Publiziert am: 14.03.2025

KI gegen den Fachkräftemangel

BAUMATERIALHANDEL – Die Struktur der Branche hat sich verändert. Der VSBH hat sich vielen Herausforderungen zu stellen wie Regulierungen, Margenkampf und einem fairen Wettbewerb. Grosse Themen der Zukunft sind Nachhaltigkeit, Umweltschutz und KI. Aufgrund der regen Bautätigkeit eröffnen sich für den einzelnen Händler aber immer wieder neue Marktfelder.

In den letzten Jahren herrschte in der Bauindustrie eine positive Stimmung. Dementsprechend führte dies zu einem soliden Wachstum in der Bauwirtschaft. Davon konnte auch der Baumaterialhandel profitieren. Die Struktur der Branche hat sich insofern verändert, als dass die Anzahl Baumaterialhändler aufgrund von Fusionen in den vergangenen Jahrzehnten stark zurückgegangen ist, stellt Elias Welti, Geschäftsführer des Verbandes des Schweizerischen Baumaterial-Handels VSBH, fest. «Anders als bei Branchen, die kleine, leichte, teure Produkte verkaufen, macht es beim Baumaterial für die Kunden wenig Sinn, nicht bei einem regionalen Händler einzukaufen, weil dieser ein paar Promille mehr Rabatt gibt. Hingegen haben viele Unternehmen Filialen, um Kunden auch ausserhalb ihrer Stammregion beliefern zu können.» Die Baumaterialhändler erbringen zudem immer öfter Dienstleistungen für ihre Kunden, die über den Baumaterialhandel im engeren Sinne hinausgehen. Dies im Bereich der Baustellenlogistik, aber auch für Spezialanfertigungen. Zu den Kunden gehören Bauunternehmen (Hoch- und Tiefbau), aber auch viele Gartenbauer, Landwirte, Holzwirte, Werkhöfe von Gemeinden, Facility-Manager, Innenausbauer, Schreiner und Private.

«Unsere Mitglieder machen viel für die korrekte Entsorgung.»

Die Pandemie war eine schwierige Zeit für die Baumaterialhändler: «Während der Pandemie mussten wir mit grossen Lieferkettenpro-blemen und plötzlichen Preisschwankungen leben. Mittlerweile hat sich das aber wieder normalisiert», so Welti. Der Markt ist aber schnelllebiger geworden. «Es gibt mehr kleine und weniger grosse Lieferungen», sagt Welti. Die Gründe dafür sind vielfältig. Dies sind Platzprobleme auf Baustellen, schwierigere Planung von Seiten der Baumeister oder auch Diebstahlgefahr auf Baustellen. Zudem führen die harte Konkurrenzsituation und das Kostenbewusstsein der Kunden zu immer knapperen Margen.

CO2-reduziertes Bauen

Immer wichtiger werden in der Branche der Umweltschutz sowie die Nachhaltigkeit. «Ein wichtiges Thema ist das CO2-reduzierte Bauen. Wir haben kürzlich eine Checkliste für unsere Mitglieder erarbeitet mit Tipps, wie der Umweltschutzgedanke konkret umgesetzt werden kann», sagt Welti. Unter demselben Kapitel laufen Recycling und Kreislaufwirtschaft. «Hier kämpfen wir allerdings noch mit ein paar Kinderkrankheiten», stellt Welti fest. Und er doppelt nach: «Unsere Mitglieder machen viel für die korrekte Entsorgung wie beispielsweise das Recycling von Metall, Isolationsmaterial etc. Theoretisch könnten oftmals Türen, Fenster, Sanitärmaterial etc. wiederverwendet werden. Allerdings stehen wir hier vor einem Platzproblem – wo lässt sich das alles einlagern, bis es ein neues Zuhause findet?» Der Mangel an (bezahlbarem) Land sei in der Schweiz ein akutes Problem. Ein sehr wichtiges Thema ist schon länger die Digitalisierung. Dazu Welti: «KI ist gewissermassen das neuste Hilfsmittel in diesem Bereich. Wir können so bei vielen Prozessen insbesondere im Bereich Büro und Lager den Fachkräftemangel kontern.» Die Kehrseite dieser neuen Technologie sei allerdings die Gefahr von Cyber-Angriffen. Der Verband setzt sich im Bereich Digitalisierung für gemeinsame Lösungen ein, um die Kosten für das einzelne Mitglied in einem vertretbaren Rahmen zu halten.

Aus- und Weiterbildung

Ein Kerngeschäft des VSBH ist die Aus- und Weiterbildung. Dabei unterstützt der innovative Verband seine Mitglieder in verschiedenen Bereichen in der Schulung und der Grundausbildung des Berufsnachwuchses in relevanten Berufen wie Kaufleute Branche Bauen und Wohnen, Logistiker/-in EFZ oder Detailhandelsfachleute Branche Do it yourself. Da die Baumaterialhändler keine «eigene» berufliche Grundbildung oder höhere Berufsbildung haben, setzt der Verband auf die Kooperation mit anderen Verbänden und Organisationen der Arbeitswelt OdA. «Wichtig ist für uns insbesondere auch die Arbeit des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv zur Förderung der Berufsbildung und des Images allgemein», sagt Welti. Auch die Baumaterialhändler bekommen den Fachkräftemangel zu spüren – allerdings je nach Beruf oder Position in verschiedener Ausprägung: «Bei einigen Berufen können wir dank neuen Technologien besser darauf reagieren, bei anderen Berufen wie beispielsweise Lastwagenchauffeure oder auch Finanzspezialisten und Buchhalter ist es schwieriger», erklärt Welti und ergänzt: «Wichtig ist es für die einzelnen Unternehmen in unserer Branche, in ihrer Region ihr Image zu stärken und sich als zuverlässige Arbeitgeber zu präsentieren.»

Gleich lange Spiesse

Der Verband des Schweizerischen Baumaterial-Handels agiert auch auf der politischen Ebene und setzt sich für eine bau- und unternehmerfreundliche Politik ein. Dazu gehört ein fairer Wettbewerb mit gleich langen Spiessen. Die Post beispielsweise nutzt auch im Bereich der Baustellenlogistik ihre Monopolstellung und ihre Kapitalkraft zum Nachteil der privaten Betriebe aus. «Immer mehr Unternehmen, welche ganz oder teilweise im Besitz der öffentlichen Hand sind, werden mit neuen Dienstleistungen zu direkten Konkurrenten von privatrechtlichen Unternehmen und Gewerbebetrieben. In einer freien Wirtschaft ist nichts gegen fairen Wettbewerb einzuwenden, doch sollten die Spiesse gleich lang sein», fordert Welti. Und weiter meint der engagierte VSBH-Geschäftsführer: «Diese Problemfelder sind nicht neu, die Politik hat das Thema aber bisher nicht in der nötigen Konsequenz geklärt.» Deshalb arbeitet der Verband mit KMU Bern zusammen, das die Kampagne «Der Staat als Konkurrent: Fair ist anders!» lanciert hat und mit einer breiten Informations- und Sensibilisierungskampagne für diesen Missstand sensibilisiert. Ebenso kämpft der Verband für die Abschaffung der Mediensteuer für Unternehmen. Unternehmen zahlen für einen allfälligen Medienkonsum ihrer Mitarbeitenden – die allesamt in ihrer Eigenschaft als Privathaushalt bereits zahlen – ab 500 000 Franken Umsatz eine zusätzliche Mediensteuer über die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) an die SRG. «Diese unnötige und unfaire Mediensteuer bedeutet für unsere Mitglieder bei den teilweise minimalen Margen eine ungebührlich hohe, völlig unfaire Belastung. Es ist höchste Zeit, dass die Politik hier endlich den richtigen Knopf drückt!», fordert Welti.

«Regulierungen, Vorschriften und Gesetze nehmen immer mehr zu.»

Zudem leidet die Branche überproportional unter Debitorenverlusten. Diese werden oft durch Bauunternehmer verursacht, die eine Firma gründen, diese jedoch in den Konkurs führen und kurz darauf mit einer neuen Firma wieder auftauchen – und das Spiel von vorne beginnen. «Hier sollte die Politik mehr tun, um diesem Treiben Einhalt zu gebieten.» Eine weitere Herausforderung ist die überbordende Bürokratie. Dazu Welti: «Regulierungen, Vorschriften und Gesetze nehmen immer mehr zu. Dazu gehört auch die Regelung in Städten bezüglich der Zufahrt zur Baustelle. Das wird für unsere Mitglieder immer komplizierter», stellt er fest. Zusätzlich erschweren Staus auf der Strasse die Problematik noch.

Viel Potenzial in der Branche

Gemäss Welti herrsche aufgrund der guten Bautätigkeit bei den Baumaterialhändlern eine positive Stimmung. «Die Branche verfügt über viel Potenzial. Die Verlagerung vom Neubau zum Erneuerungs- und Renovationsbau bietet beispielsweise den Händlern neue Chancen. Ihre Beratung und Kompetenz ist da gefragt», so Welti. Es eröffneten sich immer wieder neue Marktfelder für den einzelnen Händler. Zudem ist die Branche eng mit der Baubranche verbunden. Letztere ist äusserst krisenresistent, wie sich in der Vergangenheit gezeigt hat. Für die Zukunft hat sich der betriebsame Verband auf die Fahne geschrieben, die Autonomie und Innovationskraft seiner Mitglieder weiterhin zu stärken und zu erhalten.

Corinne Remund

www.vsbh.ch

DAS MACHT DER VSBH

Plattform für diverse Dienstleistungen

Der Verband des Schweizerischen Baumaterial-Handels ist die Schweizerische Dachorganisation des Baumaterial-Handels. Er ist 1903 unter dem ursprünglichen Namen Verband Schweizerischer Baumaterial-Händler entstanden. Damals schlossen sich die Baumaterialhändler zusammen, um gemeinsam eine Chance gegen die Einkaufsgenossenschaften der Handwerker zu haben.

Zu seinen Dienstleistungen für die Mitglieder gehören verschiedene Dienstleistungen teilweise in Zusammenarbeit mit externen Partnern. Dazu gehören Beratungen, branchenbezogene Weiterbildungsangebote und diverse Versicherungsleistungen, aber auch Statistiken über den Baumaterialhandel, Bonitätsauskünfte, vergünstigte Treibstoff-Einkäufe etc. Analyse des Branchenumfeldes, Aufzeigen der Zusammenhänge, Erfassen von Trends sind weitere Aufgaben. Ebenso engagiert sich der VSBH in der Aus- und Weiterbildung.

Gut vernetzt und organisiert

Der VSBH als massgebende Schweizerische Branchenorganisation stellt den Kontakt zu Verbänden, Organisationen, Behörden und Öffentlichkeit her. Er ist auch auf der politischen Ebene aktiv. Er schafft des Weiteren Plattformen für seine Mitglieder zum Erfahrungs- und Informationsaustausch mit Lieferanten sowie zur Beziehungs- und Kontaktpflege und Kommunikation. Der VSBH zählt 21 Mitglieder. Die Betriebe sind ausschliesslich inhabergeführte KMU. Dazu kommen 38 assoziierte Mitglieder, sozusagen Passivmitglieder. Die meisten von ihnen sind Lieferanten der Baumaterialhändler, also Baumaterialproduzenten sowie einige ehemalige Baumaterialhändler. Die gesamte Branche generiert jährlich einen Umsatz von ein paar Milliarden Franken.

CR

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