Die Schweiz verfügt mittlerweile über eines der dichtesten Netze an Freihandelsabkommen weltweit. Neben den zentralen Abkommen mit der EU und China bestehen über die EFTA mehr als 30 weitere Verträge mit Partnern von Kanada über Indien bis Südkorea. Für die exportorientierte Wirtschaft unseres Landes sind sie von grosser Bedeutung: Sie erleichtern den Marktzugang, senken Zölle und schaffen mehr Rechtssicherheit.
«Es braucht praxisnahe Unterstützung und innovative Lösungen.»
Doch eine entscheidende Frage bleibt: Wie können auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) konkret profitieren? Denn anders als Grossunternehmen verfügen KMU in der Regel nicht über spezialisierte Exportabteilungen, die sich durch seitenlange Vertragswerke arbeiten können.
In vielen Freihandelsabkommen gibt es deshalb inzwischen spezielle Kapitel, die explizit auf die Bedürfnisse von KMU eingehen. Diese sollen den Zugang zu Informationen erleichtern, Transparenz schaffen und die Zusammenarbeit zwischen Behörden und Unternehmen fördern. Auf dem Papier ist das ein Fortschritt – in der Praxis bleibt es für viele KMU dennoch eine Herausforderung, die relevanten Bestimmungen zu finden und korrekt umzusetzen.
Informationsflut statt Klarheit
Wer sich informieren will, stösst schnell an Grenzen. Auf der Website der EFTA sind sämtliche Abkommen abrufbar, doch die Dokumente sind umfangreich und in juristischer Sprache verfasst. Switzerland Global Enterprise (S‑GE) bietet ergänzend Beratung, Marktanalysen und Exporthilfen an. Diese Dienstleistungen sind wertvoll, doch auch sie setzen voraus, dass ein KMU zuallererst einmal rasch und unkompliziert erkennt, welche Chancen ein Abkommen für die eigenen Produkte konkret mit sich bringt.
So entsteht ein Dilemma: Die Abkommen sind da, die Chancen liegen auf dem Tisch – aber die Zugänglichkeit bleibt für viele kleine Betriebe eingeschränkt. Ob es um Zollpräferenzen, Ursprungsregeln oder administrative Verfahren geht: Häufig wissen KMU schlicht nicht, welche Vorteile sie geltend machen könnten.
KI-basierte Technologie als Chance
Hier könnte die Digitalisierung eine entscheidende Rolle spielen. Denkbar wäre ein KI-basiertes Tool oder eine zentrale Website, die auf Knopfdruck aufzeigt, welche Regelungen für ein bestimmtes Produkt oder eine Branche gelten. Statt seitenlange Verträge durchzuarbeiten, bekäme ein KMU sofort eine verständliche Übersicht über mögliche Zollvorteile, Ursprungsanforderungen und die notwendigen Formulare.
Der Schweizerische Gewerbe-verband sgv setzt sich dafür ein, dass KMU besseren Zugang zu verständlichen Informationen über Freihandelsabkommen erhalten. Denn nur wenn die Abkommen auch praktisch genutzt werden können, ent-falten sie ihre volle Wirkung. Für KMU geht es dabei nicht um Theorie, sondern um konkrete Wettbewerbsvorteile: tiefere Kosten, verlässlichere Planung und neue Märkte. Damit Freihandelsabkommen nicht nur den Grosskonzernen, sondern auch den KMU zugutekommen, braucht es praxisnahe Unterstützung und innovative Lösungen. Ein digitales Werkzeug könnte hier zum Gamechanger werden.
dp