr einseitig durch die Prämienzahlenden berappt, sondern durch die Kantone mitgetragen. Die stationären Kosten sollten so eher gedämpft werden.
Die Gegner argumentieren zudem, EFAS schade der Pflegequalität und verschlechtere die Arbeitsbedingungen. Weshalb sind diese Befürchtungen falsch?
Angesichts des Fachkräftemangels im Gesundheitsbereich werden ohnehin nur jene Gesundheitsinstitutionen überleben, die gute bis sehr gute Arbeitsbedingungen bieten können. Die einheitliche Finanzierung wird zu mehr Transparenz führen: Auch die Angestellten werden besser vergleichen können zwischen Arbeitgebern in der Pflege, in der Arztpraxis oder im Spital.
Wichtig ist für uns private Anbieter, dass die Kantone und Gemeinden die ungesetzliche und unfaire Praxis der direkten Lohnsubventionierung abstellen. Die Stadt Zürich bezahlt heute Millionen direkt an die stadteigenen Spitäler, um die Löhne der Pflegenden aufzubessern. Die mit den Stadtspitälern im Wettbewerb stehenden Spitäler müssen die Lohnverbesserungen aus eigenen Kräften leisten, was sie benachteiligt. Damit muss Schluss sein!
EFAS soll mehr Transparenz und Klarheit in die Finanzierung des Gesundheitswesens bringen. Weshalb ist das nötig?
Die einheitliche Finanzierung wird die Bereiche der Arztpraxen, der Spitäler und der Pflege besser vergleichbar machen. Krankenkassen und Kantone werden sich dafür interessieren, weshalb was wo wie teuer ist. Das ermöglicht auch endlich eine echte Qualitätsdiskussion, weil man besser verstehen wird, was genau in welchen Bereichen zu welchem Preis geleistet wird.
Die Kosten des Gesundheitswesens steigen seit Jahren. Weshalb schafft es die Politik nicht, hier endlich Gegensteuer zu geben?
Die Belastung durch das starke Wachstum der obligatorischen Prämien ist für weite Teile des Mittelstands ein zunehmendes Problem. Die einheitliche Finanzierung sorgt dafür, dass dieses Problem nicht noch grösser wird. Insgesamt ist der Anteil der Gesundheitsausgaben an der Wirtschaftsleistung der Schweiz ungefähr stabil, aber recht hoch im Vergleich zu anderen entwickelten Staaten Europas.
Zu den Kosten: Hier spielen der medizinische Fortschritt und die alternde Bevölkerung eine wichtige Rolle. Auch die Ansprüche der Menschen ändern sich, nach dem Motto: ‹Wenn ich schon so viel bezahle, möchte ich auch etwas davon haben.› Ein Beispiel dafür ist der zunehmende Trend, sich von den Ärzten bestätigen zu lassen, dass man auch wirklich gesund ist. Dafür wären vor ein paar Jahren nur wenige in die Sprechstunde gegangen.
Welche weiteren Massnahmen braucht es auf lange Sicht, um die Kostenspirale zu brechen?
Mehr Eigenverantwortung. Durch die Politik, die den Mut haben muss, das Gesundheitswesen so zu gestalten, dass die effizienten Gesundheitsinstitutionen überleben, die gleichzeitig wirksam und preisgünstig arbeiten. Das klappt nur, wenn die Planungswut und die Überregulierung des Gesundheitswesens und die Strukturerhaltung durch milliardenschwere Subventionierung der öffentlichen Spitäler massiv reduziert wird.
«für uns private Anbieter ist wichtig, dass die Kantone und Gemeinden die unfaire Praxis der direkten Lohnsubventionierung abstellen.»
Weiter sollte die Eigenverantwortung durch eine Anpassung der Franchise gestärkt werden, sodass sich jede und jeder zuerst fragt, ob der Arztbesuch wirklich notwendig ist. Und drittens ist der sogenannte Vertragszwang zu lockern, sodass Krankenkassen einerseits und Arztpraxen und Spitäler andererseits noch einen stärkeren Anreiz erhalten, sehr gut und gleichzeitig so günstig wie möglich zu arbeiten.
Was passiert, wenn EFAS an der Urne scheitert und diese Chance verpasst wird?
Dann ist zu befürchten, dass weiterhin Patientinnen und Patienten quasi am «falschen» Ort behandelt werden, weil es für die Kostenträger günstiger ist. Das schadet der Qualität der Gesundheitsversorgung.
Interview: Rolf Hug
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