Publiziert am: 21.11.2025

Eigenverantwortung statt Umverteilung

ABSICHERUNG GEGEN ERDBEBENSCHÄDEN – Mit einer neuen Vorlage will der Bundesrat sicherstellen, dass von Erdbeben verursachte Schäden behoben werden können – und setzt dafür auf eine neue «Eventualverpflichtung». Die ständerätliche Kommission hält jedoch wenig davon und ist nicht auf die Vorlage eingetreten. Der sgv lehnt das Ansinnen ebenfalls ab.

Auch wenn nur selten darüber gesprochen wird: In der Schweiz gilt ein relevantes Erdbebenrisiko. Dies liegt nicht etwa daran, dass es häufig Erdbeben gibt, sondern vielmehr daran, dass im Falle eines schwerwiegenden Erdbebens grosse Schäden in weiten Teilen des Landes zu erwarten wären. Warum ist dies relevant? Weil die in den meisten Kantonen obligatorische Gebäudeversicherung durch Erdbeben verursachte Schäden nicht deckt. Die Risiken können privat versichert werden, was jedoch aktuell nur bei etwa 15 Prozent der Gebäude der Fall ist.

Bundesrat will Finanzierung sicherstellen

In den vergangenen Jahrzehnten gab es im Parlament immer wieder Anläufe zur Einführung einer obligatorischen Erdbebenversicherung, welche jedoch allesamt scheiterten. Nun liegt ein neuer Vorschlag auf dem Tisch: Die Einführung einer sogenannten Eventualverpflichtung. Sollte ein schwerwiegendes Erdbeben mit grossen Schäden auftreten, könnte der Bundesrat diese auslösen.

«die Gebäude-versicherung liegt in der Kompetenz der Kantone.»

Alle Gebäudeeigentümer in der Schweiz wären dann verpflichtet, bis zu 0,7 Prozent der Gebäudeversicherungssumme einzuzahlen – die genaue Höhe würde der Bundesrat bestimmen. Damit wären maximal 22 Milliarden Franken für die Finanzierung des Wiederaufbaus verfügbar. Da es sich nicht um eine Versicherung, sondern eben um eine Eventualverpflichtung handelt, wären, solange kein Beben auftritt, keine Prämienzahlungen nötig.

Kommission stellt sich gegen staatliche Eingriffe

Die vorberatende Kommission des Ständerats befasste sich in den vergangenen Monaten intensiv mit dieser neuen Lösung. Sie beschloss schliesslich, nicht auf die Vorlage einzutreten, da sie den damit verbundenen starken staatlichen Eingriff ablehnt und für die nötigen Umsetzungsarbeiten mit hohen administrativen Aufwänden rechnet.

sgv setzt auf Eigenverantwortung

Der Schweizerische Gewerbeverband sgv begrüsst den Entscheid der Kommission. Denn er erachtet die Vorlage aus verschiedenen Gründen als problematisch. Erstens steht sie in Konflikt mit dem Subsidiaritätsprinzip. Denn die Gebäudeversicherung liegt in der Kompetenz der Kantone. Zweitens greift die Vorlage in einen privatwirtschaftlich funktionierenden Markt ein. Bereits heute gibt es zahlreiche private Versicherungsmöglichkeiten gegen Erdbebenschäden.

Drittens baut die Vorlage Bundeskompetenzen aus und führt zu Planungsunsicherheit für Gebäudeeigentümer. Dem Bundesrat wird ein grosser Freiraum eingeräumt, da dieser nicht nur entscheidet, ob das Erdbeben «schwerwiegend» genug ist, sondern er legt auch die Beitragshöhe fest. Dadurch sind Eigentümer der Willkür des Bundes ausgeliefert und haben keine Garantie, ob allfällige Schäden an ihren Gebäuden auch wirklich gedeckt sind. Viertens führt die vorgesehene verpflichtende finanzielle Beteiligung zu einer staatlichen Umverteilung und läuft dadurch auch dem Prinzip der Eigenverantwortung zuwider. Fünftens stellt die vorgesehene Finanzierungslösung eine finanzielle Mehrbelastung für Gebäudeeigentümer dar und kann durch den Auslösungszeitpunkt sogar krisenverstärkend wirken. Und nicht zuletzt gibt es bei der genauen Umsetzung noch viele Fragezeichen.

Als Nächstes wird sich der Ständerat mit dieser Vorlage befassen. Der sgv plädiert dafür, die Kantonskompetenzen, die Eigenverantwortung der Gebäudeeigentümer sowie die Integrität des privatwirtschaftlichen Versicherungsmarktes zu wahren, und fordert daher, auf die Einführung einer Eventualverpflichtung zu verzichten.

Michèle Lisibach, Ressortleiterin sgv

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