Das Parlament des Kantons Basel-Stadt hat im Oktober 2025 mit einer Stimme Mehrheit eine gefährliche Grenze überschritten: Arbeitnehmer sollen ihre Steuern künftig nicht mehr selber bezahlen, sondern diese werden ihnen direkt vom Lohn abgezogen. Konkret müssen Arbeitgeber ihren in Basel-Stadt lebenden Angestellten monatlich einen Betrag vom Lohn abziehen und diesen direkt an die Steuerbehörden überweisen. Was als administrative Modernisierung präsentiert wird, schreibt in Wirklichkeit ein inakzeptables Prinzip fest: nämlich, dass sich der Staat bei seinen Schuldnern stets zuerst bedienen darf – noch vor allen anderen Gläubigern der Privatwirtschaft. Es handelt sich um eine gefährliche Machtanmassung des Staates.
Der Schweizerische Gewerbeverband sgv lehnt solche schädlichen Experimente entschieden ab. Sie gefährden das wirtschaftliche Gleichgewicht und die Eigenverantwortung – zwei Stärken, die die Schweiz erfolgreich machen.
«es geht um viel mehr als eine technische Frage. Es geht um den Platz des Staates in unserer Wirtschaft.»
Was der Kanton Basel-Stadt gerade verabschiedet hat, erinnert seltsam an die parlamentarische Initiative 22.439 von Emmanuel Amoos (SP), die 2023 vom Nationalrat und 2024 vom Ständerat abgelehnt wurde. Die eidgenössischen Räte hatten diese Forderung damals als zu riskant für das wirtschaftliche Gleichgewicht und die Freiheit der Steuerzahler beurteilt, obwohl sie als «fakultativ» präsentiert wurde.
KMU schauen in die Röhre
Seit jeher basiert das Steuersystem der Schweiz auf einem klaren Prinzip: der Freiheit, seine finanziellen Prioritäten selbst zu setzen. Bei Miete, Rechnungen und Steuern organisiert jeder Bürger seine Zahlungen entsprechend seinen Verpflichtungen und Entscheidungen. Dies ist ein Prinzip der Freiheit, aber auch der Verantwortung. Mit dem automatischen Direkteinzug wird dieses Gleichgewicht gestört. Von nun an gewährt sich die Steuerverwaltung ein exorbitantes Privileg: Sie lässt sich vor allen anderen bezahlen und schränkt damit die Fähigkeit der Haushalte ein, ihren Verpflichtungen gegenüber privaten Akteuren nachzukommen.
Für einen Selbstständigen kann dies bedeuten, dass er gegenüber seinem Lieferanten in Zahlungsrückstand gerät. Eine Familie muss Rechnungen aufschieben. Für einen Mieter bedeutet es Mietrückstände. Private Gläubiger wie KMU, Banken und Vermieter werden hinter eine unvermeidbare Steuerschuld zurückgestellt und warten auf ihr Geld. Eine solche Umkehrung der Zahlungsprioritäten schwächt unsere gesamte Wirtschaft, insbesondere, wenn sie sich allgemein durchsetzen würde.
Der sgv erinnert nachdrücklich daran: Die Realwirtschaft darf nicht auf dem Altar der Verwaltungsvereinfachung geopfert werden. Unternehmen, die bereits mit steigenden Belastungen konfrontiert sind, dürfen nicht unter den Folgen einer Reform leiden, die den Finanzfluss aus dem Gleichgewicht bringt. Schulden müssen bezahlt werden, aber in einer Reihenfolge, die die vertraglichen Verpflichtungen und die Freiheit der Steuerzahler respektiert.
Bürgern wird Verantwortung entzogen
Die Reform löst auch überhaupt keine Probleme, sie verlagert sie nur. Anstatt das Steuersystem zu vereinfachen oder Steuerzahler in Schwierigkeiten zu unterstützen, würden diese vielmehr bevormundet, indem ihre Steuern bereits vor Auszahlung ihres Lohns einbehalten werden. Diese Logik fördert keineswegs die Eigenverantwortung, sondern entzieht den Bürgern die Kontrolle über ihre Finanzen.
Doch genau diese Verantwortung macht die Stärke des Schweizer Modells aus. Indem sie ihre Steuern selbst verwalten, lernen die Steuerzahler, vorauszuplanen, zu budgetieren und Prioritäten zu setzen. Die automatische Abgabe degradiert den Bürger hingegen zu einem simplen Ausführenden und nimmt Haushalten und Unternehmen die Kontrolle über ihre Finanzen.
Der sgv verteidigt deshalb ein grundlegendes Prinzip: Steuern müssen eine bewusste Handlung bleiben und dürfen keine erlittene Abgabe sein. Das Vertrauen in das System beruht auf dieser Autonomie. Sie abzuschaffen, bedeutet, die Grundprinzipien unseres Wohlstands zu untergraben. Der sgv sagt klar Nein zum Direktabzug und Ja zu einer ausgewogenen Besteuerung. Kantone, die dem Beispiel Basels folgen möchten, täten gut daran, zuerst über die Folgen nachzudenken. Denn es geht um viel mehr als eine technische Frage. Es geht um den Platz des Staates in unserer Wirtschaft.
Mikael Huber, Ressortleiter sgv