Publiziert am: 03.10.2025

«Gigantische Flurschäden»

MARCO SIEBER – «Die Juso-Initiative gefährdet unsere gesamte KMU-Land­schaft», sagt der Mitinhaber der Siga AG, die in der Schweiz rund 300 Mit­arbeitende beschäftigt. Auch die Exis­tenz seines Familien­unter­nehmens wäre in der heutigen Form infrage gestellt: «Unser gesamtes Kapital ist in der Firma gebunden.»

Schweizerische Gewerbezeitung: Herr Sieber, Sie sind Mitinhaber der Siga AG und warnen vor der Juso-Initiative, welche am 30. November an die Urne kommt. Weshalb?

Marco Sieber: Die Initiative gefährdet unsere gesamte KMU-Landschaft und würde zum Ausverkauf vieler heimischer Familienunternehmen führen. Über Generationen aufgebaute Firmen müssten an ausländische Konzerne verkauft werden. Arbeitsplätze gingen verloren und Steuerausfälle in Milliardenhöhe wären die Folgen. Das alles ginge zulasten des Mittelstands und der KMU und würde gigantische Flurschäden anrichten.

Die Jungsozialisten fordern bei einem Vermögen von über 50 Millionen Franken eine Erbschaftssteuer von 50 Prozent. Wie ist die Siga AG davon betroffen?

Mein Bruder Reto und ich haben unser Familien-KMU vor mehr als 40 Jahren von unseren Eltern übernommen. Damals hatten wir knapp 20 Mitarbeiter. In den letzten Jahrzehnten haben wir uns zu einem global wachsenden Technologieunternehmen entwickelt. Heute beschäftigen wir weltweit etwa 650 Mitarbeiter, davon rund 300 in der Schweiz.

Mittlerweile sind einige unserer Kinder im Unternehmen involviert. Bei einem Übertrag des Aktienkapitals an unsere Kinder würde diese Erbschaftssteuer fällig. Dies würde die Existenz in der heutigen Form gefährden.

Inwiefern?

Unser gesamtes Kapital ist in der Firma gebunden. Die Vermögenswerte sind also auf dem Papier da, aber es sind – wie bei vielen anderen betroffenen Firmen – keine flüssigen Mittel. Wir können dieses Geld für die Erbschaftssteuer nicht auf die Schnelle auftreiben. Die Folge wäre wohl ein Verkauf. Eine solche Übernahme könnten sich vor allem internationale Konzerne leisten. Darin wäre unser Familienunternehmen nur noch eine Nummer unter vielen.

Und was macht ein grosser Konzern bei einem Kauf als Erstes? Er prüft Kostenstrukturen und interne Synergien. Er kommt dann höchstwahrscheinlich zum Schluss, dass er beispielsweise in Polen billiger produzieren könnte. Die Folgen wiederhole ich nochmals: In der Schweiz verlieren Mütter und Väter ihre Arbeitsstelle, und es kommt zu grossen Steuerausfällen.

Und den Jungsozialisten möchte ich noch sagen: Wir KMU-Besitzer verbringen unsere Zeit nicht im Cüpli-Casino, sondern meist in der Firma.

Könnten Sie die Steuer nicht wie von den Jusos vorgeschlagen mit einem Kredit bezahlen?

Das ist Unsinn. Erstens müsste zuerst ein Kreditgeber gefunden werden, was sehr schwierig sein dürfte. Denn für den geliehenen Kredit erhielte der Kreditgeber keinen Gegenwert. Er würde Geld leihen, das sogleich verkonsumiert würde – und zwar indem es sofort eins zu eins an die Steuerbehörde abgeliefert werden müsste. Wie gesagt: ohne jeden Gegenwert.

Die Unternehmen wiederum würden durch solche Kredite massiv geschädigt. Die Firmen müssten sich verschulden. Ihre Kreditwürdigkeit nähme massiv ab, was eine Kreditaufnahme bei anderer Gelegenheit verunmöglicht, zum Beispiel für den Bau einer neuen Anlage oder die Entwicklung eines innovativen Produkts. Diese Schulden würden die Bilanzen und Erfolgsrechnungen der Betriebe über Jahre negativ beeinflussen. Das bedeutet in der Konsequenz, dass viele Jahre keine Unternehmenssteuern mehr bezahlt würden.

Zudem fällt diese Erbschaftssteuer bei jedem Erbgang an. Die zerstörerische Juso-Initiative würde dann so lange ihre Wirkung entfalten, bis es in der Schweiz keine Familienunternehmen mit einem Wert von über 50 Millionen Franken mehr gäbe.

50 Millionen Franken: Das ist für eine Privatperson sehr viel Geld. Doch wie sieht es mit Blick auf die Unternehmen aus?

Für eine normale Privatperson sind 50 Millionen Franken sehr viel Geld. Doch diese Dimension kann nicht einfach auf eine Firma übertragen werden. Ich gebe ein Beispiel: Ein kapitalintensives Holzbau-KMU mit rund 150 Mitarbeitern kann schnell einmal einen Wert von sagen wir etwa 80 Millionen Franken aufweisen. Darin enthalten sind Gebäude – vielleicht mehrere –, der Fuhr- und Maschinenpark und beispielsweise Baulandreserven, wenn die Firma in Zukunft einmal ausbauen will.

Beim Erbgang müssten in diesem Fall diejenigen 30 Millionen Franken versteuert werden, welche die 50‑Millionen-Marke überschreiten. Mit dem angedachten Steuersatz von 50 Prozent würde eine Steuerschuld von 15 Millionen Franken resultieren. Dieses Familien-KMU müsste also rund einen Fünftel des Werts der Firma versteuern – mit Geld, das nicht auf dem Bankkonto der Inhaber liegt, sondern im Unternehmen gebunden ist. Das ist schlicht unmöglich.

Noch etwas: Unternehmen können ihre Produktionsanlagen und Maschinen nicht einfach verkaufen, um diese Schuld zu begleichen. Sie sind vielfach individuell auf die entsprechende Firma zugeschnitten.

Sie haben eingangs von einem gigantischen Flurschaden gesprochen. Was meinten Sie damit?

Wenn Familienunternehmen in der Schweiz grossflächig verschwinden, dann leiden alle Zulieferer und Abnehmer – vom Dachdecker über den Holzbauer bis zum lokalen Bäcker.

«Wir können dieses Geld für die Erbschaftssteuer nicht auf die Schnelle auftreiben.»

Die massiven Steuerausfälle würde die Politik wohl kompensieren wollen. Das heisst: mehr Steuern für den Mittelstand und die verbleibenden Unternehmen und KMU. Den Regionen und Gemeinden würde ebenfalls wichtiges Geld fehlen. Gerade KMU sind oft Investoren von Immobilien in ihren Gemeinden.

Der von den Jungsozialisten geforderte Gesamtumbau der Wirtschaft würde zu deutlich mehr Regulierungen für die KMU führen. Dies in einer Zeit, in der insbesondere die Exportindustrie und die zuliefernden KMU schon länger mit dem starken Schweizer Franken und nun mit den hohen US-Zöllen kämpfen. Wir bei der Siga AG haben einen Exportanteil von 80 Prozent und spüren das stark. Die wirtschaftlichen Herausforderungen sind derzeit sehr gross.

Schliesslich würde die Juso-Initiative das Unternehmertum vollständig ausbremsen. Wieso sollte jemand noch eine Firma aufbauen und vorantreiben wollen, wenn bei Erfolg deren Zerstörung via Erbgang droht? Kein vernünftiger Mensch – und die meisten Unternehmer sind das – wird so etwas tun.

Die Einnahmen aus der Juso-Initiative sollen dem Klimaschutz zugutekommen. Was sagen Sie dazu?

Das ist absurd. Unser Unternehmen entwickelt spezielle Klebstoffe, Klebebänder und Membranen für die Gebäudehülle, welche dafür sorgen, dass Gebäude möglichst dicht sind und möglichst wenig Energie verlieren. Wir sind in unseren Sektoren Marktführer. Wir beliefern beispielsweise Dachdecker, Schreiner sowie Fenster- und Holzbauer, welche tagtäglich dafür sorgen, dass Gebäude gegen Energieverlust abgedichtet sind und die CO2-Emmissionen reduziert werden.

Das extreme Juso-Anliegen zerstört diesen ganzen Kreislauf. Das hat rein gar nichts mit Nachhaltigkeit oder Klimaschutz zu tun. Im Gegenteil.

Zudem haben wir Unternehmer von uns aus ein grosses Interesse, nachhaltig zu arbeiten und zum Beispiel keine Energie zu verschwenden – nur schon aus Kostengründen.

Was hoffen Sie mit Blick auf den Urnengang Ende November?

Ich hoffe auf ein wuchtiges Nein. Eine Annahme der existenzzerstörenden Juso-Initiative wäre eine Katastrophe. Falls doch, dürfte das übrigens wohl erst der Anfang gewesen sein. Gut möglich, dass dann bald eine nächste Initiative kommt, die bereits Erbschaften über 10 Millionen Franken besteuern will. Da wären dann sehr viele KMU ganz direkt betroffen – und nicht «nur» als Zulieferer oder Abnehmer.

Interview: Rolf Hug

www.juso-steuer-nein.ch

Über die Siga AG

Gebäude ohne Energieverlust

Siga produziert Klebstoffe, Klebebänder und Membranen zur Abdichtung von Gebäudehüllen für den Schweizer und internationalen Markt. Der Hauptsitz des Schweizer Familienunternehmens befindet sich in Ruswil im Kanton Luzern. Die Vision von Siga ist das «Zero Energy Loss Building» – ein Gebäude, das keine Energie verliert. Siga beschäftigt rund 650 Mitarbeiter in 22 Ländern, davon etwa 300 in der Schweiz. Eigentümer sind die Brüder Marco und Reto Sieber. Momentan findet der Wechsel in die Hände der dritten Generation statt.

www.siga.swiss

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