Schweizerische Gewerbezeitung: Sie sind beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement der Beauftragte für die Arbeitsmarktintegration – unter anderem für Personen mit Schutzstatus S aus der Ukraine. Weshalb ist deren Integration in den Arbeitsmarkt wichtig, und welche Rolle spielen dabei die KMU?
Adrian Gerber: Zunächst: Es geht nicht nur um Personen mit Schutzstatus S, sondern um alle Geflüchteten, also auch um Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene. Alle diese Menschen sind hier, sie haben viele Potenziale, die oft unterschätzt werden. Und sie wollen arbeiten. Ausserdem haben wir ein Interesse daran, dass sie ihren Lebensunterhalt selber bestreiten. Erwerbsintegration bedeutet in unserem freien Arbeitsmarkt letztlich ja nichts anderes, als einen Arbeitsvertrag zu bekommen. Und dazu braucht es die KMU, die zahlenmässig bedeutendsten Arbeitgeber in der Schweiz.
«Wir haben ein Interesse daran, dass die Geflüchteten ihren Lebensunterhalt selber bestreiten.»
Der Bundesrat strebte für Personen mit Schutzstatus S bis Ende 2024 eine Erwerbstätigenquote von 40 Prozent an. Effektiv lag sie bei 30 Prozent. War dieses Ziel zu ambitiös?
Es war ein politisches Ziel, das viel Klarheit geschaffen hat: für die Kantone, die Sozialpartner, die Wirtschaft – und nicht zuletzt die Ukrainerinnen und Ukrainer. Die Sprache lernen, eine Arbeit aufnehmen und – namentlich bei den Jungen – sich aus- und weiterbilden: Das macht in jedem Fall Sinn und ist besser, als untätig zu sein. Das Ziel wurde fast erreicht bei jenen Ukrainerinnen und Ukrainern, die schon vor über zwei Jahren in die Schweiz gekommen sind. Das zeigt, dass die Massnahmen wirken. Es braucht einfach etwas Zeit, eine Landessprache zu lernen und einen Job zu finden. Aber wir können gemeinsam noch besser werden. Und dazu braucht es die KMU.
Für Unternehmen ist vor allem Planungssicherheit wichtig. Für sie lohnt es sich vielfach nicht, jemanden anzustellen, der eine längere Einarbeitungszeit braucht, aber vielleicht bald wieder weg ist. Wie geht der Bund diese Herausforderung an?
Der Schutzstatus S gilt bis März 2026, sofern sich die Lage in der Ukraine nicht nachhaltig stabilisiert. Zudem gewährt der Bundesrat erwerbstätigen Personen eine zusätzliche Ausreisefrist von einem Jahr. Es besteht also durchaus eine Planungsperspektive. Aber es geht auch um Verantwortung: So können die Unternehmen auch etwas zum Wiederaufbau der Ukraine beitragen. Irgendwann gehen die Leute ja dann zurück, mit neuen Kenntnissen und Fertigkeiten im Gepäck.
Wie gross ist das Arbeitskräftepotenzial von Personen mit Schutzstatus S, und welche weiteren Massnahmen plant der Bund, um deren Erwerbstätigenquote zu erhöhen?
Gemäss Schätzungen haben rund 30 000 Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene im erwerbsfähigen Alter das Potenzial, eine Erwerbsarbeit aufzunehmen. Bei den Schutzbedürftigen sind es mehr als 20 000 Personen.
KMU verfügen meist nicht über grosse Personalabteilungen. Was müssen sie konkret tun, wenn sie Personen aus der Ukraine oder andere Geflüchtete anstellen wollen?
Wichtig ist zu wissen: Seit der Einführung der Integrationsagenda 2019 werden die Stellensuchenden aus der Ukraine und andere Geflüchtete von professionellen Jobcoaches unterstützt. Wenden Sie sich daher an diese Stellen (vgl. Kasten). Diese können geeignete Kandidatinnen und Kandidaten auf ausgeschriebene Stellen den Firmen melden und sie auch vorbereiten. Die KMU kommen so ohne Suchaufwand zu einer Auswahl von interessanten Dossiers.
Im Arbeitsalltag gibt es viele Hürden zu überwinden. Das fängt zum Beispiel bei der Sprache an. Inwiefern unterstützen die Behörden die KMU beim Integrationsprozess von Ukrainern oder Geflüchteten generell?
Die Jobcoaches können im Einzelfall auch Lösungen suchen helfen, wenn es darum geht, die Sprachkenntnisse noch weiter zu fördern oder bei Geflüchteten mit Potenzialen Entwicklungsmöglichkeiten im Betrieb zu besprechen. Sie können auch bei administrativen Fragen unterstützen.
Interview: sgz