Auf den ersten Blick klingt die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) 2.0 – die Ende Mai eingereicht wurde – sympathisch: Wer will schon gegen Verantwortung, Menschenrechte oder Umweltschutz sein?
«De facto würde die Beweislast umgekehrt.»
Doch die Vorlage ist ein Musterbeispiel dafür, wie gut gemeinte Ideen in der politischen Praxis völlig aus dem Ruder laufen können. Statt die Situation der Menschen im Ausland zu verbessern, würde die KVI vor allem die Schweizer Wirtschaft schwächen – und dies ohne messbaren Nutzen für die vermeintlich Schutzbedürftigen.
Haftung ohne Grenzen
Die Initiative verlangt, dass Schweizer Unternehmen für angebliche Menschenrechts- oder Umweltverstösse im Ausland haften – nicht nur für eigenes Handeln, sondern auch für das Verhalten von Tochtergesellschaften und sogar Zulieferern. Diese Haftung soll selbst dann gelten, wenn die Aktivitäten vor Ort nach dortigem Recht legal waren. De facto würde die Beweislast umgekehrt: Firmen müssten vor Gericht beweisen, dass sie «alles Zumutbare» unternommen haben, um Verstösse zu verhindern.
Kein anderes Land kennt eine derart weit reichende Haftungsregelung. Für Schweizer Unternehmen – insbesondere KMU, die in globale Lieferketten eingebunden sind – würde dies enorme Abklärungs- und Kontrollkosten verursachen. Grosse internationale Konkurrenten blieben von diesen Pflichten verschont. Die Folge: ein gefährlicher Standortnachteil für die Schweiz.
Einladung zu missbräuchlichen Klagen
Die KVI wäre ein gefundenes Fressen für NGOs und Anwaltskanzleien, die medienwirksam Prozesse führen oder auf kostspielige Vergleiche drängen könnten. Solche Verfahren sind teuer, langwierig und schädigen den Ruf der betroffenen Unternehmen oft schon, bevor ein Gericht überhaupt entschieden hat.
Das Bild einer angeblich unkontrollierten Wirtschaft ist schlicht falsch. Schweizer Unternehmen unterstehen heute bereits strengen internationalen Standards, branchenspezifischen Regelwerken und nationalen Gesetzen, nicht zuletzt der inzwischen in Kraft getretene Gegenvorschlag zur vom Volk abgelehnten KVI 1.0. Viele Firmen gehen in Sachen Menschenrechte und Umweltschutz freiwillig weiter, als es das Gesetz verlangt – nicht aus Zwang, sondern aus Überzeugung und Eigeninteresse.
Bessere Wege als nationale Alleingänge
Die Initiative würde nicht zu mehr Fairness führen, sondern diejenigen bestrafen, die sich international engagieren. Statt unnötige Haftungsfallen zu schaffen, braucht es praxisnahe Lösungen: gezielte Projekte vor Ort, Unterstützung nachhaltiger Wertschöpfungsketten und internationale Kooperation.
«Die Verfahren schädigen den Ruf der betroffenen Unternehmen oft schon, bevor ein Gericht überhaupt entschieden hat.»
Wer Arbeitsplätze, Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit in der Schweiz erhalten will, sagt klar NEIN zur Konzernverantwortungsinitiative 2.0. Verantwortung ja – aber mit Augenmass, Praxistauglichkeit und internationaler Abstimmung.
Patrick DĂĽmmler, Ressortleiter sgv