Publiziert am: 21.11.2025

Die KMU dürfen nicht nochmals zum Opfer werden

EPIDEMIENGESETZ – Die anstehende Revision muss die parlamentarische Kontrolle stärken, die zentrale Rolle der Sozialpartner anerkennen, gezielte und pragmatische Massnahmen bevorzugen – und einen echten Entschädigungsmechanismus einführen.

Die Erfahrungen mit der COVID-19-Krise haben gezeigt, dass das Epidemiengesetz im Grundsatz ein nützliches und notwendiges Instrument ist. In Krisensituationen muss schnell gehandelt, müssen Zuständigkeiten geklärt und die Aufgaben der Behörden koordiniert werden. Dieselbe Krise hat aber auch Mängel in Bezug auf Governance und Verhältnismässigkeit sowie eine unzureichende Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realitäten aufgezeigt. Nach der Vernehmlassung zum Entwurf für eine Teilrevision des Gesetzes hat der Bundesrat diesen dem Parlament unterbreitet.

Der Entwurf enthält eindeutig positive Elemente. Die Digitalisierung wird besser strukturiert, die Informationsflüsse werden kohärenter und die Überwachungsinstrumente werden gestärkt. Für KMU liegt der konkrete Mehrwert vor allem darin, dass die Digitalisierung den Verwaltungsaufwand durch die Vermeidung von Mehrfacherfassungen reduziert und die Datenqualität verbessert. Zuverlässigere und rechtzeitig verfügbare Informationen ermöglichen gezieltere Massnahmen – mit deutlich geringeren Nebenwirkungen für die Wirtschaft als beim letzten Mal.

Sozialpartner mĂĽssen mitreden

Diese technischen Fortschritte dürfen jedoch nicht über grundlegende Schwächen hinwegtäuschen. In besonderen oder ausserordentlichen Situationen verfügt der Bundesrat über sehr weitreichende Befugnisse, ohne dass eine parlamentarische Fachkommission vorgesehen ist, um die Aktivierung, Verlängerung oder Aufhebung der Massnahmen rasch zu kontrollieren. Eine stärkere Einbindung des Parlaments würde die Legitimität der Entscheidungen stärken – insbesondere wenn diese die wirtschaftliche Freiheit von Unternehmen und Bürgern direkt betreffen.

Die Erfahrungen mit der Pandemie haben auch gezeigt, dass die wirksamsten und am besten akzeptierten Lösungen oft aus den Branchen selbst, aus der Praxis, kommen. Es sind die Unternehmen, die über ihre Dachverbände konkrete und umsetzbare Schutzpläne ausgearbeitet haben, die auf die Besonderheiten der einzelnen Sektoren zugeschnitten sind.

Die Sozialpartner müssen daher systematisch in die Krisenvorsorge und -bewältigung einbezogen werden. Sie bringen detaillierte Kenntnisse der Realitäten vor Ort mit und tragen dazu bei, dass die Massnahmen pragmatischer, zielgerichteter und leichter umsetzbar sind.

«Wer entscheidet, zahlt» – stattSchaden in Schuld umwandeln

Schliesslich bleibt noch die Frage der Entschädigung. Die vorgeschlagene Regelung basiert hauptsächlich auf rückzahlbaren Darlehen. Ein Darlehen ersetzt weder entgangene Umsätze noch weiterhin anfallende Mieten, sondern wandelt einen Schaden in eine Schuld um. Wenn eine öffentliche Entscheidung ein Unternehmen daran hindert, seine Tätigkeit auszuüben, ist ein gezielter, verhältnismässiger und pragmatischer Entschädigungsmechanismus nach dem Prinzip «Wer entscheidet, zahlt» erforderlich.

Das vorrangige Ziel bleibt, ausgewogene Massnahmen zu bevorzugen, die die wirtschaftliche Freiheit nicht oder so wenig wie möglich einschränken; eine Entschädigung muss dann erfolgen, wenn trotz allem erhebliche Eingriffe unvermeidbar sind.

RĂĽcksicht nehmen auf die KMU

Die Schweiz braucht ein modernes, wirksames und rechtsstaatliches Epidemiengesetz. Das Parlament hat nun die Verantwortung, den Entwurf des Bundesrats in diesem Sinne zu verbessern. Die Revision muss die parlamentarische Kontrolle stärken, die zentrale Rolle der Sozialpartner anerkennen, gezielte und pragmatische Massnahmen bevorzugen und einen echten Entschädigungsmechanismus einführen. Unter diesen Voraussetzungen wird sie das Land wirklich auf eine nächste Krise vorbereiten, ohne die KMU und die von ihnen abhängigen Arbeitsplätze zu opfern.Simon Schnyder, Ressortleiter sgv

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