Publiziert am: 12.12.2025

KMU sollen zahlen – einmal mehr

AHV – Mit seinen Leitlinien zur AHV2030 legt der Bundesrat eine klare Priorität fest: Er erhöht die Arbeitskosten, statt die eigentlichen Faktoren für eine nachhaltige Stabilisierung der AHV anzupacken. Eine Anpassung der Lebensarbeitszeit ist nicht vorgesehen, während gleichzeitig die Belastungen für KMU, Selbstständigerwerbende und Familienunternehmen massiv steigen sollen.

Im August 2025 hat der Bund die finanziellen Aussichten der AHV aktualisiert. Seither hat sich eine trügerische Haltung durchgesetzt: Die Lage sei «weniger düster als erwartet». Es reiche aus, die 13. Rente angemessen zu finanzieren, und jede Diskussion über eine Anhebung des Referenzalters werde überflüssig. Der Überschuss von 2,8 Milliarden im Jahr 2024 wird als Beweis dafür angeführt, dass «das System funktioniert».

Doch diese auf den ersten Blick verlockende Darstellung verschleiert die unangenehme Realität. Dieselben offiziellen Prognosen zeigen nämlich, dass mit der 13. Rente das Verteilungsergebnis der AHV schnell wieder negativ wird: Für 2030 wird ein Defizit von rund 1,9 Milliarden und zwischen 2035 und 2040 ein Verlust in der Grössenordnung von 4 Milliarden Franken pro Jahr erwartet. Mit anderen Worten: Die revidierten Zahlen mildern zwar die Alarmstimmung, ändern aber nichts an der Entwicklung: Die Ausgaben steigen automatisch mit der Demografie, und solange man sich weigert, die Dauer des Erwerbslebens anzutasten, muss man regelmässig das Thema Einnahmen wieder aufgreifen.

Bundesrat vergisst den Bund

In seinen Leitlinien für die AHV2030, die am 26. November 2025 vorgestellt wurden, bestätigt der Bundesrat diese Logik: Er schliesst eine Anhebung des Referenzalters ausdrücklich aus und setzt auf ein Paket zusätzlicher Einnahmen. Auf dem Programm stehen verschiedene Szenarien für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, je nachdem, wie die 13. Rente finanziert wird. Er will die Beiträge von Selbstständigen mit hohem Einkommen erhöhen und die Taggelder bei Krankheit und Unfall der AHV unterstellen. Zudem will der Bundesrat bestimmte Dividenden der AHV unterstellen – und zwar solche, die als «ungewöhnlich hoch» gelten. Das Ganze wird durch einige eher symbolische Anreize ergänzt, länger zu arbeiten.

Dabei vergisst die Landesregierung jedoch einen zentralen Akteur dieses Konstrukt: den Bund. Laut Gesetz finanziert er 20,2 Prozent der Ausgaben der AHV. Bereits heute fliessen beinahe 11 Milliarden Franken pro Jahr aus dem allgemeinen Haushalt in die erste Säule – also Mittel, die aus Steuergeldern stammen. Jeder zusätzliche Rentenfranken bedeutet daher automatisch zusätzliche starre Ausgaben für den Bund.

«Eine glaubwürdige AHV-Reform 2030 muss auf einer unabhängigen Analyse basieren.»

Solange auf Strukturreformen verzichtet wird, wird ein immer grösserer Teil der öffentlichen Mittel von der AHV beansprucht, was den Spielraum für andere Prioritäten einschränkt und den Druck für weitere Steuererhöhungen auf Bundesebene erhöht.

Es braucht eine unabhängige Expertengruppe

Angesichts dieser Gefahr einer schrittweisen Vereinnahmung der öffentlichen Finanzen hat das Parlament im September das Postulat 25.3731 von Fabio Regazzi, Mitte-Ständerat und Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv, angenommen. Dieses beauftragt den Bundesrat, eine unabhängige Expertengruppe einzusetzen, um die Einnahmen und die Ausgaben der AHV eingehend zu analysieren, Varianten zur Verlängerung des Erwerbslebens zu prüfen und wirksame Anreize für die Arbeit über das Referenzalter hinaus zu entwickeln.

Dieses Mandat widerspricht genau dem trügerischen Reflex, dass alles gut sei und so belassen werden könne, wie es ist. Es geht von der Feststellung aus, dass man nicht unbegrenzt mit Finanzierungslösungen auf eine demografische und finanzielle Dynamik reagieren kann, ohne ernsthaft über die Dauer des Erwerbslebens und die Verteilung der Lasten zwischen den Generationen zu diskutieren.

Alle Optionen mĂĽssen auf den Tisch

FĂĽr den Schweizerischen Gewerbeverband sgv ist die Botschaft klar: Die neuen finanziellen Perspektiven der AHV dĂĽrfen nicht als Alibi dienen, um jede Strukturreform zu verhindern, sondern mĂĽssen im Gegenteil als Chance genutzt werden, um die Debatte zu erweitern.

Eine glaubwürdige AHV-Reform 2030 muss auf einer unabhängigen Analyse basieren, wie es das Postulat Regazzi fordert, und endlich alle Optionen auf den Tisch bringen, einschliesslich einer schrittweisen Verlängerung des Erwerbslebens. Andernfalls werden die Kosten der Nichtreform für KMU, Erwerbstäti-ge und den Bundeshaushalt weiter steigen.

Simon Schnyder, Ressortleiter sgv

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