Publiziert am: 19.09.2025

Jetzt bloss keine Überreaktion

PFAS – Die sogenannten «Ewigkeitschemikalien» stehen im Fokus. Es drohen strengere Grenzwerte, Deklarationspflichten oder Verbote. Während die Umweltrisiken noch unklar sind, führt eine überzogene Regulierung zu einer klaren Belastung für die Wirtschaft.

Es war zu erwarten: Nach der medialen Welle und öffentlichen Entrüstung über gemessene PFAS-Werte (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) folgt nun die Flut an parlamentarischen Vorstössen. Der Nationalrat musste dazu gar eine ausserordentliche Session abhalten, um wenigstens acht der Geschäfte mit PFAS-Bezug zu beraten.

PFAS zeichnen sich u. a. durch eine langlebige, hohe Wasser- und Fettabweisung aus. Diese Eigenschaft machen sich von Outdoor-Kleidung bis hin zu Feuerlöschschäumen viele Produkte zunutze. Doch der Vorteil der Langlebigkeit kehrt sich bei der Entsorgung in einen Nachteil um: Viele PFAS «verschwinden» nicht einfach, sondern sie reichern sich an.

Zahlreiche Vorstösse mit unterschiedlichen Zielen

Die eingereichten parlamentarischen Vorstösse haben verschiedene Ziele: Angefangen bei der Forderung nach einer Deklarationspflicht über eine Abgabe auf sämtliche PFAS-Arten hin zur Verpflichtung für einzelne Branchen, Absenkpfade für den Einsatz von PFAS zu definieren. Andere Vorstösse gehen noch weiter: Sie wollen eine Beschränkung der Einfuhr, Herstellung, Verarbeitung und Verwendung von PFAS oder fordern präventiv eine rasche und unbürokratische Unterstützung der Landwirtschaftsbetriebe, die gegebenenfalls von einer PFAS-Belastung betroffen sind.

Die Schattenseiten ĂĽberzogener PFAS-Regulierung

Den Vorstössen gemeinsam ist, PFAS stärker zu reglementieren. Doch mehrere Gründe sprechen gegen eine überzogene PFAS-Regulierung: Erstens explodieren bei einem zu tiefen, wissenschaftlich nicht breit abgestützten Grenzwert unnötigerweise die Sanierungskosten. Eine wissenschaftliche Risikobewertung und Priorisierung ist notwendig. Zweitens betreffen einige der vorgeschlagenen Massnahmen direkt Betriebe, die Fleisch oder Milchprodukte erzeugen. Wenn Grenzwerte zu tief angesetzt werden oder sinnvolle Übergangsfristen fehlen, entstehen existenzielle Risiken – besonders bei kleineren Landwirtschaftsbetrieben.

Drittens sind PFAS eine chemische Gruppe von Tausenden Substanzen. Für viele sind Toxizität, Mobilität, Bioakkumulation und Gesundheitsfolgen noch unklar. Grenzwerte für einzelne Substanzen oder für Summenwerte basieren heute oft auf konservativen Annahmen. Kommt hinzu, dass Umsetzung und Kontrolle komplex wären: Wie misst man zuverlässig und reproduzierbar eine Summe von PFAS? Wenn die Politik aber schon jetzt Regulierungsschritte verlangt, bevor erhärtete wissenschaftliche Evidenz vorliegt (z. B. zu Ersatzstoffen, deren Risiken und Lebensdauer), kann das Innovationen behindern und zu hohen Folgekosten führen.

Viertens besteht bei einem international nicht koordinierten Vorgehen die Gefahr von Verlagerung statt Lösung: Strengere Vorschriften in der Schweiz könnten dazu führen, dass Hersteller PFAS-haltiger Produkte ihre Produktion in Länder mit weniger strengen Auflagen verlagern. Damit würde die PFAS-Emission global nicht reduziert – sondern nur verschoben.

Regulierung mit Augenmass

PFAS sind ein echtes Problem und verdienen Aufmerksamkeit. Dennoch muss sorgfältig abgewogen werden: Wie hoch sind die Risiken? Wie praktikabel sind Ersatzstoffe? Wer trägt die Kosten – und wie werden sie verteilt? Nicht jede schärfere Regel ist per se gut – Regulierung muss mit Augenmass erfolgen.

Patrick DĂĽmmler, Ressortleiter sgv

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