Publiziert am: 04.07.2025

Abwarten oder heute planen?

NETTO NULL FÜR KMU – Gewerbebetriebe müssen nicht allein planen. Branchenverbände und die öffentliche Hand bieten Beratung und Förderprogramme. Professionelle Berater helfen, Investitionen trotz unsicherer Rahmenbedingungen rentabel zu planen. Die Hochschule Luzern unterstützt KMU dabei mit Dienstleistungen und Weiterbildungen.

Die Schweiz hat sich verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden. Für Gewerbebetriebe stellt sich die Frage: Soll man abwarten, bis konkrete Vorgaben kommen, oder bereits heute mit der Planung beginnen?

Frühes Handeln: Pro und Contra

Frühzeitiges Handeln bringt Vorteile: Man vermeidet späteren Zeitdruck, kann Investitionen über mehrere Jahre verteilen und profitiert von aktuellen Förderprogrammen, die nicht ewig bestehen. Ein Handwerksbetrieb etwa kann seine Fahrzeugflotte schrittweise elektrifizieren und dabei Erfahrungen sammeln.

Manche Gewerbebetriebe zögern mit der Umsetzung von Klimaschutzmassnahmen – und das nicht ohne Grund. Konkrete gesetzliche Vorschriften fehlen oft noch. Technologien werden günstiger, Standards können sich ändern. Wer heute investiert, riskiert alsbald veraltete Systeme. Zudem bindet die Umsetzung personelle Ressourcen, die im Tagesgeschäft fehlen. Solange strengere Regulierungen und höhere CO2-Abgaben ausbleiben, ist der wirtschaftliche Druck gering. Die Lösung liegt oft im schrittweisen Vorgehen.

Pragmatischer Mittelweg

Viele Massnahmen sind bereits heute wirtschaftlich sinnvoll: LED-Beleuchtung, bessere Gebäudeisolation sparen sofort Kosten; der Wechsel zu Ökostrom ist günstig möglich – wobei berücksichtigt werden muss, dass nicht alle Ökostromverträge gleich sind und den erhofften Klimabeitrag bewirken.

Besonders interessant sind Massnahmen, die sich doppelt auszahlen: Eine moderne Wärmepumpe senkt nicht nur die CO2-Emissionen, sondern auch die Energiekosten. Allerdings sind die Fragen bei genauerem Hinsehen oft komplexer. Wärmepumpen arbeiten am effizientesten mit tiefen Vorlauftemperaturen – oft braucht es deshalb auch eine bessere Gebäudeisolation. Das kann schnell eine grössere Investition werden, die gut auf den Gebäudelebenszyklus abgestimmt werden will. Ein weiterer Grund für frühzeitiges Planen.

Solarstrom: Eigenverbrauch entscheidet

Bei Solaranlagen ist die Situation besonders komplex geworden. Was man künftig für eingespeisten Strom erhält, ist heute oft unklar – die Vergütungen können sich ändern. Die Strommarktmodellierungen an der Hochschule Luzern zeigen: Werden mehr Solaranlagen gebaut, kann der Wert des Stromes zur Mittagszeit schnell sinken, wenn alle gleichzeitig produzieren. In Deutschland ist dieser Effekt bereits deutlich sichtbar – dort lag der Marktwert von Solarstrom im Mai unter 2 Rappen pro Kilowattstunde. Gleichzeitig werden die Strompreise insgesamt mittelfristig eher steigen als fallen.

Die Lösung: Planung, basierend auf dem Eigenverbrauch. Mit Wärmepumpe oder elektrifizierten Prozessen steigt dieser deutlich. Eine auf Eigenverbrauch dimensionierte Solaranlage rechnet sich meist sicher – unabhängig von künftigen Einspeisevergütungen.

Wo anfangen?

Der erste Schritt ist eine Bestandsaufnahme: Wo entstehen die meisten Emissionen? Meist bei Heizung, Strom und Mobilität. Hier lassen sich oft mit überschaubarem Aufwand Verbesserungen erzielen.

Wichtig ist auch, die Mitarbeitenden einzubeziehen. Sie kennen die Arbeitsabläufe am besten und haben oft praktische Ideen für Verbesserungen. Ein Betrieb, der seine Belegschaft für das Thema sensibilisiert, profitiert von vielen kleinen Optimierungen im Alltag.

Unterstützung nutzen

Gewerbebetriebe müssen nicht allein planen. Branchenverbände und die öffentliche Hand bieten Beratung und Förderprogramme. Professionelle Berater helfen, Investitionen trotz unsicherer Rahmenbedingungen rentabel zu planen. Auch neue Geschäftsmodelle entstehen: Contracting-Firmen übernehmen Finanzierung und Betrieb von Anlagen. Die Stiftung KliK der Treibstoffimporteure ist permanent auf der Suche nach förderbaren Projekten und bezahlt bis über 200 Franken pro Tonne an erzielten Emissionseinsparungen.

Fazit: Schrittweise statt radikal

Eine schrittweise Herangehensweise bietet eine gute Balance zwischen Zukunftssicherheit und wirtschaftlicher Vernunft: Z.B. mit CO2-Bilanzierung, Potenzialanalyse oder der Nutzung erster Fördermöglichkeiten. Die Hochschule Luzern unterstützt KMU dabei mit Dienstleistungen und Weiterbildungen wie dem neuen CAS Regionale Energiewirtschaft und Energieversorgung.

Am Schluss kann es sich rechnen, Netto-Null weniger als eine Bedrohung, sondern als eine Chance zu betrachten – für tiefere Kosten, modernere Technik und zufriedenere Kunden, die zunehmend auf Nachhaltigkeit achten. So wird aus der Pflicht zur Dekarbonisierung eine Chance zur strategischen Weiterentwicklung des Betriebs.

Florian Habermacher und Oliver Woll, HSLU

Florian Habermacher ist Dozent und Projektleiter im Bereich Energie und Nachhaltigkeit an der Hochschule Luzern – Wirtschaft.

Oliver Woll ist Dozent und Leiter einer Forschungsgruppe im Bereich Energiewirtschaft an der Hochschule Luzern – Technik & Architektur.

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