Publiziert am: 05.09.2025

Alles kein Problem? Von wegen ...

AHV-FINANZIERUNG – Die jüngste Korrektur der Aussichten für die AHV birgt die Gefahr von Selbstgefälligkeit und verleitet dazu, grundlegende Entscheidungen weiter hinauszögern. Zu glauben, dass «alles in Ordnung ist», weil das Basisszenario heute günstiger erscheint, bedeutet, die AHV auf Sicht zu steuern und darauf zu setzen, dass die Konjunktur auf ewig günstig bleibt.

Am 20. August veröffentlichte das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) seine neuen Finanzprognosen für die AHV. Auf den ersten Blick zeichnen sie ein günstigeres Bild als erwartet. Während noch vor kurzem eine rasche Verschlechterung befürchtet wurde, würde der AHV-Fonds laut Referenzszenario im Jahr 2030 über ein Kapital von fast 56 Milliarden Franken verfügen, was immer noch 89 Prozent der Ausgaben eines ganzen Jahres entspricht. Der Zeitpunkt der Erschöpfung des Fonds scheint hinausgeschoben, wenn eine Zusatzfinanzierung für die 13. AHV-Rente beschlossen wird. Einige kommen zum Schluss, dass die AHV keine Strukturreform mehr benötigt.

Alterung bleibt eine Realität

Diese Interpretation ist irreführend. Die demografische Realität hat sich nicht geändert: Die Alterung der Bevölkerung bleibt eine Gewissheit. Gemäss den Prognosen des BSV werden die Ausgaben der AHV von 53 Milliarden Franken im Jahr 2025 auf fast 75 Milliarden Franken im Jahr 2040 steigen. Die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Beitragszahlern und Leistungsempfängern ist unaufhaltsam und belastet das System automatisch. Dieser grundlegende Trend bestimmt die Belastungen, und er hat sich durch die Überarbeitung der Zahlen keineswegs geändert.

Nur scheinbares Gleichgewicht

Die Aussichten erscheinen weniger alarmierend, weil sie auf günstigen wirtschaftlichen Annahmen beruhen: stabiles Wachstum, dynamische Beschäftigung, solide Finanzerträge. Zwar stellt das BSV diese Prognosen als unsicher dar, eine Feststellung, die in der Natur jeder Vorhersage liegt. Es ist jedoch anzumerken, dass diese Unsicherheit auf der Einnahmenseite, die stark von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängt, viel grösser ist, während die Ausgaben einen stabilen und steigenden Trend aufweisen. Im Basisszenario, das auf weniger optimistischen Annahmen basiert, halbiert sich der AHV-Fonds bis 2033 praktisch und deckt 2040 nur noch ein Drittel der Ausgaben. Mit anderen Worten: Es reicht schon eine Konjunkturabschwächung, damit sich das scheinbare Gleichgewicht in ein massives Defizit verwandelt.

IV-Finanzen bleiben fragil

Es sei auch daran erinnert, dass der AHV-Fonds bereits um rund 10 Milliarden Franken gekürzt wurde, was dem Darlehen an die Invalidenversicherung (IV) entspricht.

«Die demografische Realität hat sich nicht geändert: Die Alterung der Bevölkerung bleibt eine Gewissheit.»

Dieser Betrag wird jedoch angesichts der sehr besorgniserregenden Entwicklung dieser anderen Sozialversicherung nicht so schnell zurückgezahlt werden können. Das BSV hat dies in seinen jüngsten Prognosen bestätigt: Die Finanzen der IV bleiben fragil und gefährden die Rückzahlungsfähigkeit auf kurze bis mittlere Sicht. Somit ist die tatsächliche Lage der AHV noch weniger solide, als die Prognosen vermuten lassen.

Bloss keine Selbstgefälligkeit

Diese Korrektur der Aussichten birgt daher eine politische Gefahr: Sie könnte zu Selbstgefälligkeit verleiten und grundlegende Entscheidungen weiter hinauszögern. Zu glauben, dass «alles in Ordnung ist», weil das Basisszenario heute günstiger erscheint, bedeutet, die AHV auf Sicht zu steuern und darauf zu setzen, dass die Konjunktur auf ewig günstig bleibt. Jeglicher wirtschaftlicher Abschwung wird zu einem Rückgang der Einnahmen führen, während die Ausgaben weiter unaufhaltsam steigen werden.

Simon Schnyder, Ressortleiter sgv

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