Publiziert am: 18.10.2024

US-Boom – Sorgenkind Deutschland

EXPORTMÄRKTE – Die Dynamik der Schweizer Exporte in die USA hat den Handelsanstieg mit China übertrumpft. Während sich das Wachstum der Schweizer Exporte in die USA und nach Deutschland lange Zeit parallel entwickelte, sind ab 2011 die Warenausfuhren in die USA davongezogen. Die Flaute im deutschen Markt kann damit nur teilweise kompensiert werden.

Es war jahrzehntelang eine Gewissheit: Deutschland ist – als einzelnes Land – der wichtigste Exportmarkt für Waren aus der Schweiz. Seit 2021 ist dies Geschichte; die USA haben unser nördliches Nachbarland überholt. Betrug das Ausfuhrvolumen nach Deutschland 2007 41 Milliarden Franken, waren es 2023 mit 43 Milliarden nur unwesentlich mehr. In der gleichen Zeitspanne stiegen die Exporte in die Vereinigten Staaten um 30 auf 49 Milliarden Franken.

«Die Tendenzen zur De-Industrialisierung Deutschlands verheissen nicht gutes für die Schweizer MEM-Industrie.»

Trotz der fehlenden Zugkraft des deutschen Wirtschaftsmotors: Gesamthaft betrachtet ist die EU mit 50 Prozent aller Exporte weiterhin der mit Abstand wichtigste Markt für in der Schweiz produzierte Güter. An zweiter Stelle folgen mit 18 Prozent die USA, Bronze sichert sich China (inkl. Hongkong) mit acht Prozent. Für viele europäische Länder ist China (neben dem EU-Binnenmarkt) zum wichtigsten Handelspartner avanciert, die relative Bedeutung der USA nahm ab.

Pharma-Exporte in die USA

Nicht so für die Schweiz, wobei dies vor allem einer Branche zu verdanken ist: Rund 60 Prozent der Exporte der Schweiz in die USA entfallen auf pharmazeutische Produkte. Die Vereinigten Staaten sind der grösste und finanziell wichtigste Gesundheitsmarkt weltweit. Dabei profitiert die Pharmaindustrie seit Langem von Handelserleichterungen im Rahmen der Welthandelsorganisation. Die «Pharmaceutical Zero-for-Zero-Initiative» eliminierte die Einfuhrzölle für eine grosse Zahl an Medikamenten, und seit einem Jahr regelt ein bilaterales Abkommen die gegenseitige Anerkennung der «Guten Herstellungspraxis» (GMP) für Arzneimittel. Es soll den Handel mit den USA weiter vereinfachen und den administrativen Aufwand für die Branche verringern.

Noch immer kein Freihandel

Ein umfassendes Freihandelsabkommen (FHA) zwischen der Schweiz und den USA fehlt nach wie vor. Mehrmals gab es Gelegenheit, Verhandlungen zu starten, zuletzt unter der Trump-Administration. Doch keiner der Anläufe war erfolgreich. Am konkretesten war der Versuch im Jahr 2005 gediehen, aber Anfang 2006 lehnte der Bundesrat den Antrag des damaligen Schweizer Wirtschaftsministers Joseph Deiss ab, offizielle Verhandlungen zu eröffnen. Bern schlug Washington damit die Türe vor der Nase zu. Sektorielle Abkommen, wie z. B. für die Pharmaindustrie, helfen, zumindest teilweise den Marktzugang zu vereinfachen.

Interessant ist, dass die Dynamik der Schweizer Exporte in die USA den Handelsanstieg mit China übertrumpft hat. Während sich das Wachstum der Schweizer Exporte in die beiden Länder lange Zeit parallel entwickelte, sind ab 2011 die Warenausfuhren in die USA davongezogen. Mit China hat die Schweiz ein FHA, es soll in den kommenden Jahren aufdatiert werden. Allenfalls ergeben sich aus dieser Aktualisierung neue Handelsimpulse, dafür muss China aber auch seine aktuelle Wachstumsschwäche überwinden. In absehbarer Zeit ist es deshalb nur bedingt vorstellbar, dass die Bedeutung Chinas als Handelspartner für die Schweiz an die USA, geschweige denn an die EU herankommen wird.

Anhaltende Flaute in Deutschland

Trotz des rasanten Handelswachstums der Schweiz mit den USA: Die Flaute im deutschen Markt kann damit nur teilweise kompensiert werden. So sind die wichtigsten Güterexporte nach Deutschland mit steigender Tendenz ebenfalls pharmazeutische Produkte, aber dahinter folgen «Maschinen, Apparate, Elektronik». Ihr Absatz in Deutschland ist seit rund dreissig Jahren stabil, d. h. nicht mehr wachsend. Diese fehlende Dynamik kann nicht durch entsprechende Zuwächse im US-Markt kompensiert werden.

Die Ablösung Deutschlands durch die USA an der Schweizer Exportspitze ist somit auch Ausdruck des Erfolgs der Schweiz als Produktionsstandort für Pharmazeutika, gleichzeitig dokumentiert es ebenfalls den sinkenden relativen Anteil der MEM-Industrie. Die in den letzten Jahren zu konstatierenden Tendenzen der De-Industrialisierung Deutschlands verheissen dabei nicht Gutes für die Schweizer MEM-Industrie.

Bürokratieabbau umso wichtiger

Umso wichtiger ist es, diejenigen Bedingungen zu verbessern, die wir auch selbst beeinflussen können. Dazu gehört der konsequente Abbau der regulatorischen Hürden und der Bürokratie – gerade für KMU ein entscheidender Wettbewerbsfaktor.

Patrick Dümmler, Ressortleiter sgv

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