
Arbeit muss sich lohnen
ARBEITEN NACH 65 – Eine nachhaltige Reform der AHV muss eine schrittweise Anhebung des Referenzalters mit starken steuerlichen und sozialen Anreizen verbinden. Nur so lassen sich «Alte» im Arbeitsprozess halten.
INKLUSION – Die Inklusions-Initiative und ein indirekter Gegenvorschlag wollen die Rechte von Menschen mit Behinderungen stärken. Der Bundesrat schlägt mit der Teilrevision des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) zudem viele neue konkrete Massnahmen vor, welche bei den KMU hohe Kosten verursachen würden – jedoch ohne Nutzen für die Inklusion. Im Gegenteil.
Im September 2024 hat das Initiativkomitee «Für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen» die Inklusions-Initiative eingereicht, welche darauf abzielt, neue Grundrechte in der Verfassung zu verankern. Konkret sieht die Initiative vor, dass Menschen mit Behinderungen ein individuelles Recht auf Unterstützungs- und Anpassungsmassnahmen in allen Lebensbereichen sowie auf die freie Wahl ihrer Wohnform und ihres Wohnortes haben. Auch wenn der eingereichte Text nicht ausdrücklich auf die Arbeitsverhältnisse eingeht, würde das Anliegen dem Bund und den Kantonen ein erweitertes Verfassungsmandat geben, das zu neuen Verpflichtungen für Arbeitgeber führen könnte.
Der Bundesrat hielt die Initiative für übertrieben und entschied sich für einen indirekten Gegenvorschlag. Dieser ist bis zum 16. Oktober 2025 in der Vernehmlassung und sieht ein neues Bundesrahmengesetz zur Inklusion vor, mit Schwerpunkt auf dem Wohnungswesen sowie einer Teilrevision des Invalidenversicherungsgesetzes. Auf den ersten Blick scheint der Gegenvorschlag weniger radikal zu sein als die Initiative. Tatsächlich reiht er sich jedoch in eine Dynamik ein, die die Anforderungen an Unternehmen schrittweise erhöht.
Das zeigt insbesondere die Teilrevision des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG). Der Bundesrat hat Ende 2024 die entsprechende Botschaft dazu verabschiedet und diese Teilrevision soll den indirekten Gegenvorschlag zur Initiative ergänzen. Der Entwurf der Botschaft wird derzeit in der parlamentarischen Kommission geprüft. Die möglichen Folgen dieser Revision sind absehbar: Ausweitung des Geltungsbereichs des Gesetzes auf private Arbeitgeber, Verpflichtung zu «angemessenen Vorkehrungen» im Arbeitsverhältnis, erhöhtes Risiko von Rechtsstreitigkeiten und Entschädigungszahlungen. Wenn diese Massnahmen umfassend umgesetzt würden, hätte das unverhältnismässige administrative und finanzielle Belastungen für die KMU zur Folge und würde dauerhaft Rechtsunsicherheit schaffen.
Für KMU bedeutet jede neue und verschärfte Vorschrift zusätzliche direkte oder indirekte Kosten. Die erforderlichen technischen oder organisatorischen Anpassungen können schnell zu einer erheblichen Belastung werden – insbesondere für kleine Unternehmen.
«Die KMU gehen bereits mit gutem Beispiel voran.»
Diese verfügen nicht über eine Rechts- oder Personalabteilung, um die komplexen Verfahren bewältigen zu können. Was die Arbeitsverhältnisse betrifft, so wären von den neuen Regeln alle Unternehmen – unabhängig von ihrer Grösse – betroffen. Das heisst: Selbst die kleinsten Unternehmen müssten auf Anfrage die Ablehnung einer Einstellung begründen, Anpassungen in Betracht ziehen und sich auf mögliche Verfahren vor-bereiten. Eine zusätzliche Belastung stellen mögliche bauliche Massnahmen an genehmigungspflichtigen Gebäuden dar, welche greifen, wenn ein KMU die Schwelle von 25 Arbeitsplätzen überschreitet. Die Teilrevision bremst somit das Wachstum: Ein KMU, das expandieren oder seine Räumlichkeiten verlegen möchte, weiss, dass es bei Überschreiten dieser Grenze mit zusätzlichen kostspieligen Verpflichtungen konfrontiert wird. Solche Regeln sind der wirtschaftlichen Entwicklung stark abträglich.
Das Paradoxon ist dabei offensichtlich: Unter dem Vorwand, die Inklusion zu stärken, wird das Gegenteil erreicht. Je mehr die rechtlichen Auflagen und finanziellen Risiken zunehmen, desto mehr zögern Unternehmen, Menschen mit Behinderungen einzustellen. Eine solche Entwicklung gefährdet die unternehmerische Freiheit, die die Voraussetzung für Wohlstand und Beschäftigung bildet.
Die Politik ist sich der Komplexität des Themas bewusst. Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats (WBK‑N) hat daher beschlossen, die Grundsatzdebatte über die Revision des BehiG auf das erste Halbjahr 2026 zu verschieben. Dieser Entscheid verdeutlicht, wie schwierig es ist, die Initiative, den Gegenvorschlag und die bereits laufenden Gesetzesrevisionen unter einen Hut zu bringen. Es unterstreicht zudem, wie dringend es ist, dass sich die Wirtschaft zu Wort meldet: Jetzt müssen die Folgen und Risiken für die KMU aufgezeigt werden, bevor der politische Prozess erstarrt und es zu spät ist.
Es sei deshalb daran erinnert: Die KMU brauchen diese Reform nicht. Tatsächlich gehen sie bereits mit gutem Beispiel voran. Dank ihrer Nähe zu ihren Mitarbeitern und ihrer Flexibilität beschäftigen sie proportional mehr Menschen mit Behinderungen als Grossunternehmen. Ihr Engagement ist echt und wirksam. Die Schweizer Wirtschaft muss sich frei entfalten können, ohne durch Vorschriften gelähmt zu werden, die jede Entscheidung zu einem rechtlichen Risiko machen.
Simon Schnyder, Ressortleiter sgv
KMU sind angewiesen auf eine zuverlässige und zukunftsfähige Verkehrsinfrastruktur
sgv begrüsst Verlängerung der Kurzarbeitsentschädigung auf 24 Monate
Falsches Signal zur falschen Zeit: KMU wehren sich gegen die zerstörerische JUSO-Initiative
Ja zur E-ID: Entscheidender Schritt für die Digitalisierung der KMU-Wirtschaft
Ja zur Abschaffung des Eigenmietwerts: Ein Sieg für Eigentümer und die Schweizer Wirtschaft
Es braucht eine Regulierungskostenbremse für KMU und eine unabhängige Prüfstelle