Der sgv fasst einstimmig die Nein-Parole zur «Umweltverantwortungsinitiative»
Steuerliche Anreize für Erwerbsarbeit sind dringend nötig
Die Überalterung der Gesellschaft ist nicht nur eine He-rausforderung für die Finanzierung der Altersvorsorge und des Gesundheitswesens, sie belastet auch die gesamte Wirtschaft. Es treten mehr Arbeitskräfte in den Ruhestand, als Schul- und Lehrabgänger nachrücken. Die Pensionierungswelle der geburtenstarken Jahrgänge hat erst begonnen und wird noch rund 15 Jahre andauern. Bereits 2030 wird schweizweit auf zwei Pensionierte nur ein 20-Jähriger in den Arbeitsmarkt eintreten. Im Kanton Graubünden wurde diese Schwelle bereits 2022 erreicht, weshalb der Arbeitskräftemangel dort seit Jahren die grösste Herausforderung für Unternehmen darstellt. Gleichzeitig sinkt die Erwerbsquote aufgrund des demografischen Wandels.
Obwohl die Erwerbsquote der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter lange Zeit zugenommen hat, sinkt sie seit 2020 und liegt aktuell bei rund 82 Prozent, was im europäischen Vergleich hoch ist. Der Anteil der Teilzeitarbeit nimmt insbesondere bei Männern stetig zu, und die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der Vollzeitarbeitenden ist erstmals unter 40 Stunden gefallen. Die Zunahme der Teilzeitarbeit und die Abnahme der wöchentlichen Arbeitszeit dürften sich fortsetzen. Verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen sind die Ursachen dafür. Aber auch Schwelleffekte bei den Finanztransfers sowie falsche steuerliche Anreize tragen dazu bei.
Der Arbeitnehmermarkt ist eine Tatsache. Der Arbeitsmarkt ist ausgetrocknet, was sich auch im Sorgenbarometer widerspiegelt: Arbeitslosigkeit, früher eine der grössten Sorgen, ist nicht einmal mehr unter den Top 20 der Sorgen. Weniger als zehn Prozent der Bevölkerung betrachten sie noch als Problem.
Alle Hoffnungen auf Migration zu setzen, um Pensionierte zu ersetzen, ist langfristig politisch nicht tragbar. Zudem haben alle europäischen Länder ähnliche demografische Herausforderungen und werden Anreize schaffen, um ihre Fachkräfte im Land zu behalten. Es ist eine Illusion zu glauben, technologische Entwicklungen wie künstliche Intelligenz würden das Problem lösen. Die Automatisierung wird in vielen Bereichen zwar zunehmen. Neu geschaffene Stellen aufgrund der technologischen Entwicklung müssen aber auch besetzt werden, wenn die Schweiz wettbewerbsfähig bleiben will.
Neben der Abschaffung der «Heiratsstrafe» auf Bundesebene – die Kantone haben dieses Problem weitgehend gelöst – braucht es neue steuerliche Anreize für die Erwerbstätigkeit. Das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist ein Grundpfeiler des Schweizer Steuersystems. Damit das Arbeitskräftepotenzial besser ausgeschöpft werden kann, sollte aber die potenzielle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Eingang in die Besteuerung finden.
Einerseits sollte Vollzeitarbeit steuerlich belohnt werden, etwa durch einen pauschalen Abzug oder eine Koppelung der Steuerprogression an das Arbeitspensum. Andererseits sollte die Arbeit über das Pensionsalter hinaus attraktiver gestaltet werden, beispielsweise durch spezielle Abzüge oder einen eigenen Steuertarif – allenfalls in Kombination mit einem speziellen Erwerbstarif – für Erwerbstätige im Rentenalter. Eine einfachere Lösung wäre die Erhöhung der AHV-Freigrenze für Erwerbstätige im Pensionsalter. Die komplette Abschaffung der AHV-Pflicht für diese Gruppe wäre aus ordnungspolitischer Sicht anzustreben. Beides ist angesichts der Finanzierungsprobleme der AHV derzeit aber unrealistisch.
Aufgrund des Arbeitnehmermarkts und der OECD-Mindeststeuer dürfte sich der Steuerwettbewerb stärker auf die Einkommensbesteuerung natürlicher Personen verlagern, sowohl auf kantonaler als auch auf internationaler Ebene. Sollten sich auf Bundesebene keine politischen Mehrheiten für neue Steuerinstrumente finden, sollten zumindest die Kantone die Möglichkeit erhalten, solche Instrumente einzusetzen und damit Erfahrungen zu sammeln. Auch wenn solche Ideen auf den ersten Blick vermessen erscheinen, werden wir nicht umhinkommen, das Arbeitskräftepotenzial der Bevölkerung mittels Steueranreizen besser zu nutzen. Daran führt kein Weg vorbei.
*Maurus Blumenthal ist Direktor des Bündner Gewerbeverbands.
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