Publiziert am: 18.10.2024

Gelber Riese völlig enthemmt

DIE POST – Die geplante Übernahme des auf Cybersecurity spezialisierten Unternehmens Open Systems AG belegt einen eklatanten Mangel an Sensibilität in der Chefetage des staatlichen Dienstleistungsunternehmens. Die Beschlüsse des Parlaments gelten für Die Post scheinbar nicht. Das muss sich ändern.

Der letzte Schachzug der Schweizerischen Post vom vergangenen 18. September ist die geplante Übernahme der Open Systems AG. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Zürich ist spezialisiert auf den Betrieb von Netzwerk- und Cybersicherheitslösungen. Die Übernahmegelüste belegen einmal mehr die eklatante Missachtung der Parlamentsbeschlüsse durch den Gelben Riesen.

Ups, sie tun es schon wieder

Indem die Post einmal mehr in private Märkte vordringt, schafft sie eine inakzeptable Wettbewerbsverzerrung. Seit der Annahme der Motionen 20.3531 Caroni und 20.3532 Rieder im Jahr 2022 hat das Parlament jedoch klare Grenzen gefordert, um die aggressive Expansion der öffentlichen Unternehmen zu bremsen und den Wettbewerb mit dem Privatsektor zu schützen. Und was hat der Bundesrat getan? Statt klare Grenzen zu ziehen, begnügte er sich am 13. September damit, unverbindliche Grundsätze der Unternehmensführung anzukündigen, die nur symbolische Bedeutung haben.

Gemäss diesen Regelungen, insbesondere dem neuen Leitsatz 15a der Governance-Grundsätze des Bundesrates, dürfen öffentliche Unternehmen keine erheblichen Wettbewerbsvorteile haben, wenn sie Dienstleistungen ausserhalb ihres öffentlichen Versorgungsauftrags erbringen. Dieser Grundsatz wurde im Rahmen der Corporate-Governance-Leitsätze eingeführt, in denen die Regeln für die Führung von Unternehmen und Einrichtungen des Bundes festgelegt sind.

Durch die Aufnahme dieses neuen Grundsatzes in den Governance-Rahmen behauptet der Bundesrat, den Forderungen der Motionen 20.3531 Caroni und 20.3532 Rieder über «ein faires Wettbewerbsgleichgewicht gegenüber staatlichen Unternehmen» entsprochen zu haben, allerdings mit einer flexiblen und unverbindlichen Lösung.

Chefetage völlig unbeeindruckt

Es ist beunruhigend, dass die Post – statt sich auf ihren öffentlichen Dienstleistungsauftrag zu konzentrieren – nun in Bereiche wie Cybersicherheit eindringt. Das bedeutet: in Märkte, die bereits gut von Privatunternehmen bedient werden. Die Chefetage der Post fühlt sich durch die genannte Richtlinie 15a offenbar überhaupt nicht unter Druck gesetzt – und zeigt dies offen, indem sie gerade einmal fünf Tage nach der Ankündigung der Richtlinie 15a durch den Bundesrat bekannt gab, dass sie sich die Open Systems AG einverleiben will.

Noch stärkere Konkurrenz für KMU

Wie besorgniserregend diese Wettbewerbsverzerrung wird, zeigt die Übernahme von Open Systems AG geradezu exemplarisch. Das 1990 gegründete Unternehmen mit Sitz in Zürich und Niederlassungen in Bern, Düsseldorf und San Francisco beschäftigt über 260 Mitarbeiter und ist ein führender Anbieter von Netzwerk- und Cybersicherheitslösungen. Seine umfassende Expertise in den Bereichen Cybersicherheit und Transformation in die Cloud macht das Unternehmen zu einem Schlüsselakteur in diesem Bereich.

Durch die Aufnahme von Open Systems in ihr Portfolio baut die Post nicht nur ihre Kapazitäten aus, die bereits durch ihre Tochtergesellschaft Swiss Post Cybersecurity AG erweitert wurden, die Rechenzentren, Cloud-Dienste und Geräte vor unberechtigtem Zugriff schützt. Durch die Übernahme kann die Post noch robustere und umfassendere Lösungen anbieten – nicht nur für private Unternehmen, sondern auch für Behörden und Gesundheitseinrichtungen.

Vorteile aus dem Staatsmonopol

Und diese Expansion in Bereiche, die nichts mit dem öffentlichen Dienst zu tun haben, wirft die berechtigte Frage auf, ob die Post ihre privilegierte Position nicht dazu missbraucht, in lukrativen Sektoren Fuss zu fassen, die dem freien Wettbewerb vorbehalten sein sollten. Die Vorteile, welche die Post aus ihrem Staatsmonopol zieht, werden hier zu einer Waffe gegen private Unternehmen, die keinen Zugang zu solchen finanziellen und auskunftsdienstlichen Ressourcen haben.

Noch besorgniserregender ist, dass der Bundesrat, der über die strikte Umsetzung der Parlamentsbeschlüsse wachen sollte, die Post offenbar ohne wirkliche Kontrolle gewähren lässt. Anstatt diese Expansion einzuschränken, versteckt er sich hinter kosmetischen Grundsätzen, die keine bindende Kraft haben. Diese Grundsätze der Unternehmensführung erfüllen in keiner Weise die Erwartungen des Parlaments, das eine solide Rechtsgrundlage gefordert hat, um sicherzustellen, dass öffentliche Unternehmen den Markt nicht verzerren. Diese Forderungen zu ignorieren, zeugt von einem eklatanten Mangel an politischem Willen seitens der Exekutive.

Gefährliche Dynamik stoppen

Die Übernahme von Open Systems ist ein perfektes Beispiel für den laxen Umgang des Bundesrates mit diesem Problem. Die Post nutzt die Gewinne, die sie durch ihr Monopol auf grundlegende Dienstleistungen erzielt, um in private Märkte einzudringen und mit Unternehmen zu konkurrieren, die unter weitaus schwierigeren Bedingungen operieren. Dadurch entsteht eine gefährliche Dynamik, bei der der Staat durch seine Untätigkeit indirekt die Monopolisierung von Schlüsselbereichen der Wirtschaft durch öffentliche Unternehmen fördert. Dieser Trend muss rasch gestoppt werden.

Verbindliche Massnahmen fehlen

Dafür setzt sich Fabio Regazzi ein, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands und Mitte-Ständerat. Der Unternehmer reichte kürzlich die Interpellation 24.4049 «Übernahmen der Post: Missachtet der Bundesrat die Beschlüsse des Parlaments?» ein, um die Absurdität der Situation anzuprangern. Er betonte, dass die Post trotz der Annahme der Motionen Caroni und Rieder, die diese Praktiken einschränken sollten, weiterhin ihren öffentlichen Status nutzt, um ihren Einfluss in Bereiche auszudehnen, die nicht durch den öffentlichen Dienst abgedeckt sind. Das Fehlen verbindlicher Massnahmen seitens des Bundesrates verschärft diese Problematik und stellt die Fähigkeit des Staates, die Aktivitäten öffentlicher Unternehmen zu steuern, in Frage.

Mikael Huber, Ressortleiter sgv

www.fair-ist-anders.ch

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