Schweizerische Gewerbezeitung: Der Preisüberwacher hat kürzlich die hohen Kommissionen von Booking.com als missbräuchlich eingestuft. Was bedeutet dieser Entscheid für die Schweizer Beherbergungsbranche?
Martin von Moos: Seit Jahren kritisieren wir die teilweise missbräuchlichen Praktiken, welche internationale Buchungsplattformen wie Booking.com bei den Hotels anwenden. Dies belastet nicht nur die Margen der Betriebe, sondern schränkt auch die unternehmerische Autonomie unserer Betriebe ein. Der Entscheid des Preisüberwachers ist eine klare Bestätigung dieser Kritik und somit ein Erfolg für die Branche.
Die Sozialpartner im Gastgewerbe haben Neuverhandlungen für den Landes-Gesamtarbeitsvertrag (L‑GAV) vereinbart. Welche Forderungen stellt HotellerieSuisse im Rahmen dieser Verhandlungen?
HotellerieSuisse kommuniziert die Verhandlungspositionen nicht. Der neu zu verhandelnde L‑GAV soll die Bedürfnisse der Branche angemessen berücksichtigen und möglichst optimale Rahmenbedingungen für die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse schaffen. Der Verband will dabei die Förderung der Aus- und Weiterbildung weiterhin aktiv unterstützen – denn sie ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen und zukunftsfähigen Branche.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass sechs Sozialpartner am Verhandlungstisch sitzen – alle mit eigenen Vorstellungen und Anliegen. Das Endergebnis wird deshalb ein Werk des Konsenses und der Kompromisse sein. Ich bin aber überzeugt, dass dies der richtige Weg ist, um auch dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und unsere Branche für Arbeitnehmende attraktiver zu gestalten.
Zudem haben sich die Sozialpartner auf Mindestlöhne für die Jahre 2026/27 geeinigt. Wie sieht diese Einigung aus?
Um sich auf die Neuverhandlungen über den L‑GAV zu konzentrieren, haben die Verhandlungsdelegationen der Sozialpartner bereits jetzt eine Einigung im Hinblick auf die Mindestlöhne für die Jahre 2026 und 2027 erzielen können. Diese sollen jeweils um die durchschnittliche Jahresteuerung erhöht werden. Massgeblich für den Teuerungsausgleich ist die jeweilige September-Prognose des SECO für die durchschnittliche Jahresteuerung.
Mindestlöhne sind derzeit auch im Parlament ein Thema. Eine breite Wirtschaftsallianz «für die Stärkung der Sozialpartnerschaft», darunter Ihr Verband und der Schweizerische Gewerbeverband sgv, fordert: Kantonale Mindestlöhne sollen die von Sozialpartnern im Rahmen von ave GAV ausgehandelten Mindestlöhne nicht mehr aushebeln dürfen. Warum ist das wichtig?
Die Sozialpartner legen die Mindestlöhne im Rahmen von Verhandlungen gemeinsam fest – unter Einbezug der Arbeitnehmerseite. Sie kennen die Gegebenheiten und Herausforderungen der Branche genau und wissen, was wirtschaftlich tragbar ist. In unserer Branche profitieren die Arbeitnehmenden beispielsweise von einem breit ausgebauten und oft kostenlosen, subventionierten Aus- und Weiterbildungsangebot. Allgemeinverbindlich erklärte GAV fördern das Prinzip «gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort» und verhindern effektiv Lohndumping. Sie bieten einen umfassenden Schutz für alle Arbeitnehmenden der Branche – auch für Entsandte, auf die kantonale Mindestlöhne nicht anwendbar sind.
Kantonale Mindestlöhne untergraben und gefährden die in vielen Branchen bewährte Sozialpartnerschaft und schaden letztendlich auch den Arbeitnehmenden.
Welche langfristigen Folgen sind zu erwarten, wenn kantonale oder gar lokale Mindestlöhne immer stärker die Abmachungen der Sozialpartner aushebeln?
In einer personalintensiven Branche wie der Beherbergung, in der die Lohnkosten über 50 Prozent der Gesamtkosten ausmachen, müssen die Sozialpartner das letzte Wort haben. Wenn ausgehandelte Vereinbarungen wiederholt durch staatliche Eingriffe ausgehebelt werden, leidet die Akzeptanz der GAV in den betroffenen Betrieben. Langfristig kann dies dazu führen, dass keine GAV mehr abgeschlossen werden – mit gravierenden Folgen für den Wirtschaftsstandort Schweiz.
Unser Ziel sind keine Arbeitskonflikte mit den Gewerkschaften, sondern stabile Partnerschaften, welche die Interessen beider Seiten in einem ausgewogenen Rahmen berücksichtigen. Genau das macht die Stärke der Sozialpartnerschaft aus. Und dies gilt es zu schützen und nicht zu untergraben.
Bald werden die zwischen der Schweiz und der EU ausgehandelten Verträge in die Vernehmlassung kommen. Welche Erwartungen haben Sie?
Aktuell stellen wir fest, dass die Schweiz in den Verhandlungen ihre Interessen in wichtigen Punkten wirksam vertreten konnte. Nun sind wir gespannt auf die konkrete Umsetzung der Verträge im Inland. Es ist möglich, dass wir bei einzelnen Regulierungen Vorbehalte haben werden oder diese sogar ablehnen.
Wir erwarten vom Bund und vom Parlament, dass die Gesetzgebung zur Umsetzung der Bilateralen III mit Augenmass erfolgt. Zu viele Partikularinteressen könnten das Gesamtpaket gefährden – mit potenziell gravierenden Folgen für den Wirtschaftsstandort Schweiz.
Nach heutigem Wissensstand: Welche Beurteilung nehmen Sie vor?
Für HotellerieSuisse stimmt das Gesamtpaket. Grundsätzlich stehen wir hinter den Bilateralen III. Für die Schweiz und insbesondere für unsere Branche ist es von zentraler Bedeutung, dass die bilateralen Verträge mit der EU erhalten bleiben und weiterentwickelt werden können. Die Personenfreizügigkeit ist dabei ein entscheidender Faktor für die Beherbergung: Wir schöpfen das inländische Arbeitskräftepotenzial konsequent aus – und sind dennoch auf qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen.
Ohne die Bilateralen III wären die Beziehungen zur EU nicht mehr verlässlich geregelt. Der gesicherte Zugang zum europäischen Binnenmarkt ist jedoch ein zentraler Erfolgsfaktor für die Schweizer Wirtschaft – und diesen gilt es zu bewahren.
Überall ist von Fachkräftemangel die Rede. Mit welchen Lösungen versucht Ihr Verband, diesen abzumildern?
Vom Verband gibt es verschiedene Initiativen und Lösungen, um die Branchenattraktivität zu steigern. Mit der Social-Media-Kampagne #lovetohost, die im August 2024 lanciert wurde, haben wir uns zum Ziel gesetzt, einer breiten Öffentlichkeit die schönen Seiten der Branche aufzuzeigen. Weiter haben wir das in anderen Branchen bereits bekannte Projekt «TOP-Ausbildungsbetrieb» mit unserem Regionalverband Graubünden und den Kolleginnen und Kollegen von Gastro Graubünden getestet und auf die ganze Schweiz ausgedehnt. Damit wird gezielt mehr in die Ausbildung der betrieblichen Ausbildner investiert. Ebenfalls auf die Berufsbildnerinnen zugeschnitten ist das neue Angebot von HotellerieSuisse zur Betreuung von Ausbildungsbetrieben, das mit regelmässigen Besuchen im Betrieb konkrete Unterstützung in der Praxis leistet. Mit dem Regionalverband Association Romande des Hôteliers ARH haben wir Anfang 2022 das Projekt «Staffdeals» realisiert. Dadurch wollen wir unseren Betrieben zusätzliche Fringe Benefits für ihre Mitarbeitenden ermöglichen. Weiter erhielt Berufe Hotel Gastro (BHG), eine Initiative von HotellerieSuisse und GastroSuisse, im vergangenen Jahr einen neuen Markenauftritt, um Jugendliche, Eltern, Lehrpersonen und andere Interessierte über die Grundbildungen in der Hotellerie- und Gastronomiebranche zu informieren.
Die Corona-Massnahmen hatten grosse Auswirkungen auf das Urlaubsverhalten. Wie haben sich der Schweizer Tourismus und die Schweizer Beherbergungsbranche seither entwickelt?
Die Pandemie war zweifellos ein tiefer Einschnitt für den Schweizer Tourismus. Sie hat das Reiseverhalten auch stark verändert – viele Schweizerinnen und Schweizer verbrachten ihre Ferien im Inland. Das hat der Branche kurzfristig geholfen. Seither hat sich der Tourismus erfreulich erholt: Die Gästezahlen stiegen rasch wieder, sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland. Dafür hat sich der Fachkräftemangel im gleichen Tempo verschärft.
Viele Betriebe haben investiert, ihre Geschäftsmodelle überdacht und sich agiler aufgestellt. Die Herausforderungen – etwa beim Fachkräftemangel oder bei der Transformation hin zu einem nachhaltigeren Tourismus – bleiben bestehen. Insgesamt kann man sagen, dass unsere Branche gezeigt hat, dass sie resilient und anpassungsfähig ist.
Der Nationalrat hat Anfang Mai beschlossen, den reduzierten Mehrwertsteuersatz von 3,8 Prozent für Beherbergungsdienstleistungen zu verlängern. Inwiefern hilft das im internationalen Wettbewerb?
Als Exportbranche profitiert der Tourismus in der Schweiz im Vergleich zu anderen Branchen nicht von seinem Exportcharakter, da die erbrachten Leistungen im Inland produziert und konsumiert werden. Über 50 Prozent aller Logiernächte in der Schweiz werden durch Gäste aus dem Ausland generiert. Der reduzierte Mehrwertsteuersatz für Beherbergungsleistungen ist von zentraler Bedeutung, um eine Entlastung auf der Kostenseite zu bewirken und die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Beherbergung gegenüber den Nachbarländern und im internationalen Wettbewerb zu erhalten.
Interview: Gerhard Enggist
www.hotelleriesuisse.ch