Die Volksinitiative für eine «Familienzeit» schlägt die Einführung eines bezahlten Elternurlaubs von 38 Wochen vor. Finanziert werden soll das – einmal mehr – durch eine Erhöhung der Lohnbeiträge. Das ist unverantwortlich, sind doch diverse weitere Erhöhungen der Lohnbeiträge bereits in Planung, zum Beispiel bei der AHV.
Doch die Initiative stützt sich auf Prognosen, die besagen, dass sich diese Massnahme letztendlich wirtschaftlich auszahlen würde. Diese Versprechungen beruhen allerdings auf zu optimistischen Annahmen, die weitgehend von den Realitäten in der Schweiz losgelöst sind.
Kleine Teams, spezialisierte Funktionen
Die Initianten lassen sich von ausländischen Beispielen inspirieren, insbesondere von den nordischen Ländern.
«eine Ausweitung der Urlaubsdauer könnte in Bezug auf die Erwerbsbeteiligung gar den gegenteiligen Effekt haben.»
Bei diesen Vergleichen werden jedoch wesentliche strukturelle Unterschiede ignoriert. In der Schweiz besteht das Wirtschaftsgefüge zu über 99 Prozent aus KMU, die oft stark von Schlüsselmitarbeitern abhängig sind und nur über einen begrenzten Spielraum für interne Reorganisationen verfügen. Die Schweizer KMU arbeiten mit kleinen Teams, spezialisierten Funktionen und wenig Möglichkeiten für eine zeitweilige Umverteilung der Arbeit. Im Gegensatz zu einigen nordischen Ländern, in denen staatliche Regelungen so konzipiert sind, dass sie Elternabwesenheiten in grossem Umfang begleiten, und in denen die Arbeitsorganisation häufig eine grössere interne Flexibilität aufweist. Die längere Abwesenheit eines Mitarbeiters hat in einem Schweizer KMU unmittelbarere und schwerere organisatorische Folgen.
Aufgrund dieser strukturellen Diskrepanz lassen sich solche Prognosen nur schwer auf die Schweiz übertragen. Es werden Äpfel mit Birnen verglichen. In der Praxis stellt ein allgemeiner, staatlicher Elternurlaub eine grosse Gefahr für das Funktionieren des Geschäftsalltags eines KMU dar.
Entscheidendes wird ausser Acht gelassen
Das von den Initianten vorgebrachte Argument der wirtschaftlichen Rentabilität beruht auf theoretischen Modellrechnungen, die langfristig einen Anstieg der Frauenerwerbsquote und eine Senkung der Sozialkosten prognostizieren. Diese Prognosen lassen jedoch entscheidende Elemente ausser Acht. Insbesondere ignorieren sie weitgehend die indirekten Kosten, die den Unternehmen – in erster Linie den KMU – entstehen. In der Realität bedeutet eine längere Abwesenheit oft eine komplexe interne Reorganisation, eine Überlastung der anderen Mitarbeiter, einen vorübergehenden Rückgang der Produktivität und zusätzliche Kosten für die Personalbeschaffung. Diese schwer zu quantifizierenden, aber sehr realen Auswirkungen fehlen in den Berechnungen, die die Rentabilität der Massnahme belegen sollen. Sie sind umso schwerer zu absorbieren, je kleiner ein Unternehmens ist.
Darüber hinaus sind die erwarteten Gewinne in Bezug auf die Erwerbsbeteiligung sehr ungewiss. Es gibt keine Garantie dafür, dass die Einführung eines staatlich vorgeschriebenen Elternurlaubs konkrete Auswirkungen auf die Erwerbsquote der Frauen in der Schweiz haben wird. Die Inanspruchnahme dieser Art von Urlaub hängt stark von individuellen, kulturellen und beruflichen Faktoren ab, die nicht einfach durch eine Ausweitung der Rechte aktiviert werden können. Die Erfahrungen in mehreren Ländern zeigen, dass eine Ausweitung der Dauer des Elternurlaubs nicht automatisch zu einer dauerhaft höheren Erwerbsbeteiligung führt, sondern sogar den gegenteiligen Effekt haben kann, wenn sie zu längeren Erwerbsunterbrüchen beiträgt. Vor diesem Hintergrund ist die Darstellung dieser Massnahme als eine lohnende Investition für die Wirtschaft eher eine ideologische Wette als ein empirischer Nachweis.
Mannigfaltige Herausforderungen
Die Initiative für einen staatlich verordneten Elternurlaub von 38 Wochen ist weder eine Antwort auf ein erkanntes dringendes Bedürfnis noch auf eine strukturelle Lücke im Schweizer Modell. Sie zielt in erster Linie darauf ab, die Sozialleistungen auszuweiten, und stützt sich dabei auf wenig fundierte wirtschaftliche Argumente. Auch wenn die Versprechungen von Modernität und Gleichheit schön tönen: Das Begehren ist vor allem eine neue Belastung für die produktive Wirtschaft und insbesondere die KMU – ohne die Folgen ernsthaft zu bedenken.
In einer Zeit, in der die Schweizer Unternehmen vor mannigfaltigen Herausforderungen stehen, sollten ideologische Projekte vermieden werden, die als Wirtschaftsreformen getarnt sind. Die KMU brauchen keine einheitliche Ausweitung der sozialen Ansprüche, sondern stabile, berechenbare und an ihre Realität angepasste Rahmenbedingungen.
Simon Schnyder, Ressortleiter sgv