Publiziert am: 12.12.2025

Mit Praxisnähe in die Lehre

RICHARD BEGLINGER PREIS – Schaffhauser Ausbildungsbetriebe in der Baubranche setzen in der Lehrlingsausbildung auf Praxis statt Theorie: Mit ihrem Projekt «Lernende bauen Zukunft» fördern und unterstützen sie die berufliche Orientierung und Berufsfindung. Dabei lassen sie ihre Lernenden ein Bauprojekt planen und umsetzen. Dafür wurden sie ausgezeichnet.

Das Projekt «Lernende bauen Zukunft» aus Schaffhausen gewinnt den diesjährigen Richard Beglinger Preis (vgl. Kasten). Die Initiative dazu stammt von einem engagierten Schaffhauser Gebäudetechnikbetrieb. Alles begann mit einem Baucontainer, der 2022 beim Schaffhauser Gräfler-Schulhaus zu einem Pausenkiosk umfunktioniert werden sollte. Thomas Bollinger, Geschäftsführer der Bollinger Bauspenglerei – Sanitäre Anlagen AG war sofort Feuer und Flamme und machte aus der einfachen Anfrage ein Lernenden-Projekt. Dabei holte er weitere Ausbildungsbetriebe der regionalen Baubranche an Bord. «Meine Grundidee war es, unsere Lernenden mit eigenen, kleinen Projekten, welche sie selbst ausführten, zu motivieren.» Bei diesem Projekt waren zudem weitere Berufssparten wie Elektriker, Maler und Gerüstbauer beteiligt. «Viele Schülerinnen und Schüler schauten dabei unseren Lernenden interessiert bei der Arbeit zu. Dabei wurde uns bewusst, dass unsere Lernenden gute Botschafter sind, um andere Jugendliche für einen Bauberuf zu motivieren», erklärt der Inhaber des suissetec-Mitgliederbetriebes. Er legte mit diesem ersten Projekt den ersten Meilenstein für zahlreiche weitere Bauprojekte, die alle eine ausgezeichnete berufliche Orientierung verfolgen und aktiv fördern. «Es ist wichtig, dass solche Projekte nicht konkurrenzierend gegenüber ausführenden Betrieben sind», stellt Bollinger fest. «Die Projekte müssen an Orten realisiert werden, an denen junge Menschen zusammenkommen – an Schulen und in Vereinslokalitäten.»

Bollinger gründete aufgrund seines ersten Projektes zusammen mit weiteren Schaffhauser Ausbildungsbetrieben im Bauwesen den Verein «Gemeinsam gegen den Fachkräftemangel». Ein zentrales Anliegen der Vereinsmitglieder ist dabei, dem Fachkräftemangel in der Baubranche aktiv entgegenzuwirken und gleichzeitig die Ausbildungsqualität der Lernenden zu steigern. Lernende übernehmen dabei ganz nach dem Motto «Lernende bauen Zukunft» die Verantwortung für reale Bauprojekte, die sie eigenständig planen und umsetzen. «Die Lernenden arbeiten von der Planung bis zum Abschluss selbständig, natürlich mit Unterstützung ihrer Lehrmeister», sagt Bollinger. Für den innovativen Unternehmer bedeutet die Auszeichnung mit dem Richard Beglinger Preis 2025 eine wichtige Wertschätzung für sein Engagement im der praxisnahen Berufsbildung. «Dieser Preis ist eine wichtige Referenz, dass unser Baugewerbe sehr vieles zur Berufsbildung und Berufsfindung beiträgt und damit auch im sozialen und gesellschaftlichen Bereich einen wichtigen Beitrag leistet.»

Schwellenängste abbauen

Als sehr wichtig erachtet Bollinger die berufliche Orientierung: «Neben der Vermittlung handwerklicher Fähigkeiten und sozialer Kompetenzen, wie Teamarbeit, Verantwortungsbewusstsein und unternehmerisches Denken, schaffen wir dabei insbesondre auch wertvolle Begegnungen für Schülerinnen und Schüler in der Phase ihrer Berufswahl. Diese sollen die jungen Leute zu einer Schnupperlehre motivieren», betont Bollinger. Und er doppelt nach: «Mit unserem Engagement möchten wir den Jugendlichen frühzeitig Orientierung bieten, Schwellenängste abbauen und das Interesse an einer handwerklich-technischen Berufslaufbahn wecken.» Durch den direkten Austausch mit den Lernenden entsteht ein authentisches Bild der Ausbildungsberufe – und somit eine wichtige Grundlage für die fundierte Berufswahl. Praktischen Einblicke in verschiedene Lehrberufe und die Kommunikation auf Augenhöhe mit den Schülerinnen und Schülern, die Förderung der persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung der Lernenden und das aktive Engagement der KMU für die berufliche Orientierung und die Nachwuchsförderung – diese Aspekte haben die Jury überzeugt. Auch Michèle Lisibach, Ressortleiterin beim sgv, ist begeistert vom Siegerprojekt «Lernende bauen Zukunft» und gratulierte dem gesamten Projektteam anlässlich der Preisverleihung in Bern. «Es freut es mich ganz besonderes, dass dieses Projekt von verschiedenen Betrieben getragen wird.» Für die Vertreterin des Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv ist dies Ausdruck davon, wie sich die KMU engagieren: einerseits für den Berufsstolz und die öffentliche Wahrnehmung der Berufsbildung allgemein und ihrer Berufe im Spezifischen. Andererseits aber vor allem auch für die Förderung des Nachwuchses. «Diese Schaffhauser KMU setzen sich aktiv dafür ein, dass Jugendliche sich praktisch und intensiv mit möglichen Ausbildungsberufen auseinandersetzen können. Dabei fördern sie gleichzeitig ihre eigenen Lernenden, indem sie ihnen Verantwortung übertragen und sie in ihrer beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung unterstützen», betont Lisibach.

Zudem hofft Lisibach, dass sich durch diese Leistung weitere KMU oder Verbände inspiriert fühlen, auch ihre Projekte als «Leuchttürme» für erfolgreiche berufliche Orientierung zu positionieren und sich für den Richard Beglinger Preis 2027 zu bewerben. Auch Thomas Bollinger wünscht sich, dass «Lernende bauen Zukunft» auch weitere Firmen, Verbände oder Regionen zu eigenen Projekten anspornt: «Wir sind jederzeit offen, unsere Erfahrungen weiterzugeben. Es wäre grossartig, wenn dieses Engagement für mehr Berufsnachwuchs vielleicht auch in Ausbildungsbetrieben in anderen Kantone Nachahmer finden würden.»

Corinne Remund

www.lbz-sh.ch

RICHARD BEGLINGER PREIS

Innovative Projekte für den Berufsweg

Der Richard Beglinger Preis wurde von der Fachkommission Berufliche Orientierung des Dachverbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH initiiert. Er wird alle zwei Jahre ausgeschrieben. Prämiert werden öffentliche und private Trägerschaften oder Privatpersonen für ausgezeichnete Arbeiten zur beruflichen Orientierung und zur Berufsfindung von Jugendlichen. Dafür steht ein Preisgeld von jeweils insgesamt 10 000 Franken zur Verfügung, das auch auf verschiedene Eingaben verteilt werden kann. CR

www.richardbeglingerpreis.ch

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