Publiziert am: 05.09.2025

Sich auf die eigenen Stärken rückbesinnen

Steuern – Die Schweiz sollte aufhören, in Steuerfragen die Musterschülerin zu spielen – zum Beispiel bei der OECD-Mindeststeuer. Wie lange wollen wir noch Regeln befolgen, die uns schaden?

Die Mindeststeuer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist, auf einen kurzen Nenner gebracht, eine Steuer gegen den Steuerwettbewerb. Im Oktober 2021 einigten sich 136 Länder der OECD auf einen Mindeststeuersatz von 15 Prozent für multinationale Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro.

Das Ziel dieser Zwangsmassnahme bestand darin, mehr Steuern eintreiben zu können und die Verlagerung von Gewinnen in Steueroasen zu bekämpfen. Doch wie funktioniert diese Steuer gegen den Steuerwettbewerb?

KMU nicht betroffen

Um weltweit eine Erhöhung auf 15 Prozent durchzusetzen, verfügt die OECD über drei Hebel. Erstens: über den effektiven Steuersatz. Er misst das tatsächliche Steuerniveau eines Unternehmens in einem Land, welches neu 15 Prozent betragen soll. Ist die Vorgabe nicht erfüllt, wird eine zusätzliche nationale Ergänzungssteuer erhoben. Den zweiten Hebel stellt die sogenannte internationale Ergänzungssteuer dar. Diese gilt für ausländische Geschäftseinheiten einer Unternehmensgruppe bei der obersten Muttergesellschaft (oder einer Zwischenholding), wenn die Geschäftseinheiten in anderen Staaten keiner Mindestbesteuerung unterworfen sind. Und schliesslich – drittens – räumt eine Regel anderen Staaten das Recht ein, Tochtergesellschaften für Gewinne zu besteuern, falls das nicht durch die ersten beiden Mechanismen bereits abgedeckt ist. Diese drei Massnahmen haben nur ein Ziel: Sie sollen sicherstellen, dass sich kein multinationales Unternehmen einer zwischen den Ländern gleichwertigen Besteuerungsregel entziehen kann.

Die Schweiz entschloss sich, trotz ihrer relativ guten steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit, die OECD-Mindeststeuer ebenfalls zu übernehmen.

«Image ist nicht alles – zumal wenn unser Wohlstand auf dem Spiel steht.»

Dies, um einen guten Eindruck zu hinterlassen und keinen Vergeltungsmassnahmen von steuerlich weniger disziplinierten Staaten ausgesetzt zu sein. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv, der sich aus Prinzip gegen jede neue Steuer ausspricht, hatte keine Einwände gegen die Einführung der Mindeststeuer. Denn die KMU waren in der Praxis aufgrund der sehr hohen Umsatzschwelle von 750 Millionen Euro nicht betroffen. Klar war und ist aber auch: Ohne Grossunternehmen gibt es keine KMU-Wirtschaft. Das eine bedingt das andere.

Grossmächte scheren aus

Vier Jahre sind nun vergangen, und man muss feststellen, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz massiv verschlechtert hat. Der Regulierungswahn – sowohl landesintern als auch von aussen – nimmt ständig zu. Die Vereinigten Staaten haben der Schweiz schädliche und sehr willkürlich hohe Zölle aufgebrummt, um das Handelsdefizit gegenüber unserem Land auszugleichen. Eine Annäherung an die EU birgt wiederum die Gefahr einer markanten Erhöhung der Regulierungskosten für unsere KMU.

Mittlerweile wollen Länder wie die USA, China und Indien die OECD-Mindeststeuer nicht mehr anwenden. Das System, das eigentlich die Besteuerung harmonisieren sollte, schwächt nun also vor allem diejenigen, die sich daran halten. Die Schweiz hat das Spiel zu einem grossen Teil mitgespielt – wenn auch ohne internationale Ergänzungssteuer. Weil die Grossmächte sich nun nicht mehr daran halten, verliert die Schweiz einen wichtigen Trumpf, ohne etwas dafür zu bekommen.

Es stellt sich darum die Frage: Wie lange wollen wir noch Regeln befolgen, die uns schaden? Statt dass sich die Schweiz weiterhin einem für sie ungünstigen Regelwerk beugt, wäre sie gut beraten, zu dem zurückzukehren, was seit jeher ihre Stärke ist: ihr einzigartiges Gleichgewicht zwischen Innovation, Stabilität und Attraktivität. Und das alles in einem klar liberalen und souveränen Rahmen. Denn Image ist nicht alles – zumal wenn unser Wohlstand auf dem Spiel steht.

Mikael Huber, Ressortleiter sgv

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