Im Rahmen des Spitzentreffens der Berufsbildung zwischen den Sozialpartnern und dem Bundesrat im November 2024 ist für 2025 der Schwerpunkt «Attraktivität der Berufsbildung» festgelegt worden. Eine breit angelegte Konsultation dazu, bei welcher sich auch die Organisationen der Arbeitswelt (OdA) über die Wirtschaftsverbände beteiligen, geht Mitte Juni zu Ende. Die Schweizer Wirtschaftsverbände fordern, dass es vermehrt evidenzbasierte Diskussionen braucht, damit das bewährte Berufsbildungssystem dynamisch und anpassungsfähig bleibt und sich die Berufe dem schnell wandelnden Arbeitsmarkt anpassen können. Auf generelle Regulierungen oder politisch motivierte Weiterentwicklungen des Systems ist im Sinne einer zukunftsorientierten Berufsbildung bewusst zu verzichten.
Über zwei Dutzend Ausbildungs- und Prüfungsbranchen, Organisationen der Arbeit (OdA) und Verbände beteiligten sich an der Standortbestimmung. Entsprechend breit und vielfältig sind die Rückmeldungen. Die Wirtschaftsverbände haben diese gemeinsam mit den OdA konsolidiert, nachfolgend werden einige wenige Aspekte vorgestellt.
Qualität der Bildung
Ziel der Berufsbildung ist die Arbeitsmarktfähigkeit. Der Erwerb von Berufspraxis soll oberste Priorität bleiben. Keinesfalls darf es zu einer Verschulung der betrieblichen Ausbildung kommen – und damit auch nicht zu einer Überführung des «Klassenzimmers» bzw. der «Lehrperson» in den Betrieb. Die OdA fordern, dass sich die Kantone bei der Sicherstellung der einheitlichen Umsetzung, der Bildungsinhalte sowie der Qualitätssicherung (Kontrollen betreffend Lerndokumentation) noch stärker mit ihnen koordinieren. Die Lehrbetriebsaufsicht soll, wenn immer möglich, in Zusammenarbeit mit den Branchen erfolgen.
Berufsbildung – Allgemeinbildung
Besonders schulisch weniger gute Jugendliche profitieren davon, dass sie früh mit der Wirtschaft in Kontakt treten. Die Motivation für einen Erstabschluss und für das Erwerbsleben wird dadurch gestärkt. Entsprechend tief ist die Jugendarbeitslosigkeit. Die soziale Mobilität ist hoch, und die Weiterbildungsmöglichkeiten sind vielfältig.
Integrationsleistung besser anerkennen
Die Berufsbildung ermöglicht insbesondere fremdsprachigen Migrantinnen und Migranten nicht nur einen effizienten Einstieg in die Arbeitswelt, sondern auch eine sprachliche und kulturelle Integration. Bestimmte Branchen erbringen eine enorme Integrationsleistung, weisen aber als Konsequenz daraus überdurchschnittlich hohe Lehrvertragsauflösungen aus. In der Öffentlichkeit werden Berufe mit solch hochintegrativen Leistungen fälschlicherweise als «Problemberufe» bezeichnet. In vielen Fällen sind aber die mangelnde sprachliche oder kulturelle Integration und teilweise die damit verbundene mangelnde Unterstützung durch die Familie grosse Herausforderungen für die Lernenden und auch für die Lehrbetriebe. Gerade bei fremdsprachigen Migrantinnen und Migranten gilt es, die Kompetenzen in der Landessprache bei den Kindern und Jugendlichen (und deren Eltern) vor und während der Volksschulzeit zu fördern.
Umgang mit Lehrvertragsauflösungen
Aussagen zu Lehrvertragsauflösungen sollen branchenspezifische Realitäten berücksichtigen und auch in den Gesamtkontext der Bildungswege gesetzt werden, denn auch ein allgemeinbildender Bildungsweg verläuft nicht immer reibungslos. Im Gegenteil, die Drop-out-Quoten in den Gymnasien und die Studienabbrüche an Hochschulen zeigen vergleichbare Bildungsverläufe. Zudem dürfen Lehrvertragsauflösungen nicht mit Lehrabbrüchen gleichgesetzt werden. Die grosse Mehrheit der Jugendlichen findet rasch eine Anschlusslösung.
Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen
Ein Hauptfokus künftiger Massnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Berufsbildung muss bei den Ausbildungsbetrieben und der Schaffung von neuen Lehrstellen liegen. Dabei ist die Berufsbildung eine Investition in den Berufsnachwuchs und geht mit einer sozialen Verantwortung einher. Dennoch muss das Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Betriebe einigermassen stimmen. Nur dank des Einbezugs der Betriebe in den Berufsentwicklungsprozess kann das sichergestellt werden. Der rasche Wandel des Arbeitsmarkts erfordert eine zeitnahe und effiziente Reformfähigkeit der Berufe.
Dieter Kläy,
Ressortleiter sgv
JÄHRLICHES TREFFEN
Attraktivität derBerufsbildung
Das jährliche Treffen der Berufsbildung zwischen den Kantonen (vertreten durch die EDK), Bund (vertreten durch das SBFI), Gewerkschaften und Arbeitgebern mit dem Bundesrat legt jeweils eines oder mehrere Schwergewichtsthemen fest. 2025 steht die Attraktivität der Berufsbildung im Fokus. Zwar ist das Berufsbildungssystem gut aufgestellt und geniesst nach wie vor einen hohen Stellenwert.
Verschiedene Stimmen aus Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung und Politik weisen jedoch darauf hin, dass die Berufsbildung ihre Attraktivität weiter festigen soll, damit die Unternehmen auch in Zukunft passende Fach- und Führungskräfte rekrutieren können.
Mit dem Projekt soll bis im Herbst 2025 eine Standortbestimmung zur Attraktivität der Berufsbildung vorgenommen, allfälliger Handlungsbedarf aufgezeigt und mögliche Massnahmen sollen festgehalten werden. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv und der Schweizerische Arbeitgeberverband SAV haben seit Januar 2025 ihre Mitgliederorganisationen eng in den Gedankenaustausch eingebunden. Im Anschluss an die im März stattfindende Verbundpartnertagung lancierte das SBFI eine Konsultation zu Themenfeldern und Entwicklungen, die einen wichtigen Einfluss auf die Attraktivität der Berufsbildung haben. Über zwei Dutzend Ausbildungs- und Prüfungsbranchen, Organisationen der Arbeit und Verbände nahmen eine Standortbestimmung vor. Kl