Die Agenda der COP ist überfrachtet. Klimapolitik ist längst zu einem Sprungbrett mutiert, auf dem weitere Themen medial und politisch hochgespielt werden können. Dies nutzen einzelne Länder sowie die mit Tausenden von Delegierten vor Ort anwesenden NGO und hieven ihre Partikularanliegen auf die offizielle Agenda. So sollen unter anderem auch die Biodiversität und die Ökosysteme geschützt werden (obwohl es dafür eigene Konferenzen gibt), die sogenannte Klimagerechtigkeit (das heisst finanzielle und technologische Unterstützung für Entwicklungsländer) soll gefördert werden, und mittels Reformen soll das Wirtschafts- und Finanzsystem «grün» umgebaut werden.
Die COP ist also viel mehr als eine Klimakonferenz – sie ist heute eine globale Plattform für Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Entwicklung, Sicherheit und internationale Zusammenarbeit. Ganz nach dem Motto: Irgendwie hängt ja alles mit dem Klima zusammen. Dies verstellt zusehends den Blick auf das Wesentliche: die Begrenzung der Erderwärmung. Die Folge ist ein langsamer, bürokratischer Prozess, bei dem Ansprüche und Resultate je länger, je mehr auseinanderdriften.
Schweiz gehört zu führenden Ländern
Aus KMU-Sicht muss das COP30-Ergebnis als ambivalent betrachtet werden. Einerseits wurden die Marktmechanismen – basierend auf Artikel 6 des Pariser Abkommens – gestärkt. Nicht zuletzt dank dem jahrelangen Engagement und Know-how der Schweizer COP-Delegation gehört die Eidgenossenschaft hier zu den führenden Ländern. So werden nicht nur rund ein Viertel aller CO2-Zertifikate weltweit über die Schweiz abgehandelt, unser Land hat auch bereits eine Vielzahl an bilateralen Abkommen dazu abgeschlossen. Diese Vereinbarungen schaffen die Grundlagen für Projekte zur Reduktion von Treibhausgasemissionen.
An der COP30 kamen zwei weitere dazu: So unterzeichnete Bundesrat Albert Rösti jeweils ein Klimaabkommen mit Sambia und der Mongolei. Die in diesen Ländern erzielten CO2-Einsparungen kann sich die Schweiz auf ihr eigenes Klimaziel anrechnen lassen. Nicht nur das Klima, sondern auch Unternehmen profitieren von einem global funktionierenden CO2-Markt, denn dies erlaubt Emissionsminderungen dort, wo die Effizienz am höchsten ist.
Keine solide Grundlage
Andererseits liess die COP30 Entscheide vermissen, die eine grössere Planbarkeit gebracht hätten. So bleibt auf internationaler Ebene unklar, bis wann fossile Energieträger ersetzt werden sollen. Dies schafft Unsicherheit bezüglich der langfristigen Kostenentwicklung, insbesondere in energieintensiven Branchen.
«Bei künftigen COP muss die Stimme der KMU ein grösseres Gewicht haben.»
Zudem soll die finanzielle Unterstützung für Anpassungsmassnahmen in verwundbaren Ländern bis 2035 verdreifacht werden. Doch es bleibt unklar, wer letztlich zahlt – und unter welchen Bedingungen. Aus Sicht der KMU ist dieses ungefähre Versprechen keine solide Grundlage, um eigene Geschäftsrisiken zu kalkulieren, insbesondere wenn Investitionen in neue Technologien erforderlich sind.
Obwohl der Schweizerische Gewerbeverband sgv die Bedeutung des Klimaschutzes anerkennt, stellt er fest, dass die COP30 die Chance verpasst hat, klare, unternehmerfreundliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Der sgv befürchtet, dass ohne konkrete Stärkung des Unternehmertums auch in den entwickelten Ländern die Innovation und letztlich auch die dringend benötigte Entwicklung neuer Klimalösungen leidet.
sgv plädiert für pragmatische Umsetzungsstandards
So wurden zum Beispiel – um die Fortschritte zu messen – Indikatoren zur Anpassung an den Klimawandel beschlossen. Der sgv warnt davor, dass solche Indikatoren in der Praxis schnell als Basis für zusätzliche Regulierungen dienen können – etwa in Berichterstattungen, Emissionsnachweisen oder Förderbedingungen. Für viele kleine Betriebe bedeutet jede neue Regulierungsstufe zusätzlichen administrativen Aufwand und Kosten. Der sgv plädiert deshalb für flexible, pragmatische Umsetzungsstandards. Bei künftigen COP muss die Stimme der KMU ein grösseres Gewicht haben – ihre Erfahrungen aus der Praxis sind essenziell, damit Klimapolitik wirksam und wirtschaftlich tragfähig bleibt.
Trotz dieses Fazits und des insgesamt mühsamen internationalen Prozesses ist die Schweiz gut beraten, auch weiterhin den Multilateralismus zu unterstützen. Für ein kleineres und wirtschaftlich mittelstarkes Land ist eine regelbasierte der machtbasierten Ordnung klar vorzuziehen. Der sgv wird sich weiterhin für eine Klimapolitik einsetzen, die ambitioniert ist – aber auch realistisch, unternehmensfreundlich und wirtschaftlich tragbar.dp