Publiziert am: 15.08.2025

Welches ist der bessere Deal?

AHV UND BVG – Das Dreisäulensystem der Schweiz ist einmalig. AHV und berufliche Vorsorge (BVG) ergänzen sich zusammen mit der steuerlich begünstigten dritten Säule und wirken gesamtwirtschaftlich optimal. Für die Zukunft braucht die Schweiz jedoch mutige Schritte, findet Vorsorgeexperte Werner C. Hug.

Die Renten der AHV wirken solidarisch ausgleichend. So werden mit der 13. Rente (vgl. Seite 3) über 95 Prozent der Rentenempfänger von der Pensionierung bis zum Tod mehr Geld erhalten, als sie je einbezahlt haben. Dies dank der immensen Umverteilung: Hohe Lohneinkommen werden unbeschränkt mit AHV-Beiträgen belastet, während die Maximalrente fixiert ist. Nach 44 Beitragsjahren bekommen die kleinsten Lohneinkommen monatlich 1260 Franken, während die Höchstlohnempfänger im Maximum nur das Doppelte erhalten.

Enorme Umverteilung

Innerhalb der AHV bestehen weitere Umverteilungen zugunsten der Tieflöhner. Wer in seinem aktiven Leben ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 64 000 Franken über die 44 Jahre – monatlich im Schnitt rund 5300 Franken – verdient hat, übertrifft mit seiner lebenslang ausbezahlten und über den Mischindex angepassten Rente deutlich alle seine AHV-Beiträge.

Durchschnittliche Einkommen darüber bis zu 107 000 Franken profitieren am meisten, wenn sie Kinder gehabt haben. Hier wirken die gratis gutgeschriebenen Erziehungs- und Betreuungsgutschriften, die vornehmlich von den hohen Lohnbeiträgen stammen. Frauen profitieren darüber hinaus vom Splitting, da sie bei der Verrentung vom hohen Lohn des Ehemannes kassieren, und bei Verwitwung erhalten sie zu ihrer Witwenrente zusätzliche 20 Prozent Aufbesserung. Diese Rentner gelangen rasch zu einer Maximalrente.

Demgegenüber rentieren für Einkommen über 107 000 Franken die einbezahlten Beiträge an die Pensionskasse deutlich besser, weil hier keine Umverteilung stattfindet. Im Vergleich zwischen AHV und BVG kommt alt Nationalrat Andreas Zeller, AHV-Kassenleiter, zu diesen Zahlen im Detail.

Solidarität in der zweiten Säule

Während die AHV also stark umverteilt, werden in der beruflichen Vorsorge die einbezahlten Gelder der Arbeitnehmenden zusammen mit den Beiträgen des Arbeitgebers in ein individuelles Konto gelegt. Das Kapital aller Versicherten im BVG wird gemeinsam angelegt und erbringt mit Zins und Zinseszins einen dritten Beitrag, der deutlich über jenem der Sozialpartner liegt. Dank der Solidarität zwischen hohen und tiefen Löhnen, die gemeinsam und somit risikoreicher und kostengünstiger angelegt werden, als Individuen dies tun können, profitieren insbesondere die kleinen Einkommen im Verlauf des Lebens von höher angehäuften Altersguthaben. Diese werden mit dem Umwandlungssatz multipliziert, und daraus entsteht eine lebenslang garantierte Rente. Darüber hinaus sind die aktiv Versicherten im BVG gegen Tod und Invalidität versichert. Hier wirken die versicherungsmathematischen Solidaritäten.

Ein komplexes System

Im Umlageverfahren der AHV werden die ausbezahlten Renten direkt aus den AHV-Beiträgen finanziert. Weil das nicht ausreicht, muss der Steuerzahler über Mehrwertsteuer, direkte Steuern sowie die Besteuerung von Alkohol und Tabak mitfinanzieren. Damit werden wiederum die höheren Einkommen höher belastet.

Diese Steuern fliessen über die AHV direkt in den Konsum. Demgegenüber können die Gelder der Pensionskasse am Kapitalmarkt angelegt werden. Sie fliessen so als Investitionen in private Unternehmungen sowie in staatliche Institutionen und Einrichtungen. Damit werden Arbeitsplätze geschaffen, was wiederum Beiträge an die AHV ermöglicht.

Die drei Säulen ergänzen sich

Die steuerlich privilegierte dritte Säule ermöglicht allen Einkommensklassen ein individuelles Sparen auf ein eigenes Konto. Das kann mit einer Versicherung zu Tod und Invalidität verbunden werden oder aufs Sparen fürs Alter beschränkt sein. Auch diese Gelder fliessen über den Kapitalmarkt in die Wirtschaft und sorgen für Wachstum. Beim Bezug gelten wiederum spezielle steuerliche Vorteile.

Damit ergänzen sich die drei Säulen in effizienter Weise. In Deutschland, wo die meisten Altersrenten über den Staat finanziert werden, nimmt aufgrund der länger lebenden Rentner die finanzielle Belastung des Staates immer mehr zu, was zu Verschuldung und höherer Besteuerung führt. Die Bundesregierung überlegt sich deshalb, wie in der Schweiz mehr Gelder über das Kapitaldeckungsverfahren einzuziehen, damit auch sie die laufenden dringenden Investitionen tätigen kann.

An die Realitäten anpassen

Die Schweiz ist somit privilegiert. Deshalb fährt sie gut, wenn die Politik am bewährten Dreisäulensystem festhält. Das heisst konkret: Die in der AHV mit der Überalterung steigenden Ausgaben für Renten müssen finanziell gesichert werden. Das kann nur geschehen, wenn sowohl auf der Leistungs- wie auf der Einnahmenseite Korrekturen vorgenommen werden.

Die 10. AHV-Revision legte den Grundstein zur zivilstandsunabhängigen Rente. Getreu der Gleichberechtigung von Mann und Frau sind alte, spezielle Regelungen zugunsten der Frauen abzubauen. Witwen- und Witwerrenten sind nur noch bei laufender Ausbildung der Kinder und ohne zusätzliche 20 Prozent Leistungen an die Witwen zu gewähren. Ebenso müssen die AHV-Beitragsbefreiung für Ehefrauen, die nicht arbeiten, und das Splitting bei der AHV-Berechnung aufgehoben werden.

Im Hinblick darauf, dass in Zukunft die Arbeitnehmenden länger arbeiten sollten, darf die vorzeitige Pensionierung nicht bevorteilt werden. Im Gegenteil: Wer länger arbeitet, soll auch weniger stark belastet werden. Wer schon vor dem 20. Altersjahr in den Arbeitsprozess eingestiegen ist und AHV-Beiträge bezahlt hat, soll mit 44 Beitragsjahren schon vor 65 Jahren die AHV beziehen können.

Auf der Einnahmenseite muss zur Finanzierung der sich anbahnenden Defizite neben den Steuereinnahmen unbedingt auch die Lebensarbeitszeit angepasst werden. Wer schon als 16‑Jähriger AHV-Beiträge bezahlt, soll davon auch profitieren können. Wer bis 25 Jahre von staatlich finanzierter Ausbildung profitiert, soll dementsprechend auch länger Beiträge bezahlen. Somit ist das Rentenalter an die Beitragsjahre anzupassen. Die für die Akademiker damit verbundene Anhebung des Rentenalters führt dazu, dass zum einen länger Beiträge einbezahlt und weniger lang Renten ausbezahlt werden müssen.

Im BVG führt die tendenzielle Verlängerung der Lebensarbeitszeit für einen wahrscheinlich grösseren Teil der Erwerbstätigen zu höheren Altersguthaben – und damit zu grösseren Renten. Mit der Neuregelung der Witwenrenten wird auch das BVG entlastet, und damit werden die Solidaritäten zwischen Verheirateten und Ledigen erleichtert.

Grundsätzliche strukturelle Reform

Mit der bevorstehenden Finanzierung der 13. AHV-Rente und der Forderung der Mitte, die Heiratsstrafe in der AHV zu beseitigen, muss daher eine grundsätzliche strukturelle Revision in der AHV und damit verbunden im BVG erfolgen. Ein etappenweises Vorgehen in der AHV alleine bringt keine Lösungen, die längerfristig tragbar sind. Mit der Einführung der zivilstandsunabhängigen Rente müssen sowohl AHV als auch BVG den neuen Arbeitsmarktverhältnissen angepasst werden. Dies muss sowohl auf der Leistungs- wie der Finanzierungsseite geschehen.

Als 1948 die AHV und 1972 das Dreisäulenkonzept konzipiert und vom Volk angenommen wurden, hatten Regierung und Parlament noch kühne Vorstellungen von der Gestaltung der Zukunft des Landes. Machen wir auch heute einen mutigen Schritt in die Zukunft zur Sicherung der Altersvorsorge.

Werner C. Hug

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