Die Meinung
Die Berufsbildung ist ein Trumpf der Schweiz: Das ist nichts Neues. Neu ist hingegen, dass auch Kreise, die sich bislang nicht gerade durch allzu grosses Engagement für die Berufslehre ausgezeichnet haben, nun plötzlich ein Loblied auf das duale Bildungssystem singen. So hob kürzlich auch economiesuisse in einem Text mit dem Titel «Ein Hoch auf die Berufslehre» die Stärken der Berufslehre hervor.
Es ist erfreulich, dass die Einsicht, die duale Berufsbildung sei ein Erfolgsmodell, nun auch in den Chefetagen des Verbands der Grossunternehmen angekommen ist. Man fragt sich allerdings, wieso diese Erkenntnis erst – oder gerade – jetzt kommt. Zwar mag die Thematisierung der Berufsbildung im Rahmen der Gespräche zwischen der Schweiz und den USA zur Lösung des Zollkonflikts ein Grund sein. Darüber hinaus stellen sich aber weitere Fragen: Ist es das schlechte Gewissen, weil economiesuisse die vom Bundesrat im Entlastungspaket vorgeschlagene Kürzung des Budgets für die Berufsbildung unterstützt? Oder wird die Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Arbeitgeberverband, der sich normalerweise mit Fragen der Berufsbildung auseinandersetzt, soeben neu sortiert?
Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass im genannten Text auch das Hohelied auf die Berufsmaturität und die Fachhochschulen gesungen wird. Eine Umfrage soll ergeben haben, dass Teilzeitstudiengänge sowohl bei Unternehmen als auch an Fachhochschulen auf grosses Interesse stossen. Nach der Verabschiedung der Botschaft zur Anpassung des Berufsbildungsgesetzes würde aber vor allem die höhere Berufsbildung besondere Aufmerksamkeit verdienen. Dieser Gesetzesrevision ging ein intensiver zweijähriger Dialog mit den Organisationen der Arbeit und den Sozialpartnern voraus. Das Ziel ist die Stärkung der Attraktivität der höheren Fachschulen und der höheren Berufsbildung insgesamt. Insbesondere sollen die Bekanntheit und das gesellschaftliche Ansehen dieser Bildungsmöglichkeiten verbessert sowie vergleichbare Voraussetzungen innerhalb des Tertiärbereichs geschaffen werden.
Mit den eidgenössisch anerkannten Bildungsgängen an höheren Fachschulen (HF) sowie den eidgenössischen Berufs- und höheren Fachprüfungen verfügen wir über einmalige Instrumente der beruflichen Weiterqualifizierung auf Tertiärstufe. Das ist wichtig, stehen doch jährlich rund 15 000 KMU vor dem Generationenwechsel. Was es also braucht, sind fachlich gut ausgebildete Führungskräfte, die der Branche erhalten bleiben.
Der Schweizerische Gewerbeverband sgv hat eine klare Botschaft: Die Berufsbildung ist die Antwort des Gewerbes auf den Fachkräftemangel und auf die Herausforderungen der Unternehmensnachfolge. Das Hauptziel der Berufsbildung ist die Arbeitsmarktfähigkeit. Der Karriereweg über die Höhere Berufsbildung bis zum Unternehmertum ist vermehrt aufzuzeigen, ebenso die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems. Dabei sind die für die berufliche Aus- und Weiterbildung verantwortlichen Organisationen der Arbeitswelt OdA als gleichberechtigte Verbundpartner zu respektieren und in ihrer Arbeit zu stärken. Auf der Tertiärstufe ist die Anerkennung der Gleichwertigkeit von Höherer Berufsbildung und Hochschulbildung, ein Grundsatz der Bundesverfassung, endlich politisch umzusetzen. Die bevorstehende Beratung über das Berufsbildungsgesetz wird dazu eine gute Gelegenheit bieten.