Der sgv freut sich über das wuchtige Nein zur Verarmungsinitiative
Noch fehlen wichtige Informationen
SCHWEIZ–EU – Für eine Beurteilung des Verhandlungsergebnisses zwischen der Schweiz und der EU sind die konkreten Texte des Abkommens entscheidend. Momentan sind bloss ein Dutzend «Faktenblätter» bekannt. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv kann deshalb derzeit nur eine allgemeine Beurteilung vornehmen.
Kurz vor Weihnachten hat der Bundesrat die Verhandlungen mit der EU für beendet erklärt und die betroffenen Departemente beauftragt, «die für einen formellen Abschluss der Verhandlungen notwendigen Schritte vorzubereiten». Das Ergebnis hat er in einem Dutzend Faktenblättern wiedergegeben. Für eine Beurteilung des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv hingegen sind die Abkommenstexte relevant, weshalb derzeit nur eine allgemeine Beurteilung vorgenommen werden kann.
«Einige Forderungen des sgv sind erfüllt, etwa dass das Freihandelsabkommen von 1972 nicht Teil der dynamischen Rechtsübernahme wird.»
Mit Ausnahme der Schutzklausel weichen die Verhandlungsergebnisse gemäss den am 20. Dezember 2024 publizierten Faktenblättern nicht wesentlich vom Common Understanding (CU) ab, mit welchem der Bundesrat Mitte März 2024 in die Verhandlungen gestiegen ist. Einige Forderungen des sgv sind erfüllt, so zum Beispiel, dass das Freihandelsabkommen von 1972 nicht Teil der dynamischen Rechtsübernahme wird oder die Verleiharbeit nicht zusätzlich mit einer Übernahme der entsprechenden EU-Richtlinie Leiharbeit werden soll. In diversen Bereichen wie z. B. dem Verbraucherschutz, der einheitlichen Rechtsauslegung und in weiteren Punkten gibt es noch Unklarheiten, die spätestens mit den definitiven Abkommenstexten geklärt sein müssen.
Wettbewerbsfähigkeit als Richtschnur
Der sgv hat die bilateralen Verträge, die Personenfreizügigkeit und den Zugang zum EU-Binnenmarkt bislang immer unterstützt. Ein privilegierter EU-Marktzugang darf aber nicht zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit der Binnenwirtschaft gehen, und zur Aufgabe von Schweizer Trümpfen wie der wirtschafts- und sozialpolitischen Souveränität und der Arbeitsmarktflexibilität führen. Das Resultat der Verhandlungen mit der EU wird der sgv unter diesen Gesichtspunkten im Detail prüfen.
Bei der Zuwanderung fordert der sgv eine Orientierung an den Bedürfnissen des Schweizer Arbeitsmarkts. Auch das Recht auf Daueraufenthalt darf ausschliesslich Erwerbstätigen offenstehen. Unabhängig von der Frage der Annahme oder Ablehnung des Verhandlungsergebnisses fordert der sgv ein Revitalisierungsprogramm mit dem Ziel der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft. Dabei gilt es, unnötige Regulierungen abzuschaffen, die Versorgungssicherheit zu stärken und die Altersvorsorge strukturell zu reformieren.
Bei der Zuwanderung erhält die Schweiz eine Schutzklausel, die eine Einschränkung der Personenfreizügigkeit ermöglichen soll. Erreicht die Zuwanderung eine bestimmte Schwelle, kann die Freizügigkeit vorübergehend durch den Bund eingeschränkt werden. Der sgv unterstützt ein solches Instrument, das im Detail noch ausgearbeitet werden muss.
Kritische Punkte bleiben offen
Der Vorstand des sgv hat bereits im Rahmen seiner Stellungnahme zum Verhandlungsmandat und zum CU festgehalten, dass er eine weitgehende Rolle des Europäischen Gerichtshofs EuGH ablehnt.
Ablehnend positionierte sich der sgv auch zur geplanten Übernahme der EU-Spesenregelung und zu sachfremden innerpolitischen Forderungen der Gewerkschaften wie ein Ausbau der flankierenden Massnahmen, mehr allgemein verbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge u. a. m.
«EINE VERKNÜPFUNG ALLER ABKOMMEN SIEHT DER SGV KRITISCH.»
Die integrale Übernahme der EU-Spesenregelung würde zu Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil des inländischen Gewerbes führen.
Institutionelle Mechanismen
Auch einer zu weit gehenden Rolle des EuGH steht der sgv weiterhin ablehnend gegenüber. Als problematisch erachtet er insbesondere eine materielle Beeinflussung des Streitbeilegungsverfahrens durch die Pflicht zur verbindlichen Übernahme einer Rechtsauslegung durch den EuGH. Eine Verknüpfung aller bestehenden und künftigen Binnenmarktabkommen bei den institutionellen Mechanismen (dynamische Rechtsübernahme, Streitbeilegung, Ausgleichsmassnahmen) beurteilt der sgv als kritisch und unverhältnismässig. Eine solche Verbindung würde zu einem hohen Druck hinsichtlich des Nachvollzugs künftiger Entscheide der EU führen.
Strommarkt: Sicherheit als Ziel
Der sgv unterstützt sowohl das Ziel der ungehinderten Teilnahme am europäischen Strombinnenmarkt als auch die Grundversorgung. Das Stromabkommen sichert die Zusammenarbeit im Bereich Netzstabilität, vereinfacht den Stromhandel und stärkt die Versorgungssicherheit. Es soll auf Produktion, Übertragung, Verteilung, Handel, Speicherung und Versorgung fokussieren und die Möglichkeit erlauben, Reserven einzurichten. Kantonale Hoheiten und Eigenheiten müssen berücksichtigt werden.
Dieter Kläy, Ressortleiter sgv
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