Schweizerische Gewerbezeitung: In der Wintersession wird das Entlastungspaket 27 (EP 27) des Bundes debattiert. Wie steht es um den Bundeshaushalt?
Mikael Huber: Es sieht mit Blick in die Zukunft sehr düster aus. In diesem Jahr droht ein Defizit von 815 Millionen Franken, für 2026 wird ein Verlust von 845 Millionen Franken prognostiziert. Ohne das angedachte Entlastungspaket drohen ab 2027 jährliche Milliardendefizite.
Die Gegner malen mit Blick auf das «Sparpaket» den Teufel an die Wand. Was ist davon zu halten?
Gar nichts. Bereits der Begriff «Sparpaket» ist falsch. Denn selbst mit dem Entlastungspaket wachsen die Ausgaben weiter. Das EP 27 sorgt lediglich dafür, dass sich das Ausgabenwachstum abflacht – mehr nicht.
Dieses Paket mit seinen rund 60 Massnahmen ist nötig, um in den kommenden Jahren die Einnahmen und Ausgaben des Bundes wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Konkret umfasst es ein Entlastungsvolumen von 2,4 Milliarden im Jahr 2027 und rund drei Milliarden Franken in den beiden darauffolgenden Jahren. Ohne diese Massnahmen wäre eine Gegenfinanzierung nötig.
«Der Bund hat ein Ausgaben- und kein EinnahmenÂproblem.»
Diese entspräche im Umfang einer Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes um rund 0,8 Prozentpunkte ab 2027. Ganz wichtig zu wissen ist: Im Jahr 2029 drohen bereits wieder Milliardendefizite – selbst wenn das Entlastungspaket vollständig umgesetzt wird.
Was fordert der sgv konkret mit Blick auf das Entlastungspaket?
Der sgv begrüsst das Paket im Grundsatz. Er sieht es als dringend notwendigen Schritt an, um den übermässigen Anstieg der Bundesausgaben zu bremsen und die langfristige Stabilität der Staatsfinanzen zu sichern. Ohne gezielte Massnahmen riskiert der Bund, dass er seine Handlungsfähigkeit in zukünftigen Krisen verliert.
Der sgv lehnt jedoch jede Form von Steuererhöhungen für KMU und Bürger kategorisch ab. Besonders inakzeptabel ist die im EP 27 geplante stärkere Besteuerung von Kapitalbezügen aus der zweiten und dritten Säule.
Warum?
Erstens weil der Bund ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem hat. Die Bundesausgaben haben sich in den letzten 35 Jahren etwa verdreifacht – auf nun rund 90 Milliarden Franken.
Zweitens dürfen nicht jene bestraft werden, die in der 3. Säule freiwillig Kapital für ihre Pensionierung angespart haben. Das ist ein absolutes No-Go! Die höhere Besteuerung schwächt das eigenverantwortliche Sparen für das Alter.
Zudem ist unser Steuersystem progressiv. Es macht deshalb Sinn, dass der Kapitalbezug bei der 2. Säule tieferen Steuersätzen unterliegt als die monatliche Rente.
Fallen Steuermehreinnahmen weg, schmälert das jedoch den Umfang des EP 27.
Ja. Aber man kann den Rentnern doch nicht ihr selbst angespartes Kapital wegbesteuern. Und wer über Jahrzehnte spart, muss darauf zählen können, dass die Regeln nicht nachträglich verschärft werden.
Der sgv fordert deshalb im Gegenzug weitere konsequente Einsparungen in anderen Bereichen. So müssen die Ausgaben für die internationale Zusammenarbeit bis 2030 auf maximal 2,5 Milliarden Franken gedeckelt werden. Beim EDA-Budget sind zudem jährliche Kürzungen notwendig. Und im Eigenbereich des Bundes müssen ab 2027 500 Millionen Franken eingespart werden – deutlich mehr als die vom Bundesrat vorgeschlagenen 200 bis 300 Millionen Franken.
Weshalb gerade im Eigenbereich?
Die Bundesverwaltung ist in den letzten Jahren im Vergleich zur Gesamtwirtschaft ĂĽberproportional gewachsen. Mittlerweile arbeiten mehr als 40Â 000 Angestellte beim Bund. So kann es nicht weitergehen.
Ein Bundesbeamter verdient im Schnitt zudem über 130 000 Franken pro Jahr. Mit all den Zulagen sind es noch viel mehr. Er erhält damit im Schnitt etwa zwölf Prozent mehr Lohn als Angestellte in der Privatwirtschaft mit vergleichbaren Tätigkeiten und ähnlicher Qualifikations- und Führungsstufe. Das ist eine unzulässige und unfaire Konkurrenzierung des privaten Sektors. Unsere KMU müssen diese überrissenen Staatslöhne mit ihren Steuern bezahlen. Im Gegenzug finden sie keine Fachkräfte mehr, weil der Staat ihnen diese mit seinen überattraktiven Bedingungen wegnimmt.
In ganz wenigen Bereichen lehnt der sgv punktuell KĂĽrzungen ab. Warum?
Es handelt sich dabei um Kürzungen in Bereichen, die für Wirtschaft und Gesellschaft unverzichtbar sind. Die Berufsbildung darf nicht angetastet werden, da sie entscheidend für die Bekämpfung des Fachkräftemangels und die Innovationsfähigkeit der Schweiz ist. Die indirekte Presseförderung in der Höhe von 20 Millionen Franken muss erhalten bleiben, um die Medienvielfalt zu schützen. So wie es das Parlament bereits 2025 entschieden hat. Ausserdem sind weitere versteckte Steuererhöhungen für den sgv inakzeptabel – etwa durch höhere Versteigerungserlöse bei Zollkontingenten.
Die Linken fordern eine Aufweichung der Schuldenbremse. Wäre das ein gangbarer Weg?
Das wäre sehr schlecht. Die heutigen Schulden sind die Steuern von morgen. Es ist unverantwortlich, unseren Kindern und Enkeln einen noch höheren Schuldenberg zu hinterlassen.
«Unsere KMU müssen diese überrissenen Staatslöhne mit ihren Steuern bezahlen. Im Gegenzug finden sie keine Fachkräfte mehr.»
Die Schuldenbremse sorgt dafür, dass nicht mehr ausgegeben als eingenommen wird, und macht die Bundesfinanzen und damit unseren Staat resistent und verlässlich.
Fällt die Schuldenbremse, dann explodieren die Steuern und die Schulden. In Frankreich sind die Zinsen für Fremdkapital bereits einer der grössten Posten im Haushalt. Je grösser der Schuldenstand, desto höher werden die Zinsen für die Aufnahme von weiterem Fremdkapital. Das ist ein Teufelskreis.
Die Schuldenbremse geniesst eine hohe Legitimität in der Bevölkerung: Beinahe 85 Prozent der Stimmberechtigten und ausnahmslos alle Stände sagten damals Ja zu deren Verankerung in unserer Bundesverfassung.
Trotz Entlastungspaket drohen ab 2029 bereits wieder Milliardendefizite. Was ist zu tun?
Es braucht tiefgreifende strukturelle Reformen, vor allem bei den stark gebundenen Ausgaben wie der AHV, die bereits 65 Prozent des Bundeshaushalts ausmachen. Eine automatische Anpassung des Rentenalters an die steigende Lebenserwartung wäre ein zentraler Hebel, um die Finanzierbarkeit langfristig zu garantieren.
Zum Schluss: Das kĂĽrzlich publizierte neue KMU-Barometer des sgv hat gezeigt, dass KMU zunehmend MĂĽhe bekunden, Firmenkredite von Banken zu erhalten. Weshalb?
Dieses Jahr ist «Basel III» in Kraft getreten. Es handelt sich dabei um ein internationales Regelwerk zur Stärkung des Bankensektors. Seither ist es für KMU komplizierter und damit auch teurer geworden, einen Kredit zu erhalten, weil es viel mehr Sicherheiten braucht. Mit den geplanten, sehr strengen «Too-Big-To-Fail»-Regeln würde dieses Problem noch verschärft.
Interview: Rolf Hug