Publiziert am: 28.02.2025

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STROMABKOMMEN SCHWEIZ–EU – Ein Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über den Strommarkt führt zu einer Marktöffnung in der Schweiz. Dies bietet auch Chancen für die KMU. Eine abschliessende Beurteilung ist aber erst möglich, wenn das Abkommen vorliegt.

Der EU-Strombinnenmarkt wird zusehends vertieft. Die Schweiz ist als Drittland von diesen Entwicklungen ausgeschlossen, aber dennoch davon betroffen. So ist unser Land mit 41 grenzüberschreitenden Leitungen physisch so stark wie kaum ein anderes Land in den europäischen Strommarkt integriert. Was bislang fehlte, ist eine rechtliche Regelung der grenzüberschreitenden Stromflüsse auf staatlicher Ebene.

Die Folgen einer ausbleibenden Regelung sind für die Schweiz bereits spürbar: Wir verzeichnen eine steigende Zahl an ungeplanten grenzüberschreitenden Stromflüssen, die vermehrte Eingriffe des Übertragungsnetzbetreibers Swissgrid zugunsten der Netzstabilität in der Schweiz nötig machen. Der daraus folgende Zwang zur kurzfristigen Nutzung der Wasserkraft ist teuer, die Kosten dafür werden den Stromkonsumenten – darunter auch unsere KMU – bereits seit Jahren über die Netzkosten weiterverrechnet. Mit dem ausgehandelten Stromabkommen wird die Schweiz Teil der europäischen Prozesse zur Sicherstellung der Netzstabilität. Dies dürfte die entsprechenden Kosten senken.

Reservekapazität reduzieren,Versorgungssicherheit erhalten

Mit dem Stromabkommen erlangt die Schweiz Einsitz in den relevanten europäischen Gremien für die Sicherstellung der Versorgungssicherheit. Zudem wird die EU darauf verzichten, gegenüber der Schweiz die sog. 70‑Prozent-Regel anzuwenden. Mit dieser Regel werden die Grenzkapazitäten gegenüber Drittstaaten sukzessive (auf 30 Prozent) verringert, was gerade im Winter die Importfähigkeit der Schweiz und damit die Versorgungssicherheit reduziert.

Zusätzlich kann mit einem Stromabkommen – aufgrund der verbesserten internationalen Einbindung – der Bedarf an notwendigen Reservekapazitäten in der Schweiz reduziert werden, ohne den erreichten Stand der Versorgungssicherheit zu unterminieren. Dies senkt die Kosten für die Stromkonsumenten.

Auch die EU profitiert

Es darf aber nicht vergessen werden, dass auch die EU von einem Stromabkommen profitieren dürfte. So spielt die Schweiz mit ihren Pumpspeicherwerken eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung des europäischen Netzes, was bei einem steigenden Anteil fluktuierender Energie (Sonne und Wind) im Strommix immer wichtiger wird.

Für Schweizer Stromerzeuger bedeutet dies wiederum eine lukrative Geschäftsgelegenheit, die dank einem Stromabkommen auch rechtlich abgesichert wird. Sie können gleichberechtigt, wie ihre europäischen Konkurrenten, am EU-Strommarkt teilnehmen.

Weiter spielt die Schweiz mit ihren Transitleitungen auch eine bedeutende Rolle bei der Versorgung Italiens mit Elektrizität. Unser südliches Nachbarland hat deshalb ebenfalls ein Interesse, dass die Schweiz nicht ein blinder Fleck auf der EU-Strommarkt-Karte bleibt, sondern formell in die technischen Gremien für die Netzstabilität, Versorgungssicherheit und Krisenvorsorge eingebunden wird.

Marktöffnung – auch für KMU

Das Stromabkommen führt zu einer Marktöffnung in der Schweiz. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv begrüsst diesen Schritt, da gleichzeitig die Grundversorgung bestehen bleibt. Neu sollen auch kleinere Unternehmen die Möglichkeit haben, den Strom am Markt statt beim regionalen Monopolisten zu beziehen. Konstellationen wie 2023, als in einer Schweizer Gemeinde die Stromkosten der Grundversorgung auf der einen Strassenseite 26 Rp./kWh und auf der anderen 71 Rp./kWh betrugen (vgl. «Das Rad dreht sich rückwärts», sgz vom 24. Januar), dürften damit der Vergangenheit angehören. Für den wirtschaftlichen Erfolg eines Bäckereibetriebs darf es keine Rolle spielen, auf welcher Strassenseite er sein Brot verkauft.

Dank der Marktöffnung dürfte die Vielfalt an Angeboten steigen, während die Kosten aufgrund des intensiveren Wettbewerbs unter den Anbietern tendenziell sinken dürften. Unternehmen, die die Grundversorgung bevorzugen, können aber auch bei einem Stromabkommen weiterhin in diesem Modell bleiben. Die Möglichkeiten für KMU werden erweitert, ohne dass das Bestehende aufgegeben werden müsste.

Sicher und gĂĽnstig, so das Ziel

Für den sgv steht eine sichere und günstige Stromversorgung der KMU im Vordergrund. Aufgrund der heute bekannten Eckpunkte begrüsst der sgv grundsätzlich den Abschluss einer Vereinbarung zwischen der Schweiz und der EU über den Strommarkt. Eine abschliessende Beurteilung ist aber erst möglich, wenn das Abkommen vorliegt.

Patrick DĂĽmmler, Ressortleiter sgv

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