Publiziert am: 15.08.2025

Es liegt in unseren Händen

ZÖLLE – Statt angesichts des «Zoll­hammers» zu jammern, schlägt der Gewerbeverband ein Revita­li­sierungs­programm mit drei Säulen vor: Die Verschlankung des Staates, eine Steigerung der Produktivität und die Diversifizierung des Aussenhandels bringen die Schweiz und ihre Wirt­schaft langfristig wieder auf Kurs.

«Staaten haben keine Freunde, sie haben Interessen»: ein aussenpolitisches Zitat, das meist Charles de Gaulle zugeschrieben wird. Die Schweiz hat in den letzten Wochen im Umgang mit den USA auf die harte Tour erfahren müssen, dass die Beziehungen zwischen Staaten nicht auf Sympathie basieren, sondern auf Interessen und strategischen Überlegungen. Diese werden vom mächtigeren Partner bestimmt. Mehr denn je regiert heute das Gesetz des Dschungels, wie es der amerikanische Autor Robert Kagan bereits 2018 voraussagte.

Von wegen «Sister Republics» ...

Der Anfang April von US-Präsident Donald Trump ausgerufene «Liberation Day» – als der Schweiz erstmals 31 Prozent Zölle angedroht wurden – hat vor allem eines gezeigt: Man hat sich von der Mühsal befreit, rational argumentieren zu müssen. Die 31 Prozent, wie auch die nun in Kraft getretenen 39 Prozent Zoll beim Export von Schweizer Gütern in die USA, entbehren jeglicher Logik. Zölle führen – dies lernt man im ersten Semester eines Wirtschaftsstudiums – zu weniger und nicht mehr Wohlstand. Freunde schafft oder erhält man sich damit erst recht nicht. Vor dem Hintergrund der Systemrivalität zwischen den USA und China erstaunt das Verhalten Washingtons umso mehr.

Viele gaben sich lange der Illusion hin, dass die beiden «Sister Republics» Schweiz und USA schon einen Weg finden würden. Zumindest aktuell scheint dies nicht der Fall zu sein, doch man bleibt im Gespräch. Vielleicht vollführt der amerikanische Präsident ja bald wieder eine seiner berühmten politischen Pirouetten?

Verpasste Chance schon 2006

Eine Pirouette vollführte der Bundesrat im Januar 2006, als er den Antrag des damaligen Schweizer Wirtschaftsministers Joseph Deiss zur Eröffnung offizieller Freihandels-Verhandlungen ablehnte. Dem vorausgegangen waren fünf parlamentarische Vorstösse, die sich gegenüber einem potenziellen Freihandelsabkommen kritisch zeigten. Hauptthema war jeweils der Schutz des Schweizer Agrarsektors vor Importen aus den USA. Man mag sich nicht ausdenken, wie die Situation heute wäre, hätte die Schweiz damals ein Abkommen abgeschlossen. Das Beispiel Mexiko zeigt: Rund die Hälfte aller mexikanischen Exporte in die USA fallen unter das USMCA-Freihandelsabkommen und bleiben damit zollfrei.

sgv schlägt Revitalisierungsprogramm mit drei Säulen vor

Doch lamentieren und der Blick zurück hilft nichts. Beziehungen zu anderen Staaten basieren nicht auf Freundschaft, sondern auf Interessen. Dies die erste Lektion für die Schweiz. Die zweite Lektion sollte nun sein, das Beste aus der bestehenden Situation zu machen. Neben der bereits vielfach genannten Kurzarbeit als Abfederungsmassnahme und deren allfällige Verlängerung auf 24 Monate durch das Parlament benötigt die Schweiz ein Revitalisierungsprogramm: ein Bündel an inländischen Massnahmen, um den Standort Schweiz zu stärken und unsere Unternehmen international wettbewerbsfähiger zu machen. Dies haben wir selbst in der Hand und sind nicht auf die Zustimmung anderer Länder angewiesen.

Vor diesem Hintergrund fordert der Schweizerische Gewerbeverband sgv eine Revitalisierung des Standortes, die sich auf drei Säulen stützt:

Erstens eine Verschlankung des Staates. Dazu gehören die Begrenzung des Staats- und Regulierungswachstums, eine nachhaltige Finanzpolitik, tiefere Steuern und Abgaben sowie eine Stärkung des Föderalismus.

Zweitens muss sich die Schweiz auf die Steigerung der Produktivität fokussieren. Die Arbeitsmarktflexibilität muss dafür erhalten, die Berufsbildung gestärkt, die Regulierungskosten gesenkt, die Gesundheits- und Sozialpolitik tragbar gemacht, die Energie- und Klimapolitik wirkungsvoll sowie die Raumplanung und Mobilität bedarfsgerecht werden.

Drittens muss der Aussenhandel diversifiziert werden. Dies bedingt eine Stärkung der wirtschaftlichen Vernetzung durch weitere und die Aktualisierung bestehender Freihandelsabkommen. Weiterhin sollte sich die Schweiz auch für die Aufrechterhaltung einer regelbasierten, multilateralen Ordnung einsetzen. Und schliesslich soll die Anwendbarkeit der Wirtschaftsabkommen mit anderen Ländern, insbesondere für KMU, vereinfacht werden. Heute wird aufgrund verschiedener Regeln das Zoll-Einsparpotenzial nur unvollständig ausgeschöpft. Eine KI-gestützte Lösung kann hier Abhilfe schaffen. Dafür und auch für alle vorgängig genannten Themen setzt sich der sgv weiterhin und mit Vehemenz ein. Für den Standort Schweiz, für die KMU.

Patrick DĂĽmmler, Ressortleiter sgv

www.sgv-usam.ch/revitalisierung

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