Publiziert am: 17.10.2025

Warum die Schweiz anfällig ist

STROMABKOMMEN – Die Strompreise schossen im Sommer 2022 in die Höhe – mit massiven Folgen für Schweizer KMU. Eine Analyse der ElCom zeigt: Nicht nur geopolitische Krisen, sondern auch strukturelle Schwächen des Schweizer Strommarkts haben die Kosten explodieren lassen. Ein Stromabkommen mit der EU kann helfen, solche Schocks künftig zu vermindern.

Im Sommer 2022 erreichten die Strompreise in der Schweiz historische Höchstwerte. Im Grosshandel kostete eine Megawattstunde zeitweise über 1000 Euro – achtmal mehr als zu Jahresbeginn. Gründe waren die Energiekrise infolge des Kriegs in der Ukraine, ausfallende französische Atomkraftwerke und eine drohende Gasknappheit in Europa.

Doch die Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom) zeigt in einer kürzlich veröffentlichten Analyse, dass die Preisexplosion in der Schweiz darüber hinausging. Hauptgrund: Die Schweiz verfügt nur über einen kleinen, kaum liquiden Strommarkt. Wenige Akteure und geringe Handelsvolumina führten bereits zu einem grossen Preisausschlag. Das Resultat war ein künstlich überhitzter Markt – trotz inländisch grundsätzlich stabiler Versorgung.

KMU mussten die Zeche zahlen

Davon betroffen waren die rund 600 Energieversorgungsunternehmen, die im August 2022 ihre Stromtarife für 2023 festlegen mussten. Viele von ihnen beschafften die benötigte Energie ausgerechnet in der Phase höchster Preise. Da diese Kosten in der Grundversorgung vollständig auf die Endkunden umgelegt werden können – und die Kleinkunden den Anbieter nicht wechseln können –, traf die Preisexplosion das Gewerbe mit voller Wucht. Viele Unternehmen mussten ihre Preise anheben oder Investitionen verschieben, für einige war die Lage existenzbedrohend.

Schwache Marktintegration, starke Folgen

Die Schweiz ist im europäischen Stromsystem ein sogenannter Preisnehmer: Sie übernimmt die Preise der Nachbarländer, kann sie aber aufgrund ihrer geringen Marktgrösse nicht beeinflussen. Gleichzeitig fehlen ihr die Vorteile des europäischen Strombinnenmarkts: koordinierte Reservekapazitäten, transparente Preisbildung und gemeinsame Sicherheitsmechanismen.

Im Krisenjahr 2022 zeigte sich, dass diese Isolation teuer werden kann. Während in der EU Preisvergleiche und Marktvolumen Preisspitzen abfedern, verstärkten sie sich in der Schweiz, auch wenn sie kaum etwas mit realen Engpässen zu tun hatten.

Eine Lösung ist, die Produktion in der Schweiz noch schneller auszubauen, als man es ohnehin tun muss. Doch dies ist teuer und aufgrund von Einsprachen langwieriger als gedacht. Ein anderer Ansatz ist, dass die Schweiz ihren Strommarkt unilateral per sofort öffnet, um mehr Wettbewerb unter den Anbietern zu schaffen. Doch mehrere Anläufe, nur schon den inländischen Markt auch für Kleinkunden zu öffnen, waren in den letzten 15 Jahren nicht erfolgreich.

Eine andere Möglichkeit ist der Abschluss des Stromabkommens mit der EU. Die Preise wären stabiler dank der grösseren Marktliquidität des EU-Binnenmarktes. Ausserdem würde mehr Wettbewerb herrschen, da auch ausländische Anbieter gleichwertigen Zugang zum Schweizer Markt erhielten. Gerade das Gewerbe, das auf verlässliche Energiepreise angewiesen ist, würde so Planungssicherheit gewinnen.

Die ElCom-Analyse zeigt deutlich: Der Preisschock von 2022 war nicht nur eine Folge globaler Krisen, sondern auch hausgemacht. Der Schweizer Strommarkt ist zu klein, zu wenig vernetzt und in Stressphasen anfällig für Übertreibungen – zum Nachteil für die Strombezüger.

Patrick DĂĽmmler, Ressortleiter sgv

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