Publiziert am: 09.05.2025

Ein deutliches Zeichen

MINDESTLÖHNE – Wirtschafts- und Abgabenkommission des Nationalrats stellt sich gegen die Schwächung der Sozialpartnerschaft. Debatte über allgemein-verbindliche Gesamt­arbeits­ver­träge im Sommer dürfte emotional werden.

Kantonale Mindestlöhne sollen Mindestlöhne in allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen (ave GAV) nicht mehr übersteuern können. Damit soll der Zustand wieder hergestellt werden, wie er vor dem umstrittenen Urteil des Bundesgerichts zum Mindestlohn im Kanton Neuenburg aus dem Jahr 2017 geherrscht hat. Damals hat das Bundesgericht den kantonalen Mindestlohn von Neuenburg geschützt, der den Mindestlohn des vom Bundesrat allgemeinverbindlich erklärten Landes-Gesamtarbeitsvertrages des Gastgewerbes (L-GAV) übersteuert hat. Letztes Jahr hat der Bundesrat eine Umsetzungsvorlage verabschiedet, die die Wirtschafts- und Abgabenkommission des Nationalrats nun mit einer expliziten Regelung des Anwendungsvorrangs von Mindestlohnbestimmungen eines ave GAV präzisiert hat.

Gesamtarbeitsverträge widerspiegeln den Willen der Sozialpartner

Für ave GAV braucht es den Willen der Sozialpartner, der Gewerkschaften und der Arbeitgeber. Darüber hinaus prüft das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO gewisse Mindestanforderungen. Mit der Allgemeinverbindlicherklärung eines GAV ist immer auch eine Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit verbunden, da er für alle Branchenakteure zählt, also nicht nur für jene, die Verbandsmitglied sind.

Wenn Sozialpartner auf nationaler Ebene Mindestlöhne verhandeln, der Bundesrat diese für allgemeinverbindlich erklärt, gleichzeitig aber regional das Verhandlungsergebnis unterlaufen wird, in dem gesetzlich höhere Mindestlöhne festgelegt werden, unterläuft das die Sozialpartnerschaft und schadet dieser. Was ergibt es für einen Sinn, wenn Sozialpartner auf Bundesebene einen Mindestlohn aushandeln, der dann kantonal oder regional ausgehebelt wird? Ein expliziter Anwendungsvorrang von Mindestlöhnen in allgemeinverbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen (ave GAV) ist notwendig und verfassungskonform.

Rechtssicherheit wird wieder hergestellt

Mit der Gesetzesänderung soll die Rechtssicherheit wieder hergestellt werden. Die Bundesverfassung garantiert im Grundsatz, dass der Staat nur dort in den Arbeitsmarkt eingreift, wo eine sozialpartnerschaftliche Lösung nicht realisierbar erscheint. Dieser Grundsatz soll jetzt in Bezug auf Mindestlöhne im Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlichkeit von Gesamtarbeitsverträgen festgehalten werden. Kantonale Mindestlöhne sollen keine entsprechenden Bestimmungen eines ave GAV mehr aushebeln können. Kommunale und kantonale Mindestlöhne führen zu einem unübersichtlichen Flickenteppich und erhöhen den administrativen Aufwand für überregional tätige Unternehmen.

Kantonale Hoheit unangetastet

Die Behauptung der Kantone, sie würden in ihrer Souveränität eingeschränkt, blendet aus, dass der geforderte Vorrang des Mindestlohns nur für ave GAV gilt. Die Kantone behalten jedoch die Kompetenz, dort Mindestlöhne festzulegen, wo keine Regelungen in den ave GAV bestehen. Damit zielt der Vorrang ausschliesslich darauf ab, die Sozialpartnerschaft zu schützen. Der Anwendungsvorrang zugunsten von ave GAV verletzt weder die Normenhierarchie noch die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen.

Debatte in der Sommersession

Der Antrag der Wirtschafts- und Abgabenkommission, die Gesetzesänderung zu unterstützen, wird mit einer klaren Mehrheit von 16 zu 9 Stimmen gestellt. Trotz dieser klaren Mehrheitsverhältnisse dürfte die Debatte im Nationalrat in der bevorstehenden Sommersession emotional verlaufen. Soll die Sozialpartnerschaft, die vom Schweizerischen Gewerbeverband sgv seit Jahrzehnten mitgetragen wird, gestärkt werden, muss der Vorlage zugestimmt werden.

Dieter Kläy, Ressortleiter sgv

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