Publiziert am: 07.02.2025

Mit dem Herz entscheiden

SELINA ASCHWANDEN – Die Käserin hat zusammen mit ihrem Mann den elterlichen Betrieb in Seelisberg übernommen. Mit viel Engagement, Fingerspitzengefühl und Passion für die Käseproduktion führt sie weiter, was ihr Grossvater erfolgreich aufgebaut hat. Nebst dem Kreieren des exquisiten Bergkäses kümmert sich die Berufsfrau mit ebenso viel Liebe um ihre zwei kleinen Mädchen.

Mitten im Dorf Seelisberg, oberhalb des Rütlis auf 805 m ü. M., produzieren Selina Aschwanden und ihr Mann Sämi Raschle natürlichen Bergkäse aus frischer Rohmilch direkt vom Bergbauern. Das Ziel der jungen Leute ist es, Bergkäse mit einer grossen Wertschöpfung zu produzieren. Bereits Grossvater Aschwanden, der vor über 55 Jahren die Bergkäserei hoch oben über dem Vierwaldstättersee gegründet hatte, verfolgte dieses Ziel – mit Erfolg. Die junge Käserin hat den Familienbetrieb im Sommer 2022 von ihren Eltern Heidi und Hans Aschwanden übernommen und führt ihn nun mit ihrem Mann in der 3. Generation. Die grosse Leidenschaft ihrer Eltern für die Käseproduktion und Plan B haben aus der jungen Frau eine leidenschaftliche Käserin gemacht. «Ich wusste lange nicht, welchen Beruf ich erlernen möchte. Mein Interesse galt mehr den Gesundheitsberufen.» Als es mit der Drogisten-Lehre nicht klappte, schnupperte sie auf Empfehlung ihres Vaters in einer gewerblichen Käserei. «Es hat mir dabei schnell den Ärmel reingenommen und ich war fasziniert von der Käseproduktion», erinnert sie sich. Sie absolvierte darauf die dreijährige Lehre zur Milchtechnologin.

Selina Aschwanden ist noch immer fasziniert von der Vielseitigkeit ihres Berufes: «Es gibt so viele Faktoren, welche das Gelingen von guten bzw. qualitativ gleichbleibenden Käsen oder Milchprodukten beeinflussen», erklärt die Käsespezialistin. Ein entscheidender Faktor für sie ist auch das Zusammenspiel mit der Natur und der Landwirtschaft. «Ich kann mein Produkt anfassen – das ist ein grossartiges Gefühl nach einem langen Arbeitstag.»

Köpfchen statt Muskeln

Selina Aschwanden lernte ihren Mann in einer Weiterbildung kennen. «Für mich war das Thema, den elterlichen Betrieb zu übernehmen, noch weit weg – meine Eltern waren damals gerade Anfang 50.»

«Ich glaube, es ist eine grosse Chance für Betriebe, Frauen anzustellen.»

Doch das Paar hatte bald darauf den Wunsch, die Betriebsführung der Bergkäserei Aschwanden zu übernehmen. Ihr Anliegen stiess bei Hans und Heidi Aschwanden auf offene Ohren. Für die neue wie auch die alte Generation war es jedoch ein emotionales Thema. Dabei veränderte sich auch die Rolle ihres Vaters grundlegend. Er wurde vom selbstständigen Unternehmer zum Mitarbeiter in der AG. «Es ist herausfordernd, einen Betrieb, welcher offensichtlich auf einem stabilen Fundament steht, vorwärtszubringen. Die Offenheit gegenüber neuen Plänen und Visionen findet nicht überall Gehör», zieht die junge Frau nach drei Jahren Bilanz. Deshalb ist von Vorteil, dass die beiden jungen Unternehmer die alleinigen Entscheidungsträger sind.

Viel hat sich nicht verändert seit damals. Der Bergkäse wird nach wie vor nach altem Familienrezept mit frischer Bergmilch, ohne thermische Behandlung, traditionell im Kupferkessi verarbeitet, mit Strom produziert von den eigenen Sonnenkollektoren in Ergänzung mit 100 Prozent Wasserstrom aus Uri. Und das junge Paar hat frischen Wind in den Traditionsbetrieb gebracht und einige Arbeitsschritte und Abläufe umgekrempelt. Dass Selina Aschwanden als Frau Prozessoptimierungen vorgenommen hat, kommt nicht von ungefähr und hängt unter anderem mit den körperlichen Unterschieden zwischen Frauen und Männern zusammen. «Wir Frauen sind gezwungen, die körperlichen Arbeiten zu vereinfachen. Ich habe keine Kraft vorrätig und muss genau überlegen, wo ich diese einsetze.» Und die erfahrene Berufsfrau ist zum Schluss gekommen: «Ich glaube, es ist eine grosse Chance für Betriebe, Frauen anzustellen. Sie können oft weniger Muskeln einsetzen, müssen dafür aber mehr den Kopf benutzen. Das ist ein Gewinn für alle im Betrieb.»

«Ich kann mein Produkt anfassen – das ist ein grossartiges Gefühl nach einem langen Arbeitstag.»

Dass sie als Käserin in einer Männerdomäne arbeitet, stört Selina Aschwanden nicht. «Hier in unserem Betrieb fällt es mir nicht so auf, weil wir eine hohen Frauenanteil haben. Aber in den Verbänden und Kommissionen ist der Frauenanteil sehr klein», konkretisiert sie. Die Frauenpower ist allerdings spürbar, was aber gemäss der jungen Frau nicht immer allen gefällt. «Immer mehr Frauen interessieren sich für diesen Beruf oder übernehmen Betriebe. Knapp 30 Prozent der Lernenden sind Frauen.»

Die Mitarbeitenden im Betrieb liegen der jungen Innerschweizerin sehr am Herzen. «Gerade in einem kleinen Betrieb mit komplexer Produktion wie in der Bergkäserei Aschwanden ist es besonders wichtig, dass alle gut zusammenarbeiten und an einem Strick ziehen.» Deshalb pflegen Aschwandens eine offene Sprechkultur und halten die Hierarchien möglichst flach. «Uns ist es wichtig, dass wir auch die Menschen hinter unseren Arbeitskräften kennen. Jeder soll spüren, dass er ein Rad im Räderwerk der Bergkäserei ist. Denn unser Erfolg gilt auch unseren Mitarbeitenden, welche tagtäglich ihre Arbeit gewissenhaft ausführen.»

Eine Aufgabe, die glücklich macht

Mit ihrer Rolle als Co-Geschäftsführerin hat Selina Aschwanden einen abwechslungsreichen Beruf: Sie organisiert die Arbeitseinsätze, kommuniziert mit Kunden, gibt Anweisungen an ihre Mitarbeitenden, produziert die legendären «Mutschli», macht Kundenbesuche und erstellt Rechnungen. Später kümmert sich die Mutter von zwei kleinen Mädchen um den Haushalt, den sie mit ihrem Mann zusammen besorgt. «Meine Tage sind immer sehr voll und das ist nicht immer einfach. Aber ich kann immer das machen, was mich zu 100 Prozent glücklich macht.» Sie und ihr Mann arbeiten je rund 80 Prozent im Betrieb. Und wie bringt sie alles unter einen Hut? Die junge Mutter lacht und meint ehrlich: «Wir bringen niemals alles unter einen Hut. Eine grosse Stütze sind meine Eltern, die beide je einen Tag zu den Kindern schauen. Wir organisierten die restlichen fünf Tage dann selbst.» Für sie als Unternehmerin hat die Familie und deren Gesundheit Priorität: «Wir geben wirklich viel für diesen Betrieb, und trotzdem sagen wir uns, dass wir mit dem Herzen entscheiden, was wir machen und was nicht.» Das Paar in seinen Rollen als Unternehmer und Eltern ist im Alltag oft getrieben davon, es allen recht zu machen, und vergisst dabei ab und zu sich selbst und seine Nächsten. «Das möchten wir möglichst vermeiden und mahnen uns deshalb regelmässig daran.»

«Marketing und Storytelling ist das A und O. Und es gilt, dabei authentisch zu bleiben, denn die Konkurrenz schläft nicht.»

Während zu Grossvaters Zeiten Käse noch als Grundnahrungsmittel galt, hat sich der Käse heute zum Genussmittel entwickelt. Das bedeutet auch, dass sich die Bergkäserei Aschwanden, wie auch alle anderen Käseproduzenten, dem Markt anpassen muss. «Wir müssen Topprodukte produzieren. Es reicht nicht aus, essbaren Käse zu machen. Wir müssen Produkte herstellen, welche den Kunden aus anderen Gründen animiert, zu kaufen – sei es wegen einer auffälligen Form oder Farbe oder eines witzigen Namens», weiss die passionierte Käserin. Und sie betont weiter: «Marketing und Storytelling ist das A und O. Und es gilt, dabei authentisch zu bleiben, denn die Konkurrenz schläft nicht.» Die Anforderungen der Kunden an den Käse sind gestiegen und die Hygienemassnahmen wurden deutlich verschläft. Die Sicherheit der Qualität sowie die Einhaltung der Lebensmittelsicherheit beginnt bereits beim Milchproduzenten. Die Käserei Aschwanden wird alle zwei Jahre zu Zwecken der Qualitätssicherung auditiert. «Wir müssen dabei vorweisen können, dass wir die Vorschriften der Lebensmittelsicherheit einhalten und eine Rückverfolgbarkeit garantieren.» Für die Urner Käsespezialisten ist diese Auditierung eine Chance zur Verbesserung für den eigenen Betrieb und auch für die Glaubwürdigkeit der Branche. «Eine gewissenhafte Auditierung hilft der ganzen Milchwirtschaft», sind sie überzeugt.

Mit viel Tatendrang in die Zukunft

Guten Käse definiert die Käsefachfrau über eine gleichbleibende Qualität. «Ein bestimmter Käse sollte immer gleich schmecken, gibt es zu grossen Abweichungen nervt das mich und die Kunden», erklärt sie. Und doppelt nach: «Um die Qualität stetig gleich zu halten, sind natürlich alle in der Kette verantwortlich. Das fängt beim Futter der Kühe an, geht über die Lagerung und Kühlung der Milch und hört beim Verpacken und Ausliefern der Käse auf.» Das Unternehmerpaar erachtet als grösste Herausforderungen in ihrem KMU, zukunftsorientierte Entscheidungen zu treffen und dementsprechend Investitionen zu tätigen. «Wir können noch nicht auf einen grossen Erfahrungsschatz zurückgreifen und müssen aufgrund unseres bescheidenen Know-hows und Wissens sowie des Bauchgefühls entscheiden. Solche Schritte kann man nicht wieder rückgängig machen. Man verpflichtet sich und muss sich zu dieser Idee bekennen.» Für die Zukunft hat die Bergkäser-Familie noch viele Pläne in der Schublade. Insbesondere die Energieversorgung und die Nachhaltigkeit werden die beiden die nächsten Jahre stark beschäftigen. «Mal schauen, was wir noch alles realisieren können.»

Corinne Remund

www.bergkaese.ch

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