Publiziert am: 04.10.2024

Für nachhaltige Früchte sensibilisieren

SCHWEIZER OBSTVERBAND – Er setzt sich für einen nachhaltigen Obstbau ein und unterstützt bei allen wichtigen Fragen rund um den Anbau und die Vermarktung von Früchten und Apfelsaft. Artenvielfalt, Biodiversität, aber auch Forschungsprojekte und Kampagnen sowie die Ausbildung von jungen Fachkräften stehen im Zentrum der Dienstleistungen.

Die Schweiz kann als «Obstland» bezeichnet werden. Diverse Obst-betriebe erstrecken sich über das gesamte Mittelland: Von Aprikosen aus der Genferseeregion und dem Wallis über diverse Steinfrüchte aus dem Baselbiet bis zu den unzähligen Kernobstbetrieben im Thurgau, um nur einige Beispiele zu nennen. Schweizer Früchte werden überall im Land angebaut. Und überzeugen mit kurzen Transportwegen. «Die meisten Früchte gelangen über den Detailhandel, die Industrie und die Gastronomie an die Konsumentinnen und Konsumenten. Einige Obstbaubetriebe vermarkten ihre Früchte selbst über den eigenen Hofladen», erklärt Jimmy Mariéthoz, Direktor des Schweizer Obstverbands (SOV). Durchschnittlich konsumiert jede Schweizerin und jeder Schweizer im Jahr rund 75 Kilogramm Früchte – knapp die Hälfte davon sind einheimische Obstarten.

«Neue Technologien tragen zur Effizienz bei und bieten Lösungen für klimatische Herausforderungen.»

Der Obstbau in der Schweiz hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert, sowohl durch wirtschaftliche und klimatische als auch durch technologische Einflüsse. Die Anzahl Betriebe ist rückläufig, allerdings haben sich die Betriebe enorm professionalisiert. «Neue Technologien tragen zur Effizienz bei und bieten Lösungen für klimatische Herausforderungen», stellt Mariéthoz fest. Auch die Anbauformen machten einen Wandel durch. Wurde früher noch viel auf Hochstammbäumen produziert, sind nun Niederstammanlagen Usus. «Der Obstbau in der Schweiz ist somit vom steten Wandel geprägt: von einer traditionellen, weit verbreiteten Landwirtschaft hin zu spezialisierten, nachhaltigen und technologisch fortschrittlichen Betrieben, die sich an veränderte Markt- und Klimabedingungen anpassen müssen», konkretisiert der SOV-Direktor.

Grosse Herausforderungen und nachhaltiger Anbau

Das aktuelle Obstjahr bot so einige Herausforderungen – denn die Wetterbedingungen waren in diesem Jahr nicht optimal: «Vor allem der viele Niederschlag im Frühling und Sommer sowie die vielen Schaderreger machten unseren Produzentinnen und Produzenten zu schaffen», sagt Mariéthoz. Aber grundsätzlich sind sich die Landwirte gewohnt, im Einklang mit der Natur zu produzieren. «Mengenmässig ist es ein gutes Jahr, aber mit einer sehr schwierigen Vermarktung vor allem bei Steinfrüchten wie Kirschen und Zwetschgen.»

Die Branche hat mit zahlreichen Herausforderungen zu kämpfen. So ist beispielsweise auch der Klimawandel im Obstbau spürbar: «Unsere Mitglieder müssen vermehrt mit immer extremeren Wetterereignissen zurechtkommen, darunter zum Beispiel Frost, Hagelstürme, Starkregenfälle oder auch längere Trockenperioden», sagt Mariéthoz. «Diesen Begebenheiten müssen wir uns ständig anpassen, sei es durch physische Schutzmassnahmen wie zum Beispiel Hagelnetze oder durch die Sortenauswahl, die auch unter schwierigeren klimatischen Bedingungen gute Erträge versprechen.» Ob Pflaumenwickler, Apfelwickler, Kirschessigfliege oder Japankäfer – auch der Schädlingsdruck im Schweizer Obstbau hat zugenommen. «Seit einigen Jahren stehen unsere Kulturen massiv unter Druck, weil die Möglichkeiten zur Bekämpfung abgenommen haben. Wir begleiten aber diverse Projekte, die erforschen, wie Schädlinge bekämpft werden können.»

«Wir werden uns vermehrt für eine zielorientierte Land- und Ernährungswirtschaft einsetzen.»

Der Schweizer Obstbau legt viel Wert auf vorbeugende Massnahmen und innovative Lösungen. Die Nachhaltigkeit gehört zur DNA der Obstbranche: «Wir setzen uns aktiv für eine nachhaltige Schweizer Obstproduktion ein. Wir lancierten dazu 2022 die national gültige Branchenlösung ‹Nachhaltigkeit Früchte› für Äpfel und Birnen. Unsere Produzierenden setzen darin diverse Massnahmen für einen nachhaltigen Obstbau um», sagt Mariéthoz. Ab 2025 wird die Branchenlösung für Kernobst auch auf Kirschen und Zwetschgen ausgebaut.

Ebenso wichtig ist die Biodiversität für die Schweizer Obstbranche: Gerade Honigbienen und über 600 Wildbienenarten vollbringen täglich Höchstleistungen bei der Bestäubung der Obst- und Beerenkulturen – und fördern damit eine reiche Obsternte. «Wir setzen mit dem Erhalt von Hochstammbäumen ein klares Zeichen für die Artenvielfalt und die Biodiversität.»

Noch mehr Fachkräfte sind gesucht

Der Verband ist zuständig für die Aus- und Weiterbildung von Berufsleuten in der Obstproduktion und -verarbeitung und bildet Fachleute in den Berufsbildern der Obstfachleute sowie der Brau- und Getränketechnologie aus. Nach einer Grundbildung im Obstbau haben die jungen Berufsfachleute diverse Möglichkeiten für eine Weiterbildung oder ein Studium. Ob Berufsprüfung, höhere Fachprüfung oder ein Studium an einer Fachhochschule oder der ETH – es stehen ihnen viele vielversprechende Türen offen. «Diesen Sommer haben zwölf Obstfachfrauen und Obstfachmänner EFZ sowie sieben Lebensmitteltechnologen und Lebensmitteltechnologinnen im Schwerpunkt Getränke ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen», so der Verbandsdirektor. Allerdings gibt es seit einigen Jahren mehr Lehrstellen als Lehrlinge. «Dies bereitet uns gewisse Sorgen für die Zukunft», so Mariéthoz und doppelt nach: «Viele wählen einen Beruf in unserer Branche als Zweitausbildung. Dafür muss nicht zwingend ein eigener Betrieb vorhanden sein, denn gut ausgebildete Fachleute sind gesucht.» Der Obstverband engagiert sich daher auch an den SwissSkills, um das Berufsbild bekannter und zugänglicher zu machen. Der innovative Verband will die gesamte Schweizer Bevölkerung für den saisonalen und regionalen Kauf von nachthaltig produzierten Schweizer Früchten sensibilisieren. Dabei fokussiert sich der SOV speziell auf das jüngere Publikum. «Gerade dort besteht ein Trend hin zu einer gesunden Lebensweise und Nachhaltigkeit – beides Themen, bei denen wir punkten können», betont Mariéthoz.

Der Verband hat in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz 2021 das Projekt «Obstgarten» lanciert. Dabei werden Obst- und Beerengärten an Schulen in der ganzen Schweiz bepflanzt. Die Kinder erhalten so eine einzigartige Gelegenheit, die Kreisläufe der Natur kennenzulernen und viel Neues rund um Schweizer Obst zu erfahren. Ebenso fördert die Pausenapfelaktion seit 70 Jahren die gesunde Ernährung an Schulen. «Grundsätzlich ist uns wichtig, dass Kinder und Jugendliche sich früh mit gesunder Ernährung und der inländischen Produktion und Landwirtschaft auseinandersetzen», sagt Mariéthoz.

Klimastrategie und Schutz der Kulturen

Auch auf der politischen Ebene ist der Verband aktiv: «Wir setzen uns für ein attraktives politisches und rechtliches Umfeld in der Gesellschaft für unsere Branche ein. Die staatliche Regulierung hat sich in den letzten Jahrzenten massiv verstärkt. Wir arbeiten dazu mit diversen Partnern aus Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft zusammen, um den politischen Diskurs aktiv mitzugestalten», sagt Mariéthoz. Der Verband organisierte kürzlich einen Sessionsanlass zum Thema «Schutz der Kulturen», um die Parlamentarierinnen und Parlamentarier auf die wichtigsten Spannungsfelder im Pflanzenschutz hinzuweisen. «Wir setzen uns im Bereich Schutz der Kulturen dafür ein, dass keine Pflanzenschutzmittel (PSM) ohne wirksame Alternativen verboten werden. Auch neue PSM, die in der EU anerkannt und wissenschaftlich geprüft sind, sollen in der Schweiz ebenfalls zugelassen werden.»

Ein weiterer wichtiger Bereich sind neue Züchtungsverfahren und damit die effiziente Produktion von robusten und resistenten Sorten sowie angemessene Raumplanungsgesetze.

Der Verband arbeitet in Zusammenarbeit mit seinen wissenschaftlichen Partnern an diversen Forschungsprojekten, um die lang-fristigen Herausforderungen im Schweizer Obstbau zu meistern. Diese befassen sich beispielsweise mit der Suche nach robusten und resistenten Kernobstsorten, dem Einsatz von UV-C-Strahlung zum Schutz der Kulturen oder der Verwendung von Agrophotovoltaik in Obstanlagen. Auch die Digitalisierung eröffnet dem Obstbau diverse Möglichkeiten, um noch effizienter und nachhaltiger zu werden: Im Bereich Präzision können durch Sensoren oder Drohnen Pflanzenschutzmittel, Wasser oder Düngemittel gezielt da eingesetzt werden, wo sie am meisten benötigt werden. Auch im Bereich der Automatisierung bieten Roboter und autonome Maschinen grosses Potential, Arbeitsaufwand zu sparen, sämtliche Ressourcen zu schonen und gleichzeitig die Erträge zu optimieren.

Für die nächsten Jahre hat der Verband seine Strategie definiert und Schwerpunkte festgelegt. Dabei wird auf die vier Hauptherausforderungen der Branche – Klimawandel, Schutz der Kulturen, politische Rahmenbedingungen sowie der Markt – eingegangen: «Wir werden uns vermehrt für eine zielorientierte Land- und Ernährungswirtschaft einsetzen beziehungsweise für mehr Unternehmerfreiheit, den Erhalt unseres Grenzschutzes sowie die Entwicklung der Nachhaltigkeit auf allen Stufen der Wertschöpfung», betont Mariéthoz. «Die Erarbeitung einer Klimastrategie und langfristige Massnahmen für den Schutz der Kulturen werden neben der Absatzförderung und Marktbegleitung künftig im Fokus stehen.»

Corinne Remund

www.swissfruit.ch

DAS MACHT DER SCHWEIZER OBSTVERBAND

Image der Schweizer Früchte fördern

Am 14. September 1911 gründeten 50 Händler und Genossenschaften den «Verband schweizerischer Obsthandelsfirmen». Vier Jahre später zählte er bereits 150 Mitglieder. Der Name wurde noch mehrere Male angepasst, bis er 2010 als «Schweizer Obstverband» festgelegt wurde. Schweizer Früchte stehen, sowohl frisch als auch verarbeitet, im Mittelpunkt der Dienstleistungen des Schweizer Obstverbands. Zudem engagiert sich der Verband in den Bereichen Vermarktung, Werbung, Qualität, Information, Aus- und Weiterbildung sowie Innovation und Entwicklung. Der Verband zählt rund 10 500 Mitglieder – fast alles KMU. Sie setzen sich hauptsächlich aus Obstproduzentinnen und -produzenten sowie verschiedenen Verarbeitungsbetrieben zusammen. Rund 50 000 Personen arbeiten schweizweit im Obstanbau. Der Umsatz der Früchteproduktion in der Schweiz schwankt und liegt je nach Erntejahr zwischen 280 bis 330 Millionen Franken, und dies auf nur sechs Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen. CR

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