EU-Dossier: sgv startet breit abgestützten Vernehmlassungsprozess
Mit Hand und Herz beim Holz
FLORINETT AG – Das Bündner Unternehmen vereint die Klangholz-Herstellung, Forst, Holzhandel und Sägerei unter einem Dach. Alle Verarbeitungsschritte – vom Fällen des Baumes beim richtigen Mondstand bis zum Halbfertigprodukt für Instrumentenbauer – werden betriebsintern ausgeführt. Dabei ist «Tonewood Switzerland» eine Erfolgsgeschichte – Instrumentenbauer weltweit vertrauen dem Label.
Andrea Florinett, Mitbegründer der Florinett AG und des Labels «Tonewood Switzerland», war es schon immer ein Anliegen, die Wertschöpfung aus den heimischen Rohstoffen in der Region Bergün zu behalten, um Arbeitsplätze zu schaffen und diese langfristig zu sichern. Dies ist ihm und seinem Team in den letzten Jahren erfolgreich gelungen, wie die Auszeichnung der Stiftung Bündner Kunsthandwerk (vgl. Kasten) für «Tonewood Switzerland» zeigt. Der gelernte Forstwart stieg 1988 nach seiner Lehre bei seinem elf Jahre älteren Bruder in dessen Firma für Holztransporte ein. «Das war der Start unseres Forstbetriebes. Nach und nach kamen weitere Forstwarte hinzu», erinnert er sich. Mit im Team waren die Frauen der beiden Brüder, Trudi und Annetta – sie kümmerten sich um Personalwesen, Finanzen und Administration. 1996 wurde die Einzelfirma in eine AG umgewandelt. Ein weiterer wichtiger Meilenstein war 2002 die Übernahme der ehemalige Gemeindesägerei sowie die Gründung des Labels «Tonewood Switzerland», um so hochwertiges Schweizer Klangholz zu produzieren und zu verkaufen. Inzwischen ist bereits die zweite Generation mit den Söhnen der Gebrüder Florinett im Betrieb tätig und ein Neffe führt die Hemmi Forst AG, eine Tochterfirma der Florinett AG. Das Unternehmen in Bergün ist breit aufgestellt: Forstbetriebe, Holztransporte, Holzhandel, Sägerei, Produktion von Klangholz und Winterdienst gehören zu den diversen Geschäftsbereichen, die untereinander auch Synergien nutzen.
Schatzsuche nach BĂĽndner Tonholz
Andrea Florinett begann 2002 damit, Tonholz der besten Qualität für den Instrumentenbau auszusuchen und unter dem Label «Tonewood Switzerland» anzubieten. Produktion und Sitz des Labels sind in Latsch. «Unser Label steht für höchste Qualität, die Einhaltung des Schweizer Waldgesetzes, Transparenz, Zuverlässigkeit und Vertrauen», sagt der innovative Geschäftsführer. Mit dem Waldgesetz sind alle Ansprüche an Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Ökologie, Biodiversität etc. automatisch erfüllt. «Die vielen langjährigen Kunden schätzen unsere Werte sehr.» Aufgrund des idealen Firmenstandortes inmitten eines ausgiebigen Resonanzholz-Vorkommens hat sich das KMU auf Tonholz aus Europäischer Fichte (Picea abies) spezialisiert. Dazu der Holzfachmann, der hauptverantwortlich für die Selektion des Tonholzes ist: «Die Europäische Fichte gilt weltweit als bestes Klangholz überhaupt, da sie ein super Verhältnis von Dichte und Biegefestigkeit hat.» Und er konkretisiert: «Fichtenresonanzdecken sind leicht und trotzdem steif und haben eine hohe Schallleitfähigkeit. Der Ton spricht schnell an und klingt lange nach, genau danach suchen die meisten Instrumentenbauer und Musiker.»
«Für Tonholz eignet sich trotzdem nur ein Baum von 1000 Bäume.»
Das Holz muss langsam gewachsen und leicht im Gewicht sein, jedoch von grosser Stetigkeit. Die Europäische Fichte erfüllt diesen Qualitätsanspruch ausgezeichnet. Günstige Dämpfungseigenschaften sowie ein optimales Verhältnis zwischen Steifigkeit, Masse und interner Reibung sind die massgebenenden Beurteilungskriterien. «Wir suchen gerade Bäume ohne Drehwuchs, mit einem Durchmesser von mindestens 50 Zentimetern – das entspricht einem Alter von mindestens 200 Jahren –, astrein, feinjährig und ohne Harz. In ganz Graubünden wächst aufgrund der Höhenlage und des rauen Klimas sehr hochwertiges und feinjähriges Holz.» Für Tonholz eignet sich trotzdem nur ein Baum auf 1000 Bäume, was die Suche nach geeigneten Fichten zur «Schatzsuche» macht. «Wir finden die Klangfichten in Graubünden ab ca. 1500 Metern über Meer aufwärts, meist an Nordhängen. Pro Jahr verarbeiten wir etwa 250 Stämme – das sind rund 300 Kubikmeter – und davon meist nur die untersten fünf Meter eines Baumes zu Resonanzholz.»
Moderne Technik und altes Wissen
Die Bäume werden ausschliesslich in der Winterzeit vor Neumond gefällt. Die Stämme des sogenannten Mondholzes werden in der Sägerei von Hand in Viertel gespalten und in der Klangholz-Werkstatt weiterverarbeitet. «So können wir die Qualität unserer Produkte vom stehenden Baum bis zur Fertigstellung selbst bestimmen und kontrollieren», folgert der Klangholz-Spezialist und ergänzt: «Es ist dabei wichtig, dass der Stamm keinen Drehwuchs hat.» In der Werkstatt werden aus diesen Vierteln parallel zur Faser Resonanzdecken gesägt. «Wichtig dabei ist, dass dies im Riftschnitt erfolgt, das heisst die Jahrringe liegen im rechten Winkel zur Oberfläche», erklärt Florinett. Dabei wird mit speziell konstruierten Maschinen für den Riftschnitt gearbeitet. Aus dem Holz werden die hölzernen Bauteile, wie beispielsweise Resonanzdecken und -böden, Zargen, Hälse, Stimmstöcke, Bassbalken, Leistenholz, Kopfplatten etc. für alle Streich- und Zupfinstrumente sowie Klaviere gefertigt. Die vollständigen Instrumente werden von den Kunden – den Instrumentenbauern – gebaut.
Bestimmte Stücke – rund zehn Prozent der Produktion – erhalten eine Wärmebehandlung: Im betriebseigenen Thermo-Ofen werden die Hölzer auf mindestens 160 °C erhitzt, wobei die Werkstücke während des ganzen Prozesses unter Vakuum stehen. Durch die Thermobehandlung wird das Holz «karamellisiert», die Farbe wird etwas dunkler.
«Fichtenresonanzdecken sind leicht und haben eine hohe Schallleitfähigkeit.»
Die Harze und Abbauprodukte der Hemicellulose sowie des Lignins verflüchtigen sich zum Teil. Deshalb werden die Decken leichter und weisen nach der Thermobehandlung eine höhere Schallleitfähigkeit auf. Ebenfalls wird durch die Modifizierung die Wasseraufnahmefähigkeit stark reduziert. «Um das optimale Ergebnis durch die Wärmebehandlung herauszufinden, haben wir zuerst betriebsintern und zusammen mit der Technischen Hochschule Eberswalde viele Versuche durchgeführt.» Der Bündner Forstunternehmer und sein Tonewood-Team produzieren pro Jahr knapp über 20 000 Resonanzdecken. Sie bestehen aus dem besten des besten Holzes. Deshalb ist eine tägliche Qualitätssicherung auf jeder einzelnen Arbeitsstufe vom stehenden Baum im Wald bis zur fertigen Resonanzdecke unabdingbar. «Dies ist nur dank unserem kompetenten und motivierten Team möglich.»
International gefragt
Das mit dem Label «Tonewood Switzerland» zertifizierte Tonholz hat weltweit ein ausgezeichnetes Image bezüglich Qualität, Fachkompetenz, Kundenorientierung und Zuverlässigkeit und ist international äusserst gefragt. Durch ständige Weiterentwicklung und Innovation behaupten sich die Bündner Tonholzprofis im internationalen Verdrängungsmarkt an der Spitze. Dies hat allerdings auch seinen Preis. «Wir sind weltweit ganz klar der teuerste Anbieter auf dem Markt. Qualität muss bezahlt sein. Für uns ist es nicht erstrebenswert, der Billigste zu sein, sondern wir wollen weltweit die besten Produkte anbieten. Dies ist auch als Wertschätzung für unseren wertvollen Rohstoff Bergholz zu verstehen», erklärt der innovative Geschäftsführer. Der internationale Kundenstamm ist unterschiedlich und reicht vom Hobbybauer über den Kleinkunden, der pro Jahr nur wenige teure Boutique-Instrumente in Handarbeit baut, und mittlere Betriebe, die rund 100 Instrumente pro Monat bauen, bis zu grossen Unternehmen. Das KMU, das insgesamt 45 Mitarbeitende beschäftigt, bildet in den Betriebsbereichen Forst und in der Sägerei Lernende aus. Die grössten Herausforderungen für die Florinett AG sind einerseits der Holzeinkauf, das heisst die Suche nach geeigneten Stämmen, andererseits auch der weltweite Verkauf. «Dies wegen der Währungsschwankungen, die unsere Produkte für unsere Kunden immer wieder verteuern», stellt der Chef fest. Aber auch die verschiedenen Importbestimmungen in 65 Ländern sind immer wieder Hürden. Ausserdem ist es anspruchsvoll und zeitaufwendig, die Qualität auf jeder Verarbeitungsstufe zu halten. Für die Zukunft haben die Bergüner Holzspezialisten noch einige Projekte in der Schublade.
Corinne Remund
auszeichnung
Stiftung BĂĽndner Kunsthandwerk
Die Stiftung Bündner Kunsthandwerk vergibt jährlich einen Preis: Für das Jahr 2024 geht er an «Tonewood Switzerland». Dabei wird Andrea Florinett und sein Team mit dem mit 10 000 Franken dotierten Preis für sein jahrzehntelanges, grosses und professionelles Engagement für die Produktion von exzellenten Klanghölzern ausgezeichnet. CR
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