KMU sind angewiesen auf eine zuverlässige und zukunftsfähige Verkehrsinfrastruktur
Nachhaltige Pneus gegen Mikroplastik
NEUE VORSCHRIFT – Bald tritt die Abgasnorm Euro-7 in Kraft, die erstmals auch den Reifenabrieb reguliert. Damit sind die Pneu-Hersteller gefordert – und sie reagieren mit unterschiedlichen Ansätzen.
Autoreifen sind weit mehr als nur schwarzes Gummi. Sie sind der einzige Kontaktpunkt vom Fahrzeug zur Strasse, übertragen die Beschleunigung und die Verzögerung und sind für das Fahrverhalten entscheidend. Pneus beeinflussen aber auch, wie viel Energie ein Auto braucht, um vorwärtszukommen – gerade bei Elektroautos sind deshalb rollwiderstandsarme Reifen gefragt.
Doch Pneus sind auch eine Umweltbelastung, denn sie hinterlassen konstant winzige Gummipartikel, wohin sie auch rollen. Weltweit entstehen so pro Jahr etwa sechs Millionen Tonnen Reifenabrieb. In der Schweiz sind es rund 8900 Tonnen Partikel und somit die grösste Quelle von Mikroplastik, die in unserem Land entsteht. Die EU führt mit der kommenden Euro-7-Norm (vgl. Kasten) erstmals klare Abriebgrenzwerte ein, sowohl für Brems- als auch für Reifenabrieb. Sie gelten ab 2028 für neue PW, später auch für LKW.
Das Material ist entscheidend
Die Pneuhersteller stehen damit unter massivem Druck, um neue, umweltfreundlichere Reifen zu entwickeln. Die zunehmende Anzahl Elektroautos vergrössert das Problem des Gummiabriebs zusätzlich. Da sie wegen ihrer grossen Batterie deutlich schwerer sind als vergleichbare Autos mit Verbrennungsmotor, ist ihr Reifenverschleiss und damit der Abrieb gemäss Studien bis zu 50 Prozent höher.
Die Lösungsansätze der Reifenhersteller sind unterschiedlich, entscheidend aber sind die verwendeten Materialien. Statt synthetischem Kautschuk auf Erdölbasis werden vermehrt nachhaltige Stoffe eingesetzt.
«Die zunehmende Anzahl Elektroautos vergrössert das Problem des Gummiabriebs.»
Continental beispielsweise verwendet Kautschuk, der aus dem russischen Löwenzahn gewonnen wird und soll damit eine Verringerung von Verschleiss und Rollwiderstand um rund 25 Prozent erreichen. Der japanische Hersteller Bridgestone produziert Kautschuk aus der Pflanze Guayule.
Auch Branchenprimus Michelin verfolgt das Ziel, Reifen aus 100 Prozent biologisch hergestellten und recycelten Materialien auf die Strasse zu bringen. Naturkautschuk, Harze auf biologischer Basis oder recycelte Kunststoffe sollen dabei verwendet werden, genauso wie wiederverwertete PET-Flaschen oder Styropor.
Die für die Reifenproduktion benötigten Öle sind pflanzlich, der Füllstoff Silica kann aus Reisschalen gewonnen werden. Schon heute sind Pneus auf dem Markt, die zu einem relevanten Teil aus nachhaltigen Materialien bestehen, wie etwa der P Zero E von Pirelli, der zu 55 Prozent aus nachhaltigen Stoffen besteht. Goodyear hat einen strassenzugelassenen Prototypen präsentiert, der zu 90 Prozent aus nachhaltigen Materialien besteht.
Ein wachsender Markt
Die Pflicht, umweltschonendere Pneus zu entwickeln, ist für die Reifenhersteller auch eine Chance. Gemäss einer Studie von BCC Research wächst der Markt für «grüne» Pneus von 70 Milliarden Franken im Jahr 2024 auf geschätzt 123 Milliarden Franken im Jahr 2029, was einem jährlichen Wachstum von fast 12 Prozent entspricht. Hersteller, die den neuen Euro-7-Grenzwert früh erfüllen, können sich im neuen Markt entsprechend profilieren und dürfen mit höheren Margen sowie Vorrang bei den Autoherstellern rechnen.
Dazu sind aber nicht nur die Materialien der Reifen entscheidend. Die beim Fahren unvermeidlichen Gummipartikel sollen möglichst gar nicht in die Umwelt gelangen. Start-ups wie The Tyre Collective arbeiten deshalb an Systemen, die den Pneu-Abrieb direkt am Rad auffangen, um ihn aus der Umwelt fernzuhalten. Wann solche Systeme auf den Markt kommen werden, ist allerdings offen.
Dave Schneider
Viele neue Anforderungen
Was ist die Abgasnorm Euro 7?
Die neue Abgasnorm Euro 7 gilt ab dem 29. November 2026 für neu homologierte Fahrzeugtypen und ab dem 29. November 2027 für alle Neuzulassungen. Sie führt keine strengeren Prüfstandgrenzwerte für klassische Emissionsschadstoffe wie Kohlenstoffdioxid (CO2), Kohlenmonoxid (CO), Stickoxide (Nox) oder Partikel ein, legt aber erstmals verbindliche Anforderungen für Realemissionen im Fahrbetrieb fest. Hierzu gehört auch die Regulierung sogenannter Non-Exhaust-Emissionen für Brems- und Reifenabrieb.
Darüber hinaus verlangt die neue Euro-Norm Manipulationssicherheit bei kritischen Fahrzeugkomponenten wie Steuergeräten, Einspritzsysteme, Batterien oder Kilometerzählern. Die Umsetzung dieser Anforderungen erfolgt im Einklang mit internationalen Regelwerken. Euro‑7 schreibt zudem ein «Onboard Monitoring System» (OBM) vor, das Emissionsüberschreitungen erkennen soll. Stickoxide (NOx) müssen über einen Sensor erfasst werden, Partikel (PM) dürfen rechnerisch bestimmt werden. Zudem müssen künftig alle PW mit einem «On-Board Fuel Consumption Monitoring System» (OBFCM) ausgestattet sein, das den tatsächlichen Treibstoffverbrauch speichert.
Neu sind auch regulatorische Anforderungen für Lebensdauer von bestimmten Komponenten. Fahrzeughersteller müssen die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte, Verbrauchsangaben sowie die Funktion der vorgeschriebenen Diagnosesysteme OBD, OBM und OBFCM über eine Lebensdauer von 160 000 Kilometern beziehungsweise acht Jahre nachweisen.
Für Elektro- und Plug‑in-Hybridfahrzeuge gelten erstmals Batteriehaltbarkeitsanforderungen: Die Speicherkapazität der Batterie darf nach fünf Jahren oder 100 000 Kilometern nicht unter 80 Prozent des ursprünglichen Werts fallen, nach acht Jahren oder 160 000 Kilometern nicht unter 72 Prozent. Mindestanforderungen an die Reichweite werden noch definiert. ds
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