Publiziert am: 25.04.2025

«Ohne Recyclist keine Kreislaufwirtschaft»

25-JAHR-JUBILÄUM – Die Ausbildung als Recyclist/-in EFZ ist eine solide Grundbildung für Jugendliche, welche gerne mit den Händen arbeiten, die frische Luft mögen und von Maschinen fasziniert sind. Seit einem Vierteljahrhundert bilden Recyclingbetriebe in der ganzen Schweiz diese Fachleute in der dreijährigen Berufslehre aus. Judith Maag, Präsidentin R-Suisse, stellt den Beruf hier vor.

Schweizerische Gewerbezeitung: Die Berufslehre als Recyclist/-in EFZ gibt es seit 25 Jahren. Wie ist diese Lehre entstanden?

Judith Maag: Mehrere Geschäftsführer und Inhaber von Recyclingbetrieben hatten erkannt, dass es für ein wertschöpfendes Recycling gut ausgebildete Fachpersonen braucht. Zusammen mit dem Verband der Metall-, Papier- und Kartonrecycler VSMR stellten sie die erste Ausbildung zusammen. In den Anfangsjahren lag darum der Fokus auf den Bereichen Metalle (Eisen und Nichteisen) und Papier sowie Karton. Bei der ersten Überarbeitung der Ausbildung wurden dann weitere Materialklassen integriert, so dass die Ausbildung heute fast alle Materialien umfasst, welche stofflich rezykliert werden können. Einzig die Biomasse sowie Deponien und Kehrichtverwertungsanlagen sind (noch) nicht vollumfänglich Teil der Ausbildung.

Welche Bilanz können Sie nach 25 Jahren ziehen?

Dank der Pionierarbeit gibt es heute etwa 600 ausgebildete Personen. Einige entwickelten sich weiter und stehen den Betrieben nicht mehr als Fachleute zur Verfügung, andere wechseln in die Projektierung und Leitung. Deshalb braucht es mehr junge Leute, welche die Berufslehre zum/zur Recyclisten/-in EFZ in Angriff nehmen!

Wie beliebt ist die dreijährige Lehre bei den jungen Leuten?

Es ist noch ein kleiner Beruf, jedes Jahr beginnen schweizweit etwa 50 Personen mit der Ausbildung, davon 80 Prozent in der Deutschschweiz. Wie bei vielen Handwerksberufen ist es nicht einfach, alle verfügbaren Lehrstellen zu besetzen. Die meisten, welche eine Lehre als Recyclist/-in wählen, fangen Feuer und werden zu begeisterten Berufsleuten.

Für wen ist diese Berufslehre geeignet?

Die Anforderungen entsprechen einem guten Schulabgänger der Sekundarstufe B, Freude an der Arbeit mit grossen Maschinen an der frischen Luft sowie Interesse am Umweltschutz und den verschiedenen Materialien sind ideale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ausbildung. Gute Schüler/-innen können die Lehre mit Berufsmatur absolvieren. Jugendliche mit Potenzial abseits von Schreibtisch und Laptop machen eine sinnstiftende Ausbildung mit Zukunft, gesellschaftlichem Wert und vielfältigen Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten.

Was macht der Recyclist EFZ konkret?

Er nimmt von Privatpersonen oder Firmenkunden verschiedenste Wertstoffe entgegen, sortiert diese nach Qualität und bereitet sie für die Wiederaufbereitung in beispielsweise Stahlwerken, Papierfabriken oder Glashütten vor. Bei allen Arbeitsschritten werden unterstützend diverse Betriebsfahrzeuge und Anlagen eingesetzt, zum Beispiel Stapler, Bagger, Schrottscheren, Pressen oder komplexe Sortieranlagen. Die Recyclisten/-innen sind der Link zwischen Abfall und Rohstoff und machen so Kreislaufwirtschaft. Recyclisten/-innen retten Rohstoffe, führen diese zurück in den Kreislauf und sorgen für die sichere Entsorgung gefährlicher Materialien. In der dreijährigen Ausbildung lernen angehende Recyclisten/-innen alles über Materialkunde, Recyclingtechniken und den Umgang mit kleinen und grossen Maschinen. Refuse, reuse, reduce, recycle und recover: Auch zentrale Prinzipien der Kreislaufwirtschaft sind fester Bestandteil der Ausbildung.

Das Berufsbild wird in diesem Jahr überarbeitet. Wie hat es sich in den letzten Jahren verändert und wie sehen die Anpassungen aus?

Die Digitalisierung spielt auch in diesem Beruf eine wichtige Rolle, die Anlagen und Arbeitsschritte werden immer effizienter und auch komplexer. Durch die stets strenger werdenden Vorschriften bei Arbeitsplatzsicherheit und Umweltschutz müssen die Lernenden noch intensiver geschult werden. Und schliesslich soll die Ausbildung alle Aspekte der Kreislaufwirtschaft ansprechen. Weil die Betriebe sehr unterschiedlich sind (von der reinen Sammelstelle bis zu grossen Aufbereitungsanlagen), kann dies nur in der Schule und in den überbetrieblichen Kursen einheitlich vermittelt werden. Die Anzahl der Kurstage soll erhöht werden und die Schwerpunkte in der Bildungsverordnung werden ergänzt.

Welche Karrieremöglichkeiten bestehen?

Ganz viele! Nach der Lehre können gute Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sehr schnell Verantwortung übernehmen, zum Beispiel als Abteilungsleiterin, Platzchef oder an der Warenannahme. Diverse Kurse und Weiterbildungen führen zu Berufen mit eidgenössischer Berufsprüfung wie Rohstoffaufbereiter/-in, Technischer Kaufmann, Fachfrau Entsorgung oder Logistikfachmann. Mit der Berufsmatura kann man Umweltingenieurwesen an einer Fachhochschule studieren. Als Recyclist/-in EFZ bringt man für all diese Aus- und Weiterbildungen wichtiges Vorwissen mit.

Umweltschutz, Kreislaufwirtschaft und nachhaltiges Unternehmertum werden immer wichtiger. Welche Rolle spielt hier der Recyclist?

Ohne Recyclisten/-innen EFZ keine Kreislaufwirtschaft! Entgegennehmen, sortieren, für die Wiederaufbereitung vorbereiten und je nach Material sogar selbst aufbereiten – nur dank dieser Arbeiten funktioniert der Wertstoffkreislauf. Fachkräfte erkennen kritische Stoffe, nehmen diese aus dem Kreislauf und verhindern schädliche Einflüsse auf Mensch, Tier oder Umwelt – jeden Tag für eine zukunftsfähige Welt.

Eine zukunftsorientierte Recyclingbranche ist einer der zentralen Pfeiler im nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und macht die Umsetzung von Circular-Economy-Konzepten in der Schweiz erst möglich. Gerade beim Wiederaufbereiten von Wertstoffen gibt es laufend Innovationen, die in Abstimmung mit der Wirtschaft und der öffentlichen Hand wichtige Beiträge zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen leisten können. Um diese Verfahren praktisch anzuwenden, braucht es qualifizierte Fachpersonen mit solidem Grundlagenwissen – also gut ausgebildete Recyclisten/-innen EFZ – und vielfältige Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten.

R‑Suisse ist auch an den SwissSkills 2025 präsent. Welche Bedeutung haben für Sie Berufsmessen?

Berufsmessen sind die ideale Plattform, um die Lehre zum Recyclisten den jungen Menschen im Berufswahlprozess vorzustellen. Die jungen Berufsleute vor Ort erzählen von ihrem Alltag und beantworten Fragen, die anwesenden Berufsbildner unterstützen sie und informieren Lehrpersonen und Eltern, zum Beispiel über die vielen Weiterentwicklungsmöglichkeiten. Wir freuen uns auf den Austausch und auf die Kontakte.

Was wünschen Sie sich für die Berufslehre Recyclist/-in für die nächsten Jahre?

Mehr junge Menschen, welche diese wichtige Berufsbildung wählen und mit Begeisterung absolvieren.

Interview: Corinne Remund

www.recyclist.ch

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