Publiziert am: 03.10.2025

«Schweizer Kulturgut erhalten»

GLASATELIER ALINE DOLD – Aline Dold führt einen von 16 Schweizer Betrieben für Glasmalerei in Seuzach bei Winterthur. Als Restauratorin alter Werke gilt sie international als gefragte Expertin. Ihr grösstes Schweizer Werk, die Restaurierung der Glasfenster der Klosterkirche Königsfelden in Windisch, schloss sie erst vor Kurzem ab.

«Das Material Glas ist einzigartig in seiner Form. Nichts ist so vielfältig wie Glas und lässt sich in so vielen möglichen Techniken bearbeiten. Es lässt sich schleifen, formen, bemalen und schneiden und ist 100 Prozent lichtdurchlässig», sagt Aline Dold. Die Glasmalerin hat ihr Metier unter anderem bei ihrem Vater Fritz Dold gelernt und führt in vierter Generation die Familientradition weiter. Schon während ihrer Lehrzeit entdeckte sie die Vorliebe für ihr Spezialgebiet: die Restaurierung alter Glasmalereien. «Nach meiner vierjährigen Lehre vertiefte ich mein Fachwissen als Kunstglaserin in Lausanne. Danach führten mich die Lehr- und Wanderjahre weiter nach Canterbury und Köln, wo ich unter anderem vertiefte Einblicke in die Glasrestaurierung und -konservierung erhielt.» 2004 machte sie sich mit ihrem Glasmaleratelier am Rande von Winterthur selbstständig.

In verschiedene Zeitepocheneintauchen

Die Restaurierung und Konservierung von Glasmalereien und Replikas sowie die Instandstellung von historischen Bleiverglasungen gehören zu ihrer täglichen Arbeit. «An meinem Beruf fasziniert mich nicht nur der Malstil, sondern auch, dass ich in verschiedene Zeitepochen und künstlerische Handschriften eintauchen kann», erklärt die Kunsthandwerkerin. Die Technik ist seit dem 14. Jahrhundert gleich geblieben, ausser dass der Brennofen elektrisch betrieben wird und das Ätzen heute mit Flusssäure erfolgt. Und wie wird eine Glasmalerei hergestellt? «Nach dem Zeichnen eines Entwurfes werden die schon in der Glasmasse farbigen mundgeblasenen Echt-Antikgläser zugeschnitten», erklärt die Fachfrau. «Anschliessend können die farbigen Glasstücke konturiert und schattiert werden. Nach dem Einbrennen bei 600 °C wird das Glaspuzzle verbleit und punkteverlötet.» Sie verwendet hauptsächlich mundgeblasenes Echt-Antikglas aus Deutschland oder Frankreich.

700 Jahre alte Glasfenster restauriert

Ihr grösstes Projekt in ihrem Spezialgebiet – der Restaurierung alter Glasmalereien – schloss sie erst kürzlich ab: die Restaurierung von über 330 bis zu 700 Jahre alten Glasfeldern der Klosterkirche Königsfelden in Windisch.

«Die Jungen sind interessiert – Die Kombination aus handwerklichen und künstlerischen Elementen spricht sie an.»

Von Anfang 2023 an löteten Dold und zwei Berufskolleginnen über 7000 Bruchstellen im Blei, sicherten 500 Sprünge im Glas und dokumentierten das alles sorgsam. «Die grösste Herausforderung war, den Überblick zu behalten und auch kleine Details nicht aus den Augen zu verlieren», sagt Dold. Es liegt ihr am Herzen, Schweizer Kulturgut zu erhalten und instand zu stellen und somit für die Nachwelt weiterhin zugänglich zu machen. Das Ergebnis ist überwältigend und lässt sich seit dem 11. Juli bestaunen. Dann öffnete das Museum Aargau im ehemaligen Kloster seine Tore wieder. Der Fensterzyklus im aargauischen Windisch ist laut Dold aus mehreren Gründen besonders: «Kein anderer aus dem 14. Jahrhundert ist in der Schweiz so gut erhalten. Er berührt noch heute die Menschen, obwohl die Bilderflut zugenommen hat.»

Mit Arbeiten wie diesen hat sich die 46‑Jährige auch international einen Namen gemacht. Sie gehört einem europaweiten Netzwerk für die Restaurierung von Glasmalereien an. «Es ist mir wichtig, immer auf dem aktuellsten Restaurierungsstand zu sein, im Austausch mit den renommiertesten internationalen Restaurierungsstätten.»

90 Prozent sind Restaurierungen alter Glasmalereien. Die restlichen Tätigkeiten sind Herstellung von Glasmalereikopien, Ergänzungen oder ganz moderne dreidimensionale Glaskunst. In der modernen Architektur wird die Glasmalerei nur sehr selten eingesetzt. «Ich selbst konnte aber schon moderne Lichtbilder oder auch moderne Leuchtkörper in Privathaushalten kreieren.» Bei ihrer Arbeit bedeutet Dold Qualität alles – denn es geht um das Kulturgut. Zu ihren Kunden gehören die Denkmalpflege, Kirchengremien, Privatpersonen und Museen. Ihre aktuellen Projekte sind die Restaurierung des Kreuzgangs im Kloster Wettingen, eine 1:1-Kopie einer Glasmalerei aus dem 16. Jahrhundert sowie die Kontrolle der Giacometti-Fenster im Grossmünster Zürich.

Die Lehrstellen sind rar

Obwohl Dold und ihre Kollegen genügend Arbeit haben, steht hinter der Zukunft der Branche ein grosses Fragezeichen. Viele Glasmalerinnen und Glasmaler stehen vor der Pension und die jüngeren Kräfte sind rar gesät. Aktuell absolvieren zwei Lehrlinge die vierjährige Ausbildung. Es mangelt allerdings keinesfalls am Interesse des Nachwuchses, weiss Dold, welche dem Vorstand des Schweizerischen Fachverbandes für Glasmalerei angehört sowie ÜK-Verantwortliche ist. «Die Jungen sind interessiert – die Kombination aus handwerklichen und künstlerischen Elementen spricht sie an.» Eine mögliche Lösung sieht sie darin, das Wissen des Kunsthandwerkes in die Restaurierung einfliessen zu lassen. «Aktuell sind wir in Verhandlungen für einen sogenannten Lernverbund.»

Corinne Remund

www.atelierdold.ch

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