Die Schweiz wird 2028 endlich eine ebenso alte wie absurde Steuer abschaffen: den Eigenmietwert. Seit den 1930er-Jahren mussten Eigentümer einen fiktiven Mietzins für ihr Haus oder ihre Wohnung versteuern, als würden sie daraus ein reales Einkommen erzielen. Diese steuerliche Absurdität, die fast ein Jahrhundert lang Bestand hatte, wird nach der historischen Abstimmung vom 28. September 2025 nun endlich verschwinden. Hinter dieser Abschaffung verbirgt sich jedoch eine weitaus komplexere Herausforderung: Den Kantonen, denen nun Einnahmen in Milliardenhöhe entgehen, steht nun ein Ermessensspielraum zur Anpassung ihrer Steuerpolitik zur Verfügung. Dies bringt das Risiko neuer Ungleichheiten mit sich.
Die Kehrseite der Medaille
Der Eigenmietwert, eine eigentliche Geistersteuer und ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten, belastete Eigentümer mit einer Steuer auf Einkünfte, die sie nie erzielt haben. Ab 2028 wird diese Belastung für alle Wohnimmobilien, egal ob Haupt- oder Zweitwohnsitz, abgeschafft.
Diese Reform hat jedoch auch eine Kehrseite: Die meisten steuerlichen Abzüge im Zusammenhang mit Immobilien – wie Hypothekarzinsen oder Unterhaltskosten – werden ebenfalls abgeschafft. Nur bestimmte Ausgaben bleiben dank der fakultativen Bestimmungen des Gesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern (StHG) und des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) abzugsfähig.
Die Kantone können somit bis 2050 unter den vom Eidgenössischen Finanzdepartement festgelegten Bedingungen Abzüge für Abrisskosten im Hinblick auf einen Wiederaufbau, die Restaurierung von historischen Denkmälern oder ökologische Investitionen beibehalten. Darüber hinaus können Steuerpflichtige, die zum ersten Mal eine Immobilie für den Eigenbedarf erwerben, einen Teil der Hypothekarzinsen abziehen, wobei die Obergrenzen über zehn Jahre degressiv gestaffelt sind (10 000 Franken für verheiratete Paare und 5000 Franken für andere, mit einer jährlichen Verringerung um zehn Prozent).
Paradoxe Situation
Dieser Übergang führt zu einer ziemlich paradoxen Situation: Manche Eigentümer werden sich beeilen, vor 2028 Renovierungsarbeiten durchzuführen, um ein letztes Mal von den aktuellen Steuerabzügen zu profitieren. Gleichzeitig müssen die Kantone ihr Steuersystem überdenken. Die Eigentümer neuerer Wohnungen werden davon profitieren, da sie von einer als ungerecht empfundenen Steuer befreit werden. Dagegen könnten diejenigen, die ältere Immobilien besitzen, unter steigenden Unterhaltskosten leiden.
Das eigentliche Problem liegt jedoch bei den Kantonen, insbesondere denen mit vielen Zweitwohnungen wie dem Wallis oder dem Tessin, die jährlich Einnahmen in Höhe von mehreren hundert Millionen Franken verlieren könnten. Diese Regionen müssen ihre Verluste ausgleichen, wahrscheinlich durch die Einführung neuer lokaler Steuern. Aber die Modalitäten sind noch unklar, sodass das Risiko einer mehrstufigen Besteuerung besteht.
Die grösste Gefahr jedoch liegt in der Komplexität des neuen Systems. Die Reform könnte zu einem Flickenteppich kantonaler Vorschriften führen, die schwer zu durchschauen sind. Kleine und mittlere Unternehmen, die sich für die Abschaffung des Eigenmietwerts eingesetzt hatten, werden nun die Beibehaltung bestimmter Abzüge fordern müssen, um eine plötzliche Erhöhung ihrer Steuerlast zu vermeiden.
Vorausschauend handeln
Bis 2028 sollten Eigentümer vorausschauend handeln. Wer Bauarbeiten plant, sollte diese vor 2028 durchführen, um noch von den letzten Steuerabzügen zu profitieren. Für die Kantone wird es darum gehen, ein Gleichgewicht zu finden zwischen der Notwendigkeit, ihre Verluste auszugleichen, und dem Risiko, die Haushalte zu benachteiligen.
Diese Reform bedeutet damit nicht nur das Ende einer steuerlichen Anomalie; sie leitet auch eine Phase der Unsicherheit ein, in der jeder Kanton seine eigenen Lösungen finden muss – mit dem Risiko, neue Ungleichheiten zwischen den Regionen zu schaffen. Die fakultativen Bestimmungen bieten eine gewisse Flexibilität, aber ihre Anwendung hängt vom lokalen politischen Willen ab. Und genau darin liegt die Komplexität dieser Reform, die einen neuen interkantonalen Steuerwettbewerb einführen soll, von dem man sich eine Entlastung der Steuerpflichtigen erhofft.
Mikael Huber, Ressortleiter sgv