Umweltschutz, Arbeitsbedingungen, Sicherheit oder Verbraucherrechte sollen durch Gesetze und Verordnungen gewährleistet werden. Doch jede zusätzliche Vorschrift zieht Aufwände nach sich – für Unternehmer, Verwaltungen und letztlich für die gesamte Volkswirtschaft. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv schätzt diese Kosten auf 80 Milliarden Franken pro Jahr – immerhin rund zehn Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP). Vor diesem Hintergrund fordert der sgv, die finanziellen und administrativen Folgen neuer Regelwerke transparenter zu machen.

Für eine unabhängigere Regulierungskostenschätzung

Mit der Motion 25.4179 von Ständerat Fabio Regazzi soll der Bund neu verpflichtet werden, bei jeder Gesetzes- oder Verordnungsrevision eine im Vergleich zu heute unabhängigere Schätzung der entstehenden Regulierungskosten vorzulegen. Heute schätzt die für den jeweiligen Erlass zuständige Einheit der Bundesverwaltung die Kosten, die den Unternehmen entstehen.

Dies birgt nicht selten einen Zielkonflikt: Die Bundeseinheit hat meistens selbst Interesse an einer neuen Regulierung – oft schlicht deshalb, weil sie sie selber vorgeschlagen hat. Und die externen Auftragnehmer einer Studie, welche die Kosten schätzt, haben ein Interesse am Erhalt von weiteren Aufträgen. Darum neigen sie zu Ergebnissen im Sinne der auftraggebenden Ämter. Entsprechend werden die Regulierungskosten in den Studienergebnissen oft unvollständig dargestellt.

Überträgt man die Federführung der Regulierungskostenschätzung aber an das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, kann eine unabhängigere und realistischere Einschätzung der finanziellen Belastungen für Wirtschaft und Verwaltung erwartet werden. Der sgv unterstützt die Motion, die in der Wintersession vom Ständerat mit grosser Mehrheit – gegen den Willen des Bundesrates – angenommen und an den Nationalrat zur Beratung überwiesen wurde.

KMU-Regulierungskostenbremse

Eine Ergänzung ist die Motion 25.4187 von Ständerat Jakob Stark: Sie verlangt eine «Regulierungskostenbremse» für KMU. Bundesgesetze und völkerrechtliche Verträge, die für KMU erhebliche zusätzliche Regulierungskosten verursachen, sollen erhöhte Anforderungen im Gesetzgebungsprozess erfüllen müssen. Beispielsweise durch ein qualifiziertes Mehr der beiden Räte oder dadurch, dass bestehende Erlasse im mindestens gleichen Umfang aufgehoben oder geändert werden. Damit sollen KMU nicht überproportional durch neue Auflagen belastet werden – etwa mit überbordenden Berichtspflichten, teuren Kontrollen oder häufigen Anpassungen. Denn gerade KMU, die weniger personelle und finanzielle Ressourcen haben als Grossfirmen, spüren neue Vorschriften besonders stark. Die Kostenbremse soll verhindern, dass sie unnötige Wettbewerbsnachteile erleiden. Der sgv unterstützt die Vorlage.

Regulierung mit Augenmass gefordert

Regulierung ist nicht per se schlecht. Sie bleibt unabdingbar, um Wettbewerb, Sicherheit und gewisse Standards zu gewährleisten. Doch sie darf nicht zur übermässigen Belastung für Wirtschaft und Gesellschaft führen. Die beiden Motionen sind kein Anti-Regulierungsprojekt; sie wollen vielmehr sicherstellen, dass neue Vorschriften mit Verantwortung und im vollen Bewusstsein der Kostenfolgen eingeführt werden. Für das Gewerbe, besonders aber für KMU, ist das ein wichtiges Signal: Nicht jeder Vorstoss, so gut gemeint er sein mag, lohnt sich. Die wirtschaftliche und administrative Realität muss mitgedacht werden. Die kommenden Monate werden zeigen, ob diese Ansätze eine parlamentarische Mehrheit finden und wie Verwaltung und Politik die Balance zwischen Regulierung und Tragbarkeit finden.

Patrick Dümmler, Ressortleiter sgv